München – Auf den ersten Blick ist der „Film der Woche“ im ZDF dieses Mal eine über 100 Jahre alte Geschichte aus einem Dorf irgendwo in Bayern. Doch der Schein trügt, wie so vieles bei „Storm is Coming“. Der Zweiteiler erzählt, wie sich die Moral in der Gesellschaft langsam verändert, wie die Sprache rauer und rassistischer wird und wie sich der Nationalsozialismus im Land ausbreitet. Hauptdarsteller Josef Hader, Österreichs bekanntester Kabarettist, sieht Parallelen zur Gegenwart.
Kommt auch hier ein Sturm, Herr Hader?
Joseph Hader: „Ich komme selbst aus einem Dorf und merke, dass es dort mittlerweile Spannungen gibt, die es vorher nicht gab. Das war lange Zeit undenkbar. Vielleicht ist das, was wir jetzt erleben, tatsächlich vergleichbar mit den 1920er-Jahren. Man kann nur hoffen, dass es diesmal nicht so weitergeht wie damals.“
Josef Hader schrieb 1982 sein erstes Kabarettprogramm und stand 1988 erstmals vor der Kamera
Hast du Angst davor?
Joseph Hader: „‚Angst‘ ist vielleicht das falsche Wort. Ich denke, man kann immer Angst haben. Als ich jung war, hatte ich keine – obwohl es damals schwierig war, mit Atomwaffen und dem Kalten Krieg. Das Interessante ist, dass man mit zunehmendem Alter umso mehr Angst hat, auch wenn die Zukunft geringer ist.“
Sie gelten als der bekannteste Kabarettist Österreichs. Spüren Sie eine gewisse Kraft, weil die Leute Ihnen zuhören?
Joseph Hader: „Nein. Ich trete nur gelegentlich auf, mit einer neuen Sendung oder einem Film. Dann fragen mich die Leute nach der Weltlage und ich sage meine Meinung. Aber ich habe keinen Einfluss. Kabarettisten sind die Marionetten – sie können viel sagen, aber niemand hört ihnen wirklich zu.“
Filmszene: Schuster Kraus versucht, ein Graffiti an seiner Scheunenwand zu entfernen
Ist es in Deutschland anders als in Österreich?
Joseph Hader: „Früher vielleicht. Nach dem Krieg hatten die Kabarettisten großes Gewicht, weil es keine kritische Presse gab. Mit dem Aufkommen des investigativen Journalismus änderte sich das. Heute wird das Kabarett nicht mehr als Korrektiv gebraucht, und deshalb ist sein Einfluss geringer geworden.“
Eine Szene im Film zeigt, wie der Respekt vor dem Bürgermeister schwindet. Heutzutage werden Politiker beleidigt, bedroht, sogar angegriffen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Joseph Hader: „Das ist eine der großen Parallelen zur Zwischenkriegszeit. Damals wie heute wurde das politische System von rechts radikal in Frage gestellt – angeheizt von Unsicherheit, sozialer Spaltung und wirtschaftlicher Angst. Der Respekt vor den Institutionen schwindet, und das ist äußerst gefährlich.“
Wie kann diese Entwicklung gestoppt werden?
Joseph Hader: „Schwer zu sagen. Die Parallele zu damals ist beunruhigend. Damals verloren die Entscheidungsträger zunächst die Moral – in der Politik, in der Wirtschaft. Viele Großindustrielle dachten, sie müssten Hitler unterstützen, um ihre Geschäfte zu sichern. Das Gleiche passiert heute: In den USA buhlen Mächtige um Persönlichkeiten wie Trump, um ihr Geschäftsmodell nicht zu gefährden. Der Unterschied ist: Heute gibt es das Internet. Man könnte meinen, das hilft.“
Abschließend: Was sollten Zuschauer von „Storm Coming“ mitnehmen?
Joseph Hader: „Ich halte nichts von Lehrfilmen. Aber Filme wie dieser können eine frühere Zeit wieder zum Leben erwecken – sinnlich, greifbar. Sie zeigen, wohin es führt, wenn die Gesellschaft spaltet und die Moral verloren geht. Das Problem ist: Die Generation, die das erlebt hat, ist nicht mehr da.
