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Junge Leute lesen wieder Zeitungen im Gratis-Abo

Junge Menschen verbringen ihre Zeit in der Regel lieber auf ihren Handys oder Tablets, als auf altmodische Weise zu lesen.Bild: imago images / Westend61

International

Printprodukte sterben in der Medienbranche aus. In Norwegen gibt es jetzt ein Alternativmodell: kostenlose Abonnements für junge Leute und KI in der Nachrichtenredaktion – und plötzlich kommen junge Leser zurück.

1. November 2025, 16:23 Uhr1. November 2025, 16:23 Uhr

Stundenlang durch Tiktok- oder Instagram-Feeds scrollen, aus Langeweile Fotos auf Snapchat verschicken, Schlagzeilen überfliegen. All dies kommt vor allem bei der Generation Z und jüngeren Menschen häufiger vor als das Lesen langer Artikel oder sogar gedruckter Zeitungen.

Medienunternehmen auf der ganzen Welt kämpfen darum, den Kontakt zu der Generation nicht zu verlieren, die eines Tages für Demokratie und öffentliche Debatte verantwortlich sein wird. Gleichzeitig warnen Faktenchecker und Forscher immer wieder vor Desinformation, die in den sozialen Medien insbesondere junge Zielgruppen trifft – etwa pro-russische oder andere spaltende Narrative auf Tiktok.

Während Verlage in Deutschland über rückläufige Abonnements und weniger Anzeigen klagen, zeichnet sich in Norwegen ein Gegenbeispiel ab. Dort setzen die Verleger auf radikale Maßnahmen: freien Zugang für Jugendliche – und künstliche Intelligenz in der Redaktion. Die Auswirkungen sind bereits bemerkenswert.

In der Öffentlichkeit sieht man deutlich, welche Generation die meisten Zeitungen liest.Bild: dpa / Gregor Fischer

Norwegen hat es geschafft: Die Generation Z liest wieder Zeitung

Das Kernproblem der Branche: In Norwegen sind mehr als 75 Prozent der zahlenden Zeitungsleser über 70 Jahre alt. Beim größten Zeitungsunternehmen Amedi sind nur rund zwölf Prozent unter 40 Jahre alt. Die Gruppe besitzt 120 Zeitungen, vom Nordkap bis zur Südküste.

Seit dem Sommer gibt es für alle unter 21 Jahren bundesweit ein kostenloses Digital-Abo. Die Alterskontrolle erfolgt über den digitalen Personalausweis, sodass niemand das Abo betrügerisch ergattern kann. 400.000 Menschen fallen in die Zielgruppe.

Die Botschaft der Gruppe ist ungewöhnlich klar: „Jugendliche informieren sich zunehmend über zynische Plattformen, auf denen häufig Fehlinformationen, Verschwörungstheorien und Propaganda vorherrschen“sagte Projektleiterin Marte Ingul laut „Tagesspiegel“ bei der Präsentation im Juni.

Dies stehe in „krassem Gegensatz zu unseren redaktionsgesteuerten Zeitungen, deren Aufgabe es ist, über die wichtigsten Dinge zu berichten, die dort passieren, wo Menschen leben und wo die Demokratie beginnt.“

Am Ende geht es natürlich auch ums Geschäft: Amedia schreibt immer noch schwarze Zahlen – vier Milliarden Kronen (344 Millionen Euro) beim Umsatz und 128 Millionen Kronen beim Gewinn. Doch der Trend zeigt nach unten. Das kostenlose Abonnement ist nicht nur ein PR-Stunt, sondern eine Überlebensstrategie.

Überraschung: Junge Männer klicken plötzlich auf Nachrichten

Sechs Monate später zieht das Unternehmen Bilanz – und klingt euphorisch. „Wir sind absolut begeistert von den Ergebnissen“, sagt Helene Wille Lund, Projektleiterin für Jugendkommunikation, gegenüber dem „Tagesspiegel“. Rund 66.000 registrierte Nutzer im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, täglich kommen etwa 300 dazu.

„Das zeigt deutlich, dass junge Menschen faktengeprüften und ausgewogenen Journalismus mögen.“ Besonders hervorzuheben: Mehr als die Hälfte der jungen Neuleser sind männlich. In Norwegen zeigte eine aktuelle Studie, dass jeder vierte Junge wenig Vertrauen in die Medien hat. „Ihr starkes Engagement für unsere redaktionellen Inhalte ist daher ein besonders wichtiges und positives Signal für uns“, sagt Lund.

Und was lesen junge Norweger? Ähnlich wie bei ihren Eltern: Kriminalität & Gerechtigkeit, Wirtschaft und Sport dominieren. Krise verbindet offenbar Generationen.

KI im Lokaljournalismus: schneller, tiefer, effizienter

Neben dem freien Zugang testet Norwegen einen zweiten Hebel: KI in Redaktionen. Während KI-Debatten hierzulande oft mit Sorge geführt werden, sehen die Menschen im Norden mehr Chancen. Ein Beispiel: „iTromsø“, eine kleine Lokalzeitung weit oberhalb des Polarkreises. Seit zweieinhalb Jahren nutzt sie selbst entwickelte KI-Tools für den Datenjournalismus.

Jeden Monat scannt die Software über 12.000 Dokumente aus Behörden und Archiven, sortiert sie und extrahiert relevante Informationen. „Wofür ich früher anderthalb Stunden brauchte, brauche ich jetzt nur noch zehn Minuten, und wir entdecken Geschichten, die wir sonst verpasst hätten.“sagte KI-Chef Lars Adrian Giske im Jahr 2023. Das Ergebnis: fast 15 Prozent mehr digitale Abonnements seit 2022 – und mehrere Journalistenpreise.

Amedia nutzt KI auch intern: nicht zum Schreiben, sondern zur Recherche und Datenanalyse. Das Ziel: journalistische Qualität trotz schrumpfendem Markt sicherzustellen. 16 Prozent der norwegischen Jugendlichen haben sich bereits für das digitale Angebot von Amedia registriert.

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