Die Meldungen über massive Arbeitsplatzverluste durch KI werden immer dramatischer. Amazon hat gerade berichtet, dass es den Abbau von 14.000 Stellen in der Verwaltung plant. CEO Andy Jassy sagte bereits im Juni, dass ein verstärkter Einsatz von KI zu einem Stellenabbau führen würde, insbesondere durch die Automatisierung sich wiederholender und routinemäßiger Aufgaben.
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„Amazon scheint durch KI genügend Produktivitätssteigerungen erzielt zu haben, um den Personalbestand erheblich zu reduzieren“, sagte Sky Canaves, Analyst bei eMarketer, über die Ankündigung von Amazon. Marc Benioff, CEO von Salesforce, hatte zuvor angekündigt, dass man „das Kundenservice-Team von 9.000 auf 5.000 Mitarbeiter verkleinert“ habe. Die Positionen wurden durch KI-Agenten ersetzt, die bereits 1,5 Millionen Kundengespräche geführt haben.
Mehr Arbeitsplätze durch KI?
Den KI-Anbietern zufolge werden nicht nur Arbeitsplätze abgebaut, sondern es entstehen auch viele neue Arbeitsplätze, was per Saldo ein Plus ergeben würde. Verschiedene Studien bestätigen dies. Eine Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) kommt zu dem Schluss, dass KI und andere IT-Tools bis 2030 über neun Millionen Arbeitsplätze vernichten werden. Doch die gleichen Trends werden voraussichtlich auch 11 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, was einem Nettozuwachs von 2 Millionen Arbeitsplätzen entspricht.
Auch die Professorinnen Tania Babina und Anastassia Fedyk kommen in einer Studie der Washington Brookings Institution zu dem Schluss, dass „die Einführung von KI zu Unternehmenswachstum, mehr Beschäftigung und mehr Innovation führen wird, insbesondere in der Produktentwicklung und im Service“.
Davon würden vor allem MINT-Absolventen profitieren. „Der Anteil der Mitarbeiter mit einem MINT-Abschluss ist bei Unternehmen, die in KI investieren, deutlich gestiegen, während der Anteil anderer Absolventen (Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften, Medizin usw.) entsprechend gesunken ist“, heißt es in ihrem Bericht.
Noch dramatischer: die qualitative Veränderung
Die beiden Professoren befassen sich auch mit den qualitativen Aspekten des Arbeitsmarktwandels, also mit der Frage: Wie verändert KI Berufsanforderungen und Ausbildungswege? Hier werden oft eine ganze Reihe neuer Berufsbezeichnungen aufgeführt.
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Beispielsweise hat Salesforce zehn neue Jobs formuliert. Dies reicht vom KI-Ethiker über den KI-Cybersicherheitsspezialisten, den KI-Gesprächsdesigner, den KI-Integrationsexperten und KI-Strategen bis hin zum KI-Orchestrator. Dies spiegelt sich jedoch nicht so differenziert in den neuen Stellenangeboten wider. Dort sprechen wir allgemeiner vom KI-Ingenieur oder Prompt Engineer.
Größte Veränderungen in IT-Jobs
Das primäre Einsatzgebiet von KI liegt naturgemäß im Bereich der Informationstechnologien. „Der Informations- und Kommunikationssektor dominiert die Nachfrage nach KI-Arbeitsplätzen in Deutschland und übertrifft alle anderen Branchen bei weitem“, heißt es in einer Studie von PWC. Dazu schreiben die Headhunter von Agency-Partners in einem aktuellen Blog: „Der Arbeitsmarkt für KI-Ingenieure in Deutschland entwickelt sich sehr dynamisch. Insgesamt wurden in nur einer Woche 132 neue Stellen ausgeschrieben.“
Das „AI Workforce Consortium“, zu dem unter anderem Accenture, Google, IBM, Indeed, Intel, Microsoft und SAP gehören, hat gerade eine entsprechende Analyse veröffentlicht. 78 Prozent der IT-Jobs erfordern bereits KI-Kenntnisse und 70 Prozent der am schnellsten wachsenden IKT-Jobs sind KI-bezogen.
Insbesondere Jobs mit Bezug zu KI-Governance (plus 150 Prozent) und KI-Ethik (plus 125 Prozent) dominieren die Nachfrage. Aber auch in den Bereichen generative KI, LLMs, Prompt Engineering und KI-Sicherheit besteht ein akuter Fachkräftemangel. Die regionalen Spitzenreiter in Deutschland sind die Metropolregionen Berlin und München. Zu den hier besonders aktiven Unternehmen zählen Microsoft, adesso und Stackit.
Durchdringt KI alle Berufsbilder?
Laut WEF planen zwei Drittel der Firmenchefs, bis 2030 Mitarbeiter mit spezifischen KI-Kenntnissen einzustellen. Yasmin Weiß, Professorin an der Technischen Universität Nürnberg, sieht darin eine völlige Neuordnung des Arbeitsmarktes. „Die Transformation der Arbeitswelt durch KI ist eine Veränderung, die es in dieser Breite, Geschwindigkeit und Zwangsläufigkeit noch nie gegeben hat; sie stellt Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten völlig neu auf“, sagt sie zu dieser Entwicklung.
Christian Korff, VP Services, Strategy & Planning, Software and Strategic Sales bei Cisco und Vorsitzender der Bundeskommission Künstliche Intelligenz im CDU-Wirtschaftsrat, erwartet eine umfassende KI-Durchdringung in allen Berufen. Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Handwerke durch KI keine Veränderungen erfahren werden, glaubt er, dass „kein Heizungsbauer, kein Dachdecker, kein Zimmermann in Zukunft seinen Beruf ohne den Einsatz von KI-Technologie ausüben kann.“
Auch eine Umfrage des Projekts „Künstliche Intelligenz und Digitaloffensive für das Handwerk (KIDiHa) in Nordrhein-Westfalen“ kam zu dem Ergebnis, dass der KI-Einsatz im Handwerk zwar noch gering ist, das Interesse jedoch groß ist, KI für Aspekte wie Angebotserstellung, Terminplanung und Dokumentation einzusetzen. Das KIDiHa ist ein Projekt der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), des Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo und des Kreishandwerksverbandes Paderborn-Lippe, das vom Land NRW gefördert wird.
Yasmin Weiß geht mit ihrem Ausblick noch einen Schritt weiter: „Mosaikkarrieren werden zur neuen Norm. Karrieren werden nicht mehr linear verlaufen, sondern künftig aus ganz unterschiedlichen Bausteinen und Berufsidentitäten bestehen.“ Dies erfordert ihrer Meinung nach auch neue Kompetenzen im Ausbildungssystem. „Es wird für uns zu einer Schlüsselfähigkeit werden, uns schneller anzupassen, als wir es jemals zuvor getan haben. Lernen zu lernen, anpassungsfähig zu sein und die richtige Einstellung zu haben“, ist ihre Prognose.
(axk)
