Mehrere Tote in Griechenland, Bulgarien und der Türkei: Sturm „Daniel“ wütet mit heftigsten Regenfällen. Der Schaden ist noch nicht absehbar. Dörfer und Städte stehen unter Wasser.
Menschen sterben in den Überschwemmungen, Felder verwandeln sich in Seen, Ströme in reißende Flüsse. Straßen stehen hüfthoch im Wasser, Häuser und Geschäfte werden überschwemmt. In den Städten Mittelgriechenlands türmen sich Berge aus Schlamm, Dreck und Müll. Die Rettungskräfte kommen kaum durch, Menschen dürfen nicht auf die Straße.
Der griechische Sturm, der auch in Teilen Bulgariens und der Westtürkei für Chaos sorgt, übertrifft alle Prognosen. Und noch gibt es keine Entwarnung, denn bis Donnerstag soll es zumindest soweit sein Griechenland mach weiter so.
Wie viele Todesopfer gab es bislang?
In Griechenland haben Feuerwehrleute am Mittwoch im Dorf Paltsi östlich der Hafenstadt Volos die Leiche einer Frau geborgen. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Opfer auf zwei. Auch in der türkischen Metropole Istanbul starben bei sintflutartigen Regenfällen zwei Menschen. Insgesamt liegt die Zahl der Opfer im Türkei also derzeit um sieben. Weitere 31 Menschen seien verletzt worden, hieß es. An der bulgarischen Schwarzmeerküste fand die Polizei am Mittwoch ebenfalls eine Leiche im Raum Zarewo, nachdem am Dienstag bereits zwei Todesopfer gemeldet worden waren. Die Zahl der Opfer stieg am Mittwochnachmittag in allen drei Ländern auf zwölf.
Inwieweit ist die Bevölkerung betroffen?
In den überschwemmten Gebieten herrscht Chaos. Immer wieder mussten am Mittwoch vom Wasser eingeschlossene Menschen gerettet werden. Auch der Verkehr war insbesondere in der Region Thessalien lahmgelegt Zentralgriechenland. Vielerorts verbot der dortige Zivilschutz den Bürgern die Mitnahme ihrer Autos und warnte davor, überhaupt auf die Straße zu gehen. Einerseits wurden viele Straßen und Bäche überschwemmt, andererseits blockieren private Autos dann die wichtigsten Verkehrsverbindungen für die Rettungskräfte. Zudem gerieten Menschen in Gefahr, weil immer wieder Autos von den Wassermassen mitgerissen wurden.
Wie sieht es mit der Infrastruktur aus?
In Thessalien unter anderem in der Hafenstadt Volos im wahrsten Sinne des Wortes herrschte. „Wir können die Strom- und Wasserversorgung nicht wiederherstellen“, sagte Bürgermeister Achilleas Mpeos am Mittwochmorgen. „Die Transformatoren stehen unter Wasser, es ist gefährlich, überhaupt zu versuchen, dorthin zu gelangen.“ Allerdings gebe es ohne Strom kein Wasser und auch die Kläranlagen würden nicht funktionieren, sagte der Bürgermeister.
Betreffen die Probleme auch Touristen?
Absolut. Die „Superstar“-Fähre mit 400 Passagieren, darunter viele Touristen, liegt seit Dienstagabend wenige Seemeilen vor der Hafenstadt Volos im Meer, ohne dort anlegen zu können, wie auf der Seefahrtsplattform Marinetraffic zu sehen ist. Am Mittwochnachmittag fuhr sie dann zum weiter südlich gelegenen Hafen von Agios Konstantinos. Die Hafenpolizei von Volos hatte zuvor das Anlegen verboten, weil die Verkehrssituation in der Stadt so schwierig war. „Es ist unmöglich, die Straßen zu räumen“, sagte Bürgermeister Mpeos, „es hat einfach für ein paar Minuten aufgehört zu regnen und wir sind mit schwerem Gerät hineingegangen, dann hat es sofort wieder angefangen.“
Was ist mit Flügen?
Der Flughafen der Insel Skiathos war am Mittwoch weiterhin stark betroffen. Laut Sprecher Savvas Karagiannis mussten mehrere Hundert Menschen dort übernachten. „Ein Flugzeug versucht zu landen – wir müssen sehen, wie es weitergeht“, sagte er der dpa am Mittwochmorgen. Wann der Flughafen den Vollbetrieb wieder aufnehmen wird, weiß er nicht. „Es sind unglaubliche Mengen Wasser gefallen, die Zufahrtsstraßen sind gesperrt.“
Was sagen die Meteorologen?
Die Regenwassermenge, die bisher über der Region Thessalien gefallen ist, ist die größte, die jemals im Land seit Erhebung dieser Daten gefallen ist, teilte die Wetteragentur EMY am Mittwoch mit. Rekordhalter war nun das Dorf Zagora, wo am Dienstag von Mitternacht bis 20.45 Uhr 754 Liter Regen pro Quadratmeter fielen.
Wo war der vorherige Rekord?
Nach Angaben des Nationalen Observatoriums in Athen wurde der bisherige Rekord von Makrinitsa gehalten, das ebenfalls in der Region liegt. Allerdings betrug die Niederschlagsmenge am 10. Dezember 2009 damals nur etwas mehr als die Hälfte des neuen Rekords, nämlich 417 Liter pro Quadratmeter. „Was in (der Region) Magnisia passiert, ist ein äußerst extremes Phänomen, sowohl hinsichtlich der Menge und Intensität der Niederschläge als auch ihrer Dauer“, sagte Chefmeteorologe Kostas Lagouvardos in einem Interview.
Was könnte der Grund für die extremen Wetterbedingungen sein?
Lagouvardos vermutet, dass die derzeit relativ hohen Meerestemperaturen dazu beigetragen haben könnten. „Es ist ein statisches System, das ständig mit feuchter Seeluft versorgt wird, sodass es immer an der gleichen Stelle regnet“, sagte er. Der Klimawandel als Ursache wird in den griechischen Medien derweil noch nicht thematisiert – die Meteorologen sind jedoch zunächst besorgt über die aktuelle Lage. Eine Evaluierung der Unwetter und ihrer Ursachen wird aber sicherlich noch stattfinden.
Höher als das Ahrtalhochwasser 2021
Beim Ahrtalhochwasser im Juli 2021 betrug die Niederschlagsmenge zwischen 100 und 200 Liter pro Quadratmeter, mindestens 134 Menschen starben. Die höchste Niederschlagsmenge wurde dagegen in Griechenland mit 754 Litern pro Quadratmeter gemessen.
Aber: Aus der Regenmenge allein kann man laut dem Meteorologen Markus Bösel vom Deutschen Wetterdienst (DWD) nicht auf die Stärke der Auswirkungen schließen. Die Topographie spielt eine entscheidende Rolle – im Ahrtal floss das gesamte Wasser in ein enges Tal und konnte diesem nicht entgehen. Vielerorts in Griechenland fließt das überschüssige Wasser jedoch irgendwann ins Meer.
Wie ist die Aussicht?
Für Zentralgriechenland konnten die Meteorologen bisher keine Entwarnung geben, im Gegenteil. Auch in der Nacht zum Donnerstag wird mit starken Regenfällen und Unwettern gerechnet. Das gilt auch für die Türkei: Auch dort warnen die Behörden vor weiteren Stürmen in der Schwarzmeerregion. Lediglich in Bulgarien scheint sich die Lage zu entspannen – dort dürfte es vorerst nicht regnen.