Die Jusos haben die von Union und SPD im Koalitionsausschuss beschlossene Bürgergeldreform scharf kritisiert. „Diese Vereinbarung wiederholt Fehler der Vergangenheit“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer dem Tagesspiegel. Die Partei verabschiedete sich bewusst von Hartz IV. „Dass die SPD jetzt eine Rückschrittrolle einnimmt, ist äußerst schmerzhaft und falsch“, sagte Türmer.
Mit der Einführung des Bürgergeldes im Jahr 2023 wurde unter anderem der sogenannte Platzierungsvorrang abgeschafft. Türmer hält diesen Schritt für sinnvoll, um Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen. Bisher hatten die Jobcenter die Aufgabe, Leistungsberechtigten schnellstmöglich wieder einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Am Donnerstag einigten sich die Koalitionsspitzen unter anderem darauf, dass der Vermittlungspriorität wieder größere Priorität eingeräumt wird. Dies zwingt Arbeitssuchende dazu, möglicherweise schlechter bezahlte Jobs anzunehmen, bevor andere Maßnahmen wie Aus- oder Weiterbildung greifen.
Mit der angekündigten massiven Ausweitung der Leistungskürzungen steuert die Koalition offenbar auf eine Ohrfeige vor dem Verfassungsgericht zu.
Philip Turmer
Türmer hält es für einen Fehler, dass nun wieder der Vermittlungsvorrang zum Prinzip erklärt wird. „Damit erzeugen wir einen Drehtüreffekt, den niemand will“, sagte der SPD-Politiker. „Das schadet den Betroffenen enorm und nützt keinem Arbeitgeber.“
Zudem hält der Juso-Vorsitzende die Pläne von SPD und Union nicht für verfassungsgemäß. „Mit der angekündigten massiven Ausweitung der Leistungskürzungen steuert die Koalition eindeutig auf eine Ohrfeige vor dem Verfassungsgerichtshof zu“, sagte Türmer dem Tagesspiegel. Die Grundsicherung muss ein sozioökonomisches Existenzminimum gewährleisten. „Das ist dadurch eindeutig gefährdet.“
Arbeitsministerin Bärbel Bas hingegen ist der Meinung, dass die Sanktionen nur bis zur Grenze des rechtlich Möglichen verschärft werden. „Wir sind der festen Überzeugung, dass das verfassungsrechtlich sauber ist“, sagte der SPD-Politiker. Allerdings könnte die Entscheidung auch beanstandet werden.
„Gerade in einer Wirtschaftskrise brauchen wir ein humanes System der Grundsicherung, das nicht auf Schikanen basiert“, sagte Türmer. Er forderte die Parlamentarier seiner Partei auf, sich den Plänen zu widersetzen. „Ich erwarte von den sozialdemokratischen Abgeordneten, dass sie diese schwerwiegenden Fehler vermeiden.“ Dazu muss die Vereinbarung jedoch zunächst in ein Gesetz umgesetzt werden. Der Referentenentwurf des Arbeitsministeriums soll nun angepasst werden.