
Das Regierungsdrama in Frankreich geht in die nächste Runde. Präsident Macron will bis zum Abend einen neuen Premierminister ernennen. Ein ehrgeiziges Ziel, denn der Kandidat muss eine enorme Anzahl an Kriterien erfüllen.
In Frankreich will Präsident Emmanuel Macron heute einen neuen Premierminister ernennen. Bis zuletzt war unklar, wer Regierungschef in dem politisch gespaltenen Land wird und ob der zurückgetretene Ministerpräsident Sébastien Lecornu am Ende weitermacht.
Vor seiner Entscheidung hatte Macron die Führer der Parteien im Parlament zu Beratungen in den Élysée-Palast eingeladen, berichteten französische Medien. Die einzigen Parteien, die nicht dabei sein werden, sind die Parteien der Rechten und Linken, Marine Le Pens Rassemblement National (RN) und Frankreichs linke Partei La France insoumise (LFI).
Mehrere Namen im Gespräch
Neben der Möglichkeit, dass der amtierende Premierminister Lecornu in eine Verlängerung gehen könnte, machten verschiedene Namen die Runde. Medien nannten den sozialistischen Führer Olivier Faure. Erwähnt wurde auch der Name des ehemaligen sozialistischen Premierministers Bernard Cazeneuve, der von Dezember 2016 bis Mai 2017 Regierungschef unter Präsident François Hollande war.
Erwähnt wurde auch der zentristische Politiker Jean-Louis Borloo, der unter den Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy Ministerämter innehatte. Auch der Präsident der Nationalbank, François Villeroy de Galhau, wurde erwähnt.
Die Zeit wird knapp
Ohnehin steht Macron unter Zeitdruck, denn wenn das hochverschuldete Frankreich rechtzeitig einen Haushalt für das kommende Jahr auf den Weg bringen will, muss dieser spätestens am kommenden Montag ins Parlament eingebracht werden – und zwar durch den Premierminister. Dies ist in den verfassungsrechtlichen Fristen vorgesehen. Gelingt dies nicht, würde dies das ohnehin schon politisch gelähmte Land noch weiter blockieren und wirtschaftlich behindern.
Der amtierende Wirtschafts- und Finanzminister Roland Lescure versicherte, dass das finanziell angeschlagene Frankreich auf jeden Fall einen Haushalt für 2026 aufstellen und auch seine europäischen Verpflichtungen einhalten werde. In Frankreich gibt es eine Mehrheit der Abgeordneten, die sich Stabilität wünschen und sich in einem Punkt einig sind: „Wir brauchen einen Haushalt für 2026 und, ganz wichtig, einen Haushalt, der die Verpflichtungen respektiert, die wir gegenüber unseren europäischen Freunden eingegangen sind, und genau das wird passieren“, sagte Lescure bei einem Treffen in Luxemburg.
Der bisherige französische Premierminister Lecornu wurde erst vor vier Wochen Premierminister und trat am Montag aufgrund von Spannungen innerhalb der Regierung zurück. Macron beauftragte ihn daraufhin, innerhalb von zwei Tagen einen Weg aus der Krise zu sondieren. Nach Gesprächen mit den Parteien zeigte sich Lecornu vorsichtig optimistisch.
Gesucht: Das „fünfbeinige Schaf“
Präsident Macron hat noch keine Angaben dazu gemacht, ob es einen Premierminister aus dem linken Lager geben wird und wie die Richtung und Form der künftigen Regierung aussehen wird. Man könnte sagen: Macron ist auf der Suche nach dem „fünfbeinigen Schaf“, denn das nennt man in Frankreich den „Alleskönner“. Der neue Premierminister muss so viele Kriterien erfüllen, dass der selbst gesteckte Zeitplan am Abend äußerst ambitioniert erscheint.
Schließlich gilt es, jemanden zu finden, der ein mögliches Regierungsbündnis aus Sozialisten, Grünen, Macron-Anhängern und konservativen Republikanern vertreten kann. Der Neue muss Zugeständnisse an die Linke machen – es ist die Rede davon, die geplanten Sparmaßnahmen milder zu gestalten. Außerdem könnte die Rentenreform auf Eis gelegt werden, doch dann sprangen die Republikaner ab. Wie man es dreht und wendet: Es ist schwierig.
Mit Informationen von Julia Borutta, ARD Paris