Auch die jüngsten Bombenanschläge in Köln wurden wieder einmal von der sogenannten „Mokro-Mafia“ verübt. Sie senden eine alarmierende Botschaft aus: Es gibt in Deutschland nichts, wovor die Kriminellen aus den Niederlanden Angst haben. Nicht die Polizei. Nicht die Politik. Und schon gar nicht die deutsch-niederländische Zusammenarbeit.
Werden sie es wieder wagen? Diese Frage beherrschte die Debatte um die sogenannte „Mokro-Mafia“, nachdem sie im Juli in NRW Bombenanschläge und Entführungen verübt hatte. Einige Experten mutmaßten, diese Serie sei noch lange nicht vorbei, andere argumentierten, man könne sich das kaum vorstellen. So furchtlos und dreist würde nicht einmal die Mokro-Mafia vorgehen. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind inzwischen umfassend sensibilisiert, Sonderkommissionen mit über 60 Ermittlern eingerichtet, die deutsche Öffentlichkeit in höchster Alarmbereitschaft – so etwas würden sie nicht wagen.
Sie haben es gewagt. Hinter den Bombenanschlägen in Köln diese Woche, bei denen ein Nachtclub und eine Filiale des Streetwear-Ladens „LFDY“ schwer beschädigt wurden, stecken Mocro-Mafiosi – gut organisierte Gangs, die vor allem aus Niederländern marokkanischer Herkunft bestehen („Mocro“ ist niederländischer Slang für Marokkaner. Der Begriff wurde von niederländischen Medien geprägt).
„Unverhohlen brutales Vorgehen“
Seit den 1990er Jahren haben die Mafiosi in Teilen Europas den Drogenmarkt erobert. Jetzt greifen sie verstärkt auch den deutschen Markt an, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Das bestätigten Staatsanwaltschaft und Polizei Köln am Donnerstag. „Die Verbindungen zur organisierten Kriminalität in den Niederlanden sind offensichtlich“, und das lasse sich „schon durch die bisherigen Erkenntnisse belegen“, sagte Michael Esser, Kriminaldirektor der Kölner Polizei. Die Zielpersonen der Angriffe seien derzeit „einer großen Gefährdung ausgesetzt“.
Das Ansehen dieses Gegners, vor allem sein „unverfrorenes und brutales Vorgehen“ (wie es Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft formulierte), bereitet den Sicherheitsbehörden ebenso Sorge wie den Landespolitikern in NRW. In den Niederlanden sind die Mocro-Mafiosi jedes Jahr für eine dreistellige Zahl von Anschlägen, Geiselnahmen und Verstümmelungen verantwortlich. Nach Angaben niederländischer Ermittler liquidieren sie dort jährlich zwischen zehn und 20 Menschen. Selbst vor der Planung der Entführung des damaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte und von Kronprinzessin Amalia schreckten sie nicht zurück.
Bombenanschläge und Schießereien, Entführungen und Folter
Diese außerordentliche Skrupellosigkeit hatten die Täter, die nach Schätzungen des LKA viele Hundert Personen umfassen, bereits in NRW an den Tag gelegt. Zwischen Juni und August hinterließen sie eine Spur der Gewalt und Verwüstung durch NRW: mindestens elf Bombenanschläge, zwei Schießereien und zwei Entführungen, darunter Erpressungen und Folter. Die Entführungen erfolgten, nachdem den niederländischen Drogenmafiosi 300 Kilo Marihuana gestohlen worden waren. Anschließend entführten sie einen Mann und eine Frau eines libanesischen Verbrecherclans, der nach Angaben der Polizei kriminell ist und das Marihuana gestohlen haben soll.
Das Paar wurde in eine angemietete Villa in Köln gebracht und grausam gefoltert. Die blutigen Szenen wurden gefilmt und an ihre Verwandten geschickt – um sie zur Herausgabe der Drogen im Millionenwert zu zwingen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich nach dieser Tat erstaunt und sagte, er finde es „beunruhigend“, dass die Banden ihre Anschlagsserie fortsetzten, obwohl ihre Verbrechen bereits öffentlich diskutiert würden und einige Täter bereits gefasst seien.
