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Kommentar zum Mercosur: Der unvollkommene Deal


Kommentar

Stand: 7. Dezember 2024 6:34 Uhr

Das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur hat nach 25 Jahren endlich die Ziellinie erreicht. Aber nicht alles daran ist perfekt. Dennoch: Ein Deal ist besser als kein Deal, sagt Anne Herrberg.

Eigentlich glaubte kaum jemand, dass es noch kommen würde: das Freihandelsabkommen der Superlative zwischen der EU und den Mercosur-Staaten. Eine ganze Generation von Verhandlungsführern hat dafür gekämpft, eine ganze Generation von Journalisten hat darüber geschrieben, 25 Jahre lang.

Jetzt ist der Text da. Halleluja. Durchgesetzt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegen alle Bedenken und Widerstände. Was für ein Coup. Aber was für ein Risiko.

Autos werden gegen Kühe eingetauscht

Und das nicht nur, weil der Deal die Europäische Union spaltet. Auch am Abkommen selbst gibt es viel zu kritisieren. Wie viel Wohlstand und hochwertige neue Arbeitsplätze es bringen wird, bleibt abzuwarten. Denn natürlich werden Autos in erster Linie gegen Kühe eingetauscht.

Davon profitieren die ohnehin schon starken und wettbewerbsfähigen Wirtschaftszweige. Und im Mercosur – in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – ist das die Landwirtschaft. Von der Pampa bis zum Amazonas erstrecken sich riesige Weideflächen und Monokulturplantagen, die mit Maschinen und Pestiziden bewirtschaftet werden, die in Europa schon lange verboten sind.

Die europäischen Landwirte stürmen

Es war klar, dass die europäischen Landwirte nun in Aufruhr waren. Es ist Unsinn, dass das Abkommen auf ihrem Rücken ausgehandelt wurde. Der Text enthält eine lange Liste von Quoten, Anforderungen und Importmengen, die klare Grenzen für Südamerikas Agrarexporte setzen. Von einer Überschwemmung mit Billigfleisch kann keine Rede sein.

Aber es ist kein Unsinn, dass die Landwirtschaft Südamerikas ebenso wie der Bergbau der Umwelt schadet. Trotz aller Beteuerungen werden natürlich Wälder abgeholzt, Wasser ausgegraben, Ökosysteme natürlich zerstört und indigene Gemeinschaften vertrieben. Übrigens auch für Futtermittel für europäische Rinder oder für Rohstoffe für die grüne Energiewende. Es besteht keine Notwendigkeit, irgendetwas zu beschönigen.

Ein Deal ist besser als kein Deal

Und dennoch ist ein Deal besser als kein Deal. Besonders in Zeiten, in denen sich die Koordinaten der Weltpolitik dramatisch verschieben und sich die USA und China wie zwei Blöcke im Kalten Krieg gegenüberstehen. Für beide Regionen ist es absolut wichtig, dass sich Südamerika und Europa gemeinsam behaupten wollen – und es blieb keine Zeit mehr, dies noch länger hinauszuzögern.

Sonst nehmen andere noch mehr Platz ein. China ist seit langem der wichtigste Handelspartner der Region. Die Volksrepublik verhandelt 25 Jahre lang nicht: Sie kommt, baut einen Hafen im Austausch für politische Gefälligkeiten. Umweltschutz und Menschenrechte spielen hier keine Rolle. In der EU ist das anders – und genau das wird in Südamerika geschätzt. Ein Handelsabkommen, sollte es tatsächlich zustande kommen, wäre zumindest ein Instrument zur Einflussnahme und Festlegung von Standards für den Natur- und Tierschutz.

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