Transformationsforscherin Maja Göpel sieht in Hamburgs Zukunftsentscheidung ein Signal für die Klimapolitik in Deutschland. Sie erklärt, warum verbindliche Zwischenziele, klare Anreize und sichtbare Vorteile entscheidend für die Akzeptanz sind.
Hamburg hat sein Klimaschutzgesetz mit einem Bürgerentscheid verschärft: Klimaneutralität bis 2040, jährliche Zwischenziele, verbindliche Überprüfung. Damit ist die Stadt der erste Bundesstaat des Landes, der ein solches Gesetz verabschiedet hat. Für Transformationsforscherin Maja Göpel ist das ein Signal, das über Hamburg hinausgeht. „Es verschiebt die Debatte vom ‚Ob‘ zum ‚Wie‘“, sagt sie. Und dieses „Wie“ muss so gestaltet sein, dass es sich rechnet – für Haushalte, Unternehmen und Kommunen.
Göpel hatte seinen Standpunkt bereits vor der Abstimmung deutlich gemacht. Gemeinsam mit mehr als 70 norddeutschen Wissenschaftlern unterzeichnete sie einen offenen Brief, der ein „Ja“ zur künftigen Entscheidung empfahl. Für sie ist die Botschaft klar: „Das Wichtigste ist, endlich mit dem Laufen anzufangen“, sagt sie. Diskutieren Sie nicht endlos darüber, ob das Ziel realistisch ist, sondern zeigen Sie, welche positiven Veränderungen zu Beginn eintreten.
Der 49-Jährige ist einer der bekanntesten Stimmen für Nachhaltigkeit in Deutschland. Sie war Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, ist Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg und Mitbegründerin von Scientists for Future. Göpel berät Politik und Wirtschaft, schreibt Bücher wie „Rethinking Our World“ und beschäftigt sich mit der Frage, wie sich ökologische Bedürfnisse mit sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft verbinden lassen.
Ihr zentrales Argument: Nicht Klimaschutz, sondern Unterlassen sei ökonomisch teurer. Extremwetter, Hitzeschäden, steigende Bau- und Energiekosten – all das kommt in der Debatte oft nur am Rande vor. „Wir reden ständig über die Kosten der Transformation, aber selten über die Kosten des Nichthandelns“, kritisiert Göpel. Wer ehrlich nachrechnet, kommt zum klaren Fazit: „Es wird sechsmal so teuer, wenn wir nachträglich nachbessern müssen, was wir heute verpasst haben.“
Gleichzeitig warnt sie vor einer Illusion: Transformation bedeutet nicht, dass jedes Unternehmen seine Renditeziele unverändert beibehalten kann. „Wir brauchen kreative Zerstörung“, sagt Göpel. Geschäftsmodelle müssten sich anpassen; Längst berechnen Versicherer Klimarisiken, die nicht mehr rückversichert werden können. Daraus ergibt sich für sie ein neues Verantwortungsverständnis: Unternehmen sollten sich nicht hinter den Langsamsten verstecken, sondern sich aktiv für faire Regeln einsetzen. Sie nennt es „Corporate Political Responsibility“ – ein Alternativmodell zur Abwärtsspirale, in der jeder darauf wartet, dass der andere beginnt.
Beispiele aus Europa zeigen für Göpel, wie das in der Praxis aussehen kann. Norwegen zum Beispiel hat die E-Mobilität nicht nur mit Subventionen vorangebracht, sondern mit einer Mischung aus Anreizen und klaren Richtlinien: Vorzugsspuren für Elektroautos, Verbrennungsmotoren aus den Städten. Paris hingegen überzeugte nicht mit dem Slogan „autofrei“, sondern mit dem Versprechen der 15-Minuten-Stadt: kürzere Wege, kühlere Stadtteile, mehr Aufenthaltsqualität. „Das sind Zusatznutzen, die wir noch viel stärker kommunizieren müssen“, sagt Göpel. Grüne Straßen, Schwammstädte, ruhigere Viertel – all das steigert die Lebensqualität in einer sich verändernden Welt.
Und Politik? Sie müssen sich von der Vorstellung verabschieden, Klimaschutz sei ein Wahlkampfrisiko, das besser klein gehalten werden sollte. Der Einwand, dass eine ambitionierte Klimapolitik automatisch die AfD stärke, greift fehl, sagt Göpel. Populistische Akteure würden das Thema ohnehin besetzen. „Wir können nicht zulassen, dass sie die Agenda bestimmen.“ Stattdessen brauchen wir Ruhe, Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit: klare Zwischenziele, sichtbare Fortschritte, nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Rechnungen.
Der Satz über die AfD-Wähler soll also nicht provozieren, sondern verdeutlichen: Anreize schlagen Lagerdenken. „AfD-Wähler haben auch eine Solaranlage auf dem Dach oder eine Wärmepumpe – wenn es finanziell sinnvoll ist“, sagt Göpel. Für sie ist das kein nachträglicher Einfall, sondern ein Schlüssel: Die Klimapolitik gewinnt, wenn sie sich lohnt.