
Tausende Familien warten an den Frontlinien in der Ukraine auf die Rückkehr der Soldaten – auf beiden Seiten. Aber Gefangenenaustausche kommen selten vor. Nun schieben sich die Parteien gegenseitig die Schuld dafür zu.
Die Ukraine hat Behauptungen des russischen Außenministeriums zurückgewiesen, sie wolle die Hunderte zum Austausch vorgeschlagenen Kriegsgefangenen nicht zurückhaben. „Wir sind jederzeit zu einem Kriegsgefangenenaustausch bereit! Wir halten uns an die Genfer Konventionen und das humanitäre Völkerrecht!“ sagte der zuständige ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinez auf Telegram. „Diese Prozesse werden in der Regel von der Russischen Föderation gebremst. Und sie nutzt dies als Methode, um Einfluss auf die ukrainische Gesellschaft zu nehmen!“
Zuvor hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Samstagnachmittag in einer eilig einberufenen Videoschalte mit Korrespondenten aus mehreren Ländern erklärt, Russland habe kürzlich 935 ukrainische Kriegsgefangene zum Austausch vorgeschlagen. Allerdings wollte Kiew nur 279 Gefangene von der Liste zurück, darunter nach russischen Angaben vor allem ultranationalistische Kämpfer. Zakharova behauptete, dass die verbleibenden über 650 Männer von Kiew als nicht „würdig“ erachtet oder sogar als Verräter abgestempelt worden seien.
Gespräche über Gefangene sind der einzige Kontakt zwischen Moskau und Kiew
Sacharowa warf dem ukrainischen Außenminister Andriy Sybiha „politischen Tourismus“ vor, weil er die Kriegsgefangenenfrage immer wieder zum Anlass genommen habe, ins Ausland zu reisen, um Stimmung gegen Moskau zu schüren. Sie betonte, dass Russland unter Vermittlung anderer Staaten stets Gefangenenaustausche durchgeführt habe und bereit sei, dies auch weiterhin zu tun.
Es ist im Wesentlichen das letzte Format, in dem Moskau und Kiew noch Kontakt haben. In Kiew forderte Kommissar Lubinets Moskau auf, die Listen der Gefangenen bereitzustellen.
Im seit mehr als zweieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine warten Tausende Familien auf die Rückkehr ihrer Angehörigen aus der Gefangenschaft. Beide Kriegsparteien hatten bereits in mehreren Aktionen Gefangene ausgetauscht – insgesamt bislang Tausende. Es ist unklar, wie viele Gefangene beide Seiten derzeit haben.
dpa/coh