
Kreml schickt Banken in die Ukraine
Putin festigt Besetzung mit Geldautomaten
16.09.2024, 15:47
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Russische Unternehmen scheuen sich, in den besetzten ukrainischen Gebieten aktiv zu werden. Präsident Putin schickt inzwischen große staatliche Finanzinstitute – etwa in die fast völlig zerstörte Stadt Mariupol.
Russlands größte Staatsbanken haben in den besetzten Gebieten der Ukraine Dutzende Filialen eröffnet. Die Sberbank betreibt inzwischen 48 Standorte – einige davon vollwertige Filialen – und 130 Geldautomaten, wie sie der Financial Times mitteilte. 70.000 Kunden wurden bereits bedient, und das Geschäft soll ausgebaut werden.
Zu den Filialen gehören auch eine Handvoll mobiler Büros in der fast völlig zerstörten Stadt Mariupol. Die VTB Bank hat inzwischen angekündigt, dort bis Jahresende stationäre Filialen zu eröffnen. Bei der Eröffnung einer Filiale in Luhansk sprach deren Chef Andrej Kostin davon, dass es sich um eine „wichtige Etappe im Prozess der Integration der Region in die Wirtschaft des Landes“ handele, wie ihn die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS zitierte.
Russland beansprucht nach seinem Einmarsch in die Ukraine die ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja für sich. Der Aggressor hat nicht alle besetzten Gebiete unter seiner Kontrolle, sondern versucht, weitere zu erobern. Dem Bericht zufolge war die PSB Bank die erste Bank, die in die neu besetzten Gebiete vordrang. Sie verfügt mittlerweile über fast 400 Filialen in Donezk und Luhansk.
Die Aktivitäten der Banken seien Teil eines Versuchs, die besetzten ukrainischen Gebiete zu „russifizieren“. So würden dort etwa Schulbücher umgeschrieben. Im vergangenen Jahr habe die Sberbank zudem ein Büro auf der 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim eröffnet, nachdem sie damals ihre Aktivitäten auf der Halbinsel eingestellt hatte, berichtet die Zeitung. Der russische Präsident Wladimir Putin rief führende Vertreter des russischen Finanzsektors auf: „Sie müssen in diese Gebiete gehen und dort mit mehr Enthusiasmus arbeiten.“ Putin erklärte: „Alles, was Sie befürchtet haben – Sanktionen – ist bereits eingetreten. Wovor also besteht Grund zur Angst?“
Geringe Kaufkraft, hohes Risiko
Einzelhändler, Banken und andere Unternehmen scheuen sich allerdings noch immer, in den besetzten Gebieten zu arbeiten. „Vernünftige Unternehmen werden nicht dorthin gehen – es lohnt sich einfach nicht“, zitierte die Financial Times einen Mann aus dem russischen Einzelhandel. „Die Kaufkraft ist niedrig und in diesen Regionen leben vor allem Rentner und Beamte. Die Risiken sind hoch.“ Selbst auf der Krim seien nur sehr wenige Unternehmen aktiv.
Auch die westlichen Sanktionen dürften Unternehmen abschrecken. Nachdem das russische Handelsministerium im Frühjahr angekündigt hatte, russische Online-Marktplätze würden in den Regionen ihren Betrieb aufnehmen, dementierten diese dies kurz darauf und verwiesen auf mangelnde Logistikkapazitäten, wie die Zeitung erklärt. Die staatliche PSB Bank hatte dann im Sommer einen solchen Marktplatz an den Start gebracht.
„Patriotische“ Burgerkette
Auch wenn es für russische Firmen ökonomisch wenig Sinn macht, in den besetzten Gebieten aktiv zu werden, können sie sich dort als „patriotische“ Unternehmen positionieren. So kündigte die Restaurantkette Black Star Burger laut dem Bericht jüngst an, Filialen in Mariupol und der Region Cherson zu eröffnen.
Insgesamt waren nach Angaben der russischen Steuerbehörde im vergangenen Jahr 2500 Unternehmen in den neu besetzten Gebieten aktiv. Darunter dürften allerdings auch von Russland enteignete Firmen sein. Die ukrainische Supermarktkette First Republican Supermarket etwa gehört laut Firmenregister inzwischen der Witwe des früheren Chefs der sogenannten Donezker Volksrepublik. Alexander Sachartschenko, einer der wichtigsten Anführer der prorussischen Separatisten in der Ostukraine, war 2018 bei einem Bombenanschlag getötet worden.