Nach Ansicht der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, mische sich Söder damit nicht nur in den Zuständigkeitsbereich von Minister Stolz ein, sondern „komme auch einer Entscheidung des Landtags zu der laufenden Petition zuvor.“ Borgendale betont: „Vielleicht würde dem Ministerpräsidenten eine Viertelstunde zum Grundgesetz guttun“ – eine Anspielung auf das neue Unterrichtselement an Bayerns Schulen.
Prüfungskritiker sehen sich durch eine 2022 veröffentlichte Studie zur Schulbildung der Universitäten Bayreuth und Wien in ihren Ansichten bestätigt: Demnach steigern unangekündigte Leistungstests die Angst der Schüler, verringern ihre Freude am Lernen und schwächen so ihre Leistung. Verlässlich angekündigte Tests wirken sich dagegen günstiger auf die Emotionen der Schüler und auf ihren Lernerfolg aus.
Unzufriedenheit bei SPD und Grünen
Die SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Nicole Bäumler, spottet: „Söder spielt mal wieder die Rolle des Bildungsministers – und liegt fachlich völlig daneben.“ Aus ihrer Erfahrung als Lehrerin und aus Studien wisse sie, dass Schüler weniger gestresst seien und mehr Spaß am Unterricht hätten, wenn Tests angekündigt würden. Statt die Expertise von Bildungsexperten zu ignorieren, solle Söder die Aufgabe lieber seiner Ministerin überlassen.
Grünen-Vize Johannes Becher weist darauf hin, dass Kinder ganz unterschiedlich mit Druck umgehen. Typisch für Söder sei, dass es bei der Leistungsbeurteilung „überhaupt keine Innovation“ gebe, „dass wir nicht einmal davon reden können, etwas zu ändern“.
Philologenverband auf Söders Seite
Der Bayerische Philologenverband (BPV) steht dagegen auf der Seite des Ministerpräsidenten. BPV-Chef Michael Schwägerl sagte dem BR: „Wir freuen uns, dass unsere Argumente zu diesem Thema überzeugen konnten.“ Seinem Verband gehe es nicht darum, an überholten Leistungskonzepten festzuhalten. „Es geht darum, den Schulen den pädagogischen Freiraum zu geben, unangekündigte Leistungskontrollen sinnvoll einzusetzen, wie es die Schulordnung vorsieht.“ Für den Philologenverband sind unangekündigte Leistungskontrollen ein Schulformat, „das auch heute noch pädagogisch Sinn macht.“
Minister lenkt ein
Kultusministerin Stolz lenkt nun ein: Sie stehe im ständigen Austausch mit Söder, auch zum Thema Leistungsbeurteilungen, sagte sie der dpa. „Wir sind beide überzeugt, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen befähigen müssen, auf herausfordernde Situationen spontan und angemessen zu reagieren. Dazu gehören auch unangekündigte Leistungsbeurteilungen.“