Santiano gehört seit Jahren zu den beliebtesten und erfolgreichsten Bands Deutschlands. Ihr neues Album hat es erneut an die Spitze der Charts geschafft. Darauf ist Björn Both natürlich unglaublich stolz. Er ist Frontmann und Sänger der Band und am Freitagabend zu Gast in der WDR-Talkshow „Kölner Treff“.
„Mein Vater hat zu mir gesagt: Lerne erst mal etwas Vernünftiges und dann kannst du anfangen Gitarre zu spielen“, sagt Both in der Talkgruppe um Micky Beisenherz und Susan Link. Darauf müssen sich die Väter der Bandmitglieder geeinigt haben. Denn alle sechs Musiker gehen auch normalen Berufen nach: Rettungsschwimmer, Uhrmacher, Sonderpädagoge, Architekt, Pädagoge und Maschinenbauingenieur. „Für mich war es nur eine Ausbildung zum Maschinenbauingenieur“, sagt Björn Both. „Dann hatte ich das Glück, von der Musik leben zu können.“
„Das ist eine teuflische und miese Krankheit“
Björn war 47 Jahre alt, als der Erfolg kam. „Seitdem hatten wir keinen erfolglosen Tag mehr“, urteilt Björn Both. „Wir öffnen das große Fass.“ Das war Santiano klar, als sie sich 2011 trafen, um in Deutschland einen Musikstil zu etablieren, der in vielen Ländern bereits Erfolg hatte: Folk Rock. „Es war wie ein Traum“, sagt Björn Both. Und er findet es in Ordnung, dass der Erfolg erst spät im Leben kam. „Dann hast du bis zum Schluss Geld“, grinst er.
Die Norddeutschen seien so etwas wie „Seemannschaft“, sagt Björn Both. Das bedeutet, füreinander einzustehen. Täglich. Dabei sei es egal, wer in der Crew sei, sagt der Musiker, der jede Form von Rassismus ablehnt.
„Seemannschaft ist für mich wie ein Kodex, der auf die gesamte Gesellschaft angewendet werden kann. Das bedeutet, dass man füreinander einsteht. Seeleute waren wohl die ersten Kosmopoliten auf dieser Welt, denn um sich auf die Frau oder den Mann neben einem verlassen zu können, brauchte es von Anfang an und schon immer etwas mehr als Religion oder Hautfarbe. Dass man ein anständiger Mensch ist, zeigt sich in allen Aspekten.“
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Santiano-Sänger Björn Both (Archivfoto) war zu Gast beim „Kölner Treff“.
Das gilt für alle in der Band. Dies durfte auch Gründungsmitglied und Gitarrist Andreas erleben, der von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde. „Und das ist kein Almosen oder eine Geste der Freundschaft. Wir brauchen es auch.“
Bei Andreas Fahnert wurde vor einigen Jahren die Parkinson-Krankheit diagnostiziert und er kann keine Live-Auftritte mehr besuchen. „Es ist eine teuflische und miese Krankheit, das muss man ehrlich sagen“, sagt Björn Both.
Bevor sich die Band 2011 traf, verfügten alle Mitglieder über mehr als 20 Jahre Musikerfahrung. Auch Björn Both liebte das Meer. Sein Vater war Kapitän und er und seine Geschwister verbrachten ihre Kindheit „auf See“. Die Großmutter war da. „Sie hat Musik in unsere Familie gebracht“, sagt Björn Both. Sein Vater spielte Akkordeon. „Und er war ein wirklich guter Kerl. Das habe ich erst sehr spät gemerkt.“
„Und dann muss man akzeptieren, dass die Leute gehen.“
Was ihm nicht gefällt: Santianos Musik wird oft von Leuten gefeiert, mit denen die Band nichts gemeinsam hat: Leute aus der rechten Ecke.
„Das sind Menschen, die zum Beispiel den Begriff Heimat völlig absurd verwenden. Das haben wir 2015 gemerkt. Da hat die Pegida-Bewegung angefangen. Da haben wir gemerkt: Hier rutscht wirklich etwas durch. Wir weisen schon seit zehn Jahren darauf hin, was sich hier am Horizont zusammenbraut. Die dunklen Wolken sind fast über uns“, warnt Both.
Ihr neuestes Album trägt den Titel „Something is brewing here“. Der Titel wurde aus einem bestimmten Grund gewählt. „Seit zehn Jahren singen wir bei jedem Konzert die ‚Ode an die Freiheit‘. Seitdem hat es sich immer geändert, weil ich den Text immer neu schreibe und Aktualisierungen hinzufüge. Und dann muss man akzeptieren, dass die Leute gehen.“
Freiheit, die beiden wichtig ist, lässt sich nicht von der Verantwortung trennen, auch nicht für den Nächsten und schon gar nicht vor einer Zukunft, insbesondere vor einer Zukunft für unseren Planeten. Die Demokratie verändert sich, das ist wichtig. „Seit einigen Jahren haben wir es aber auch mit Menschen zu tun, die die Grundlagen der Demokratie zerstören.“ Davor sollte man nicht weglaufen. Und man solle nicht wegschauen, sagt Björn Both.
Allerdings gönnt er sich ab und zu eine Auszeit: Oft ist er monatelang mit seiner Segelyacht „Capella“ unterwegs. Doch für Björn Both ist klar: Er wird immer zurückkommen. Und im Frühjahr gehen wir wieder mit Santiano und ihrem Shanty Rock auf Tour. Dann präsentieren die Schleswig-Holsteiner ihr neues Album. Ein Album, bei dem es auch um Freiheit geht, die man nur in einer Demokratie haben kann. (tch)
