Die Energiewende in Deutschland schreitet weiter voran. Bis 2045 soll die Bundesrepublik klimaneutral werden – das ist zumindest das erklärte Ziel der Politik. Tatsächlich deckten erneuerbare Energien nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in den ersten drei Quartalen 2025 fast 57 Prozent des Stromverbrauchs. Doch die Energiewende bringt auch Herausforderungen mit sich: Die Strompreise sind immer stärker vom Wetter abhängig – und das ist derzeit wieder deutlich spürbar.
In Deutschland sind die Strompreise aufgrund der Kältewelle und der Sorge vor einer geringeren Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auf den höchsten Stand seit Februar gestiegen. Das berichtet die US-Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Daten der Energiebörse EEX. Der deutsche Monatspreis stieg um bis zu 3,6 Prozent auf 99,79 Euro pro Megawattstunde. Auch die europäischen Gaspreise stiegen, da Prognosen für kälteres Wetter auf einen steigenden Heizbedarf in den kommenden Wochen hinweisen. Ab Mitte Oktober werden die Temperaturen in Deutschland voraussichtlich etwa zwei Grad unter dem langjährigen Mittel liegen.
Höhere Strompreise: Experten warnen vor Wetterabhängigkeit
„Die deutschen Strompreise stiegen hauptsächlich aufgrund der Angst vor kälterem Wetter und einer geringeren Erzeugung erneuerbarer Energien als üblich“, sagte Yiannis Papamicrouleas, Leiter des Energiemarkt-Futures-Handels bei Depa Commercial SA. Bereits im vergangenen Winter hatten schwache Windverhältnisse die Strompreise in Europa in die Höhe getrieben. Laut BloombergNEF sanken die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in Ländern wie Deutschland und Großbritannien bis 2024 im Vergleich zu 2010 bis 2015 um bis zu einen Meter pro Sekunde – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Stromproduktion.
Die zunehmende Wetterabhängigkeit der Stromerzeugung bringt das Energiesystem zunehmend an seine Grenzen. Bereits im Sommer musste Deutschland aufgrund des langsamen Netzausbaus und fehlender Speicherkapazitäten Wind- und Solaranlagen in Rekordmengen reduzieren. Nach Angaben des Finanzmarktdatenanbieters LSEG wurde die Solarstromproduktion im ersten Halbjahr um rund acht Prozent reduziert – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Auch die Windkraft musste vorübergehend abgeschaltet werden, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden. Experten sehen darin ein wachsendes Risiko von Preisspitzen, wenn gleichzeitig eine schwache Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen auf eine steigende Nachfrage trifft.
Fehlen gleichzeitig Wind und Sonne, müssen teurere fossile Kraftwerke einspringen – oder es wird Strom aus dem Ausland importiert. Im Februar dieses Jahres führte eine außergewöhnlich windarme Phase zu einem historischen Preisanstieg an der Strombörse. Energieexperten warnen davor, dass solche Situationen in Zukunft häufiger auftreten könnten, wenn der Ausbau von Batteriespeichern und wetterunabhängigen Reservekapazitäten, etwa durch wasserstofffähige Gaskraftwerke, weiter ins Stocken gerät. Netzausbau und flexible Speicherlösungen gelten daher als entscheidend, um die Energiewende wetterfest zu gestalten.