
Es ist erstaunlich, wie schnell das Glasfasernetz in Deutschland ausgebaut wird. Waren es vor fünf Jahren gerade einmal 1,5 Millionen Anschlüsse, sind es mittlerweile deutlich mehr. Je nach Datenlage gelten 19 bis 20 Millionen Haushalte als glasfaseranschlussberechtigt. Das heißt aber nicht, dass diese Haushalte auch tatsächlich Glasfaserkabel in ihren Häusern haben. Gemeint ist damit die Zähleinheit Homes Passed, also die Kabelführung in der Nähe des Grundstücks. Der Branchenverband VATM nennt diese Art des Ausbaus „Pfahlschläge“ und kritisiert vor allem die Deutsche Telekom.
Telekom steckt ihren Claim ab: Große Marktmacht bei Glasfaser
Der haushaltsgenaue Ausbau ist deutlich schneller und kostengünstiger als der tatsächliche Anschluss jedes einzelnen Hauses. VATM und Dialog Consult haben jetzt eine Analyse der Wettbewerbssituation im Festnetzmarkt vorgelegt. Sie zeigt, dass die Telekom im FTTH/B-Markt mit hoher Geschwindigkeit haushaltsgenau ausbaut. Mit dieser „Einstellung“ festigt sie laut VATM auch ihre dominante Stellung im Glasfasermarkt. „Mittelfristig könnte diese Dominanz signifikant werden“, sagt Studienautor Prof. Dr. Peter Winzer, Professor für Telekommunikationsökonomie an der Hochschule RheinMain. Zu diesem Bild passt auch, dass die Telekom den Zukauf von Bitstrom-Vorleistungen bei Wettbewerbern nach wie vor weitgehend ablehnt.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Telekom mit 7,9 Millionen angeschlossenen Haushalten einen Marktanteil von 46,7 Prozent hat. Der nächstgrößte Konkurrent ist die Deutsche Glasfaser mit 12,3 Prozent oder 2,1 Millionen Anschlüssen. „Das hohe Ausbautempo der Telekom im FTTH/B-Markt ermöglicht es ihr, ihre dominante Stellung in diesem Markt weiter auszubauen“, heißt es in der Studie. Die tatsächlichen Marktanteile der Telekom bei Glasfaser zeigen, dass die Telekom laut Studie noch nicht auf die Vermarktung in ihren „reservierten“ Gebieten setzt. Dies schadet den Endkunden. Die Telekom hat erst 30,3 Prozent ihrer Glasfaserleitungen bis in die Haushalte verlegt. Nur 23,8 Prozent sind tatsächlich aktiviert.
Kaum Wettbewerb bei der Telekom-Infrastruktur
Wettbewerber befürchten, dass diese Dominanz noch stärker wird als bei Kupfer und DSL. Aktuell werden gerade einmal vier Prozent aller aktiven Telekom-Glasfaseranschlüsse von Wettbewerbern betrieben. Vermarktet werden die Anschlüsse derzeit etwa von Vodafone, O2, easybell, 1&1 und Maingau Energie. Das Problem aus Sicht der Wettbewerber: Der Zugang zu reiner Glasfaser ist nicht möglich, Wettbewerber sind derzeit auf hochpreisige Bitstream-Zugänge angewiesen. Insgesamt liegt der Marktanteil der Telekom im Festnetz bei 59,7 Prozent und wächst weiter. Das ist besorgniserregend. „Ein solches Wiederaufleben des ehemaligen Monopolisten ist im EU-Vergleich die Ausnahme“, sagt Studienautor Winzer.
„All das zeigt, wie wichtig eine wettbewerbssichernde Regulierung – und nicht nur eine Light-Regulierung – für einen funktionierenden Wettbewerb ist“, sagt VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer. „Wir appellieren daher dringend an die Bundesnetzagentur, die Regulierung des Kupfernetzes der Telekom in ihrer Gesamtheit und ihre Auswirkungen auf den Glasfaserausbau zu betrachten.“ Denn nur echter Wettbewerb auf den Märkten bedeutet auch echten Kundenschutz.
In der Branche herrscht allerdings weitgehend Einigkeit: Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, bis 2030 flächendeckendes Glasfaser-Internet anbieten zu können, wird deutlich verfehlt.