Explosive Form der Kommunikation
Nach Angaben der Polizei geht es bei diesen vergangenen, aber auch den aktuellen in Köln, um „offene Rechnungen im Milieu“ – und im Kern um Verteilungskämpfe auf dem deutschen Drogenmarkt. Ausländische Kriminelle könnten derart komplexe Aktionen nur durchführen, wenn sie „hier ein Netzwerk haben, das sie unterstützt“, glaubt Oliver Huth, der NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er hatte bereits im Juli vorausgesagt, dass die niederländischen Banden noch lange nicht aufgeben würden.
Die beiden jüngsten Anschläge in Köln verliefen vergleichsweise harmlos. Nach Angaben der Polizei gingen die Täter nicht mit maximaler Gewalt vor; sie hätten auch mehr Sprengstoff und insgesamt mehr Sprengstoff einsetzen können. Sie hätten die Situation nicht so weit eskalieren wollen wie möglich. Laut BDK-Experte Huth hätten sie eine explosive Kommunikationsform eingesetzt. Sie wollten ihren Opfern durch den Sprengstoff etwas mitteilen: „Ich weiß, wo ihr wohnt, ich kenne eure Ankerpunkte, ich kann jederzeit zuschlagen.“
Welchen Nutzen hat die grenzübergreifende Zusammenarbeit?
Vor allem SPD und AfD im Landtag sind inzwischen besorgt, dass die niederländischen Banden seit einem Jahrzehnt in NRW ihr Unwesen treiben – und die Polizei ihre Ausbreitung im Land noch immer nicht stoppen kann. Tatsächlich haben vorwiegend marokkanischstämmige Banden seit 2015 in NRW weit über tausend Geldautomaten gesprengt, allein in den Jahren 2022 und 2023 waren es 335. Und dass sie schon lange Drogen über die Grenze schmuggeln, sei sogar „nichts Neues“, so Innenminister Reul.
Die Opposition fragt auch, warum die angeblich so intensive Polizeizusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen nicht erfolgreicher sei. Tatsächlich wurden 2006 Verbindungsbüros für die Polizeien aus Nordrhein-Westfalen, Holland und Belgien eingerichtet – genannt „Euregionales Polizeiinformations- und Kooperationszentrum (EPICC)“. Sie sollten auch den grenzüberschreitenden Kampf gegen den Drogenhandel verbessern.
2018 starteten die drei Länder ein weiteres gemeinsames Zentrum zur Schwächung der organisierten Kriminalität in der Dreiländerregion – genannt „Euregionales Informations- und Kompetenzzentrum (EURIEC)“. Und im Februar dieses Jahres kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ebenfalls die Einrichtung eines weiteren deutsch-niederländischen Polizei- und Zollzentrums an. Doch die Mocro-Mafia wütet weiter. Das liege auch daran, dass die niederländische Polizei „im eigenen Land 800 bis 900 Übergriffe pro Jahr bewältigen muss. Die Frage ist: Welche Kapazitäten haben sie für weitere Ermittlungen?“
Ansätze zur Unterwanderung von Sicherheitsbehörden
Doch es kommt noch schlimmer. Die Banden wenden offenbar inzwischen eine aus den Niederlanden bekannte Strategie an: die Unterwanderung der Sicherheitsbehörden. In Bonn wurde ein deutsch-marokkanischer Polizeikommissar dabei erwischt, wie er der Mafia gegen Geld Informationen lieferte. Gegen ihn wird wegen Bestechlichkeit und Justizbehinderung im Amt ermittelt, weil er nicht nur sein Wissen an die Mafiosi weitergab, sondern auch Insiderwissen über die Drogenbanden nicht an seinen Arbeitgeber weitergab. Polizei und Kriminalbeamte sind sich nun sicher, dass sie es erneut versuchen werden. Und diesmal sind sich die Experten einig.