Europamagazin
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist in einigen EU-Ländern nach wie vor ein drängendes Problem. Das deutsche duale Ausbildungssystem könnte eine Lösung bieten – denn auch anderswo herrscht ein großer Mangel an Fachkräften.
Mittagszeit auf Teneriffa. In der Küche des Hotels „Tigaiga Suites“ herrscht geschäftiges Treiben. Rund 20 junge Männer und Frauen lernen, wie man echte deutsche Sandwiches macht – schließlich sollen sie den Gästen aus dem Norden schmecken.
Die Azubis falten gekochten Schinken, schneiden Frikadellen und vierteln Gewürzgurken. „So etwas würde man in Spanien doch nie essen, oder?“, sagt Ausbilder Harald Krebs und lacht.
Krebs ist Deutscher und viel gereist. Er hat in Luxemburg, Belgien und Süddeutschland gekocht, und jetzt, da er im Ruhestand ist, widmet er sich der Ausbildung auf Teneriffa. Mit den Schülern spricht er Deutsch, das ist Teil des Konzepts – sie sollen die Sprache der Gäste lernen. Außerdem ist die Ausbildung nach dem deutschen dualen System organisiert: die Hälfte Theorie, die andere Hälfte Praxis.
Duale Ausbildung: anderswo noch Neuland
Für Spanien sei ein solches Modell noch Neuland, erklärt Malte Schmuck vom deutsch-spanischen Kompetenzzentrum FEDA. Der Verband betreibt ein Netz von Ausbildungsstätten in ganz Europa, das duale Modell wird exportiert.
Laut Schmuck setzen viele EU-Länder schon lange auf eine rein akademische Ausbildung, an deren Ende maximal drei Monate Praxis stehen. Das habe allerdings dazu geführt, dass viele junge Menschen ausgebildet würden, ohne den wirtschaftlichen Bedarf zu decken.
Die Folge ist eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, weil die vielen Akademiker kaum noch einen Job im privaten Sektor finden. Das ist in Griechenland, Italien und auch Schweden der Fall. Aber in Spanien ist sie immer noch die höchste in Europa. Unter den 15- bis 24-Jährigen findet fast jeder Dritte keinen Job.
Besonders gilt das für die Kanarischen Inseln: Noch vor wenigen Jahren lag die offizielle Zahl bei 60 Prozent, inoffiziellen Quellen zufolge sind es sogar bis zu 90 Prozent. Und das, obwohl die Hotellerie dort zwar viele Arbeitsplätze bietet. Sie stellt aber auch hohe Anforderungen an sie.
Training gegen die Fachkräftemangel
Ohne Fremdsprachen, sagt Paul, sei alles sinnlos. Doch vielen jungen Kanariern fällt das schwer. Paul selbst spricht Deutsch und Englisch, der junge Mann hat gerade sein Ausbildungsjahr bei FEDA auf Teneriffa begonnen. Er will seine Chancen in der Hotellerie verbessern. Seine Azubi-Kollegin Julia kommt ihm dabei zu Hilfe: Wer keine gute Ausbildung hat, wird schlecht behandelt und bekommt nur Gelegenheitsjobs.
Die neuen Ausbildungsmodelle sollen hier Perspektiven schaffen. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial. Denn wo viele junge Menschen arbeitslos sind, entsteht Frust und zunehmend auch Unruhe.
Es ist ein brisantes Problem, das Spanien entschärfen will. Und das mit Erfolg: Seit rund zwölf Jahren setzt das Land auf praxisnähere Ausbildungsmodelle und eine bessere Vernetzung mit anderen EU-Ländern. Seitdem hat sich die Jugendarbeitslosigkeit bereits halbiert – und die Zahlen sinken weiter.
Dafür investiert das Land in Ausbildungszentren, auf Teneriffa springt die Inselregierung zusätzlich ein und finanziert Deutschkurse. Auch für den Aufbau der dualen Ausbildung kommt Geld aus Deutschland.
Dabei geht es nicht nur um pure Nächstenliebe unter den europäischen Nachbarn. Die Bundesrepublik setzt auch auf junge Europäer, die den Fachkräftemangel hierzulande bekämpfen können. In Deutschland herrscht auch unter jungen Menschen nahezu Vollbeschäftigung, die Arbeitslosenquote liegt bei nur 5,9 Prozent und ist damit die niedrigste in der EU. In vielen Bereichen mangelt es mittlerweile an Arbeitskräften – die europäische Binnenmigration könnte hier ein Lichtblick sein.
Junge Europäer werden mobiler
Es sei ein ständiger Austausch, sagt Janice Schmidt-Altmayer von der Europavertretung der Bundesagentur für Arbeit. Gerade junge, gut ausgebildete Europäer seien sehr mobil und das könne sowohl die Herkunfts- als auch die Zielländer entlasten.
Jugendarbeitslosigkeit und gleichzeitig Fachkräftemangel bekämpfen – das steht mittlerweile auch im Fokus von EU-Förderprogrammen wie der Jugendgarantie. Sie soll junge Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützen. Nicht überall sei die Verknüpfung von Schule und Arbeitswelt ausreichend gut, sieht Schmidt-Altmayer, verglichen mit anderen europäischen Ländern.
Dass die Initiativen wirken, zeigt allerdings die Entwicklung: Die Zahl arbeitsloser Jugendlicher sinkt europaweit seit Jahren kontinuierlich. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten suchen viele Branchen händeringend nach Fachkräften, etwa in der Krankenpflege, Kinderbetreuung oder Gastronomie.
Eine deutsch-spanische Hotelfachausbildung wie auf Teneriffa könnte eine Eintrittskarte in den deutschen Arbeitsmarkt werden. Wollen die jungen Azubis später dorthin? Julia zum Beispiel könnte es sich vorstellen, sofern sie in einem Hotel arbeiten könnte. Und Paul will sich noch nicht festlegen. Spanien, Deutschland oder vielleicht ein Kreuzfahrtschiff – er rechnet mit vielen Angeboten.
Diese und weitere Berichte sehen Sie am Sonntag, 22. September 2024, um 12:45 Uhr im Europamagazin.