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Josef Grünwidl soll Erzbischof von Wien werden

Wien, 15. Oktober 2025 (KAP) Zu den Medienberichten, dass Josef Grünwidl neuer Erzbischof von Wien werden soll, gibt es seitens der Erzdiözese Wien weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Auf Kathpress-Anfrage wies der Sprecher des Erzbistums am Mittwochabend darauf hin, dass eine Entscheidung von Papst Leo XIV. erst nach einer offiziellen Bekanntgabe durch den Vatikan öffentlich gemacht oder kommentiert werden dürfe. Die Austria Presse Agentur (APA) hatte zuvor unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass der ausstehende Umlaufbeschluss am Donnerstag im Ministerrat verabschiedet werde. Nach Informationen der „Presse“ wird Grünwidl zum neuen Erzbischof ernannt. Laut „Today“ wurde die Entscheidung des Papstes dem Außenministerium vom Apostolischen Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, persönlich überbracht.

Grünwidl leitet seit 22. Jänner kommissarisch die Erzdiözese Wien. Am selben Tag nahm Papst Franziskus (2013-2025) das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Kardinal Christoph Schönborn an, genau an seinem 80. Geburtstag. Gleichzeitig wurde Grünwidl vom Papst zum Apostolischen Administrator, also Interimsadministrator, ernannt.

Die Regierung ist auch an der Ernennung eines Diözesanbischofs in Österreich beteiligt. Laut Konkordat (Artikel IV, Absatz 2) gilt hierzulande die sogenannte „Politikklausel“: Auf dieser Grundlage hat sich der Heilige Stuhl verpflichtet, der Bundesregierung vor der Ernennung eines Erzbischofs oder Bischofs den Namen des Kandidaten mitzuteilen. Gegen die Ernennung könne die Bundesregierung „Gründe allgemein politischer Natur“ geltend machen. Wird ein solcher Einspruch erhoben, sind beide Seiten zu einer Einigung verpflichtet. Scheitert dies, steht es dem Papst immer noch frei, seine Wahl durchzusetzen. Sofern seitens der Regierung kein Einspruch erhoben wird, wird die Ernennung anschließend vom Vatikan veröffentlicht.

Leidenschaftlicher Pfarrer

Im Januar ernannte der Papst mit Josef Grünwidl einen Apostolischen Administrator für Wien, der vor einem Jahr über die Diözesangrenzen hinaus kaum bekannt war. Sich in den Vordergrund zu drängen war nie die Art des 62-Jährigen. Doch durch seine stille Arbeit in der Seelsorge hat er sich über Jahrzehnte bewährt und nicht nur das Erzbistum, sondern offenbar auch Kardinal Christoph Schönborn überzeugt. Er hatte ihn einst zum Sekretär und später zum Bischofsvikar ernannt – und ihn dann vermutlich als Apostolischen Administrator im Vatikan empfohlen. Diese Übergangsaufgabe erfüllte der gebürtige Weinviertler in den vergangenen Monaten mit Bravour, was ihn in den Augen der Kirchenleitung für höhere Aufgaben qualifizierte.

Grünwidl wurde am 31. Januar 1963 in Hollabrunn geboren und wuchs im nahegelegenen Wullersdorf, unweit des Benediktinerklosters Maria Roggendorf, auf. Nach der Matura am Erzbischöflichen Gymnasium in Hollabrunn trat er 1981 in das Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. Gleichzeitig belegte er das Hauptfach Orgelkonzert an der Hochschule für Musik. Während eines Studienjahres in Würzburg fiel die Entscheidung: „Musik bleibt mein Hobby, Priester werden mein Beruf.“ 1987 wurde er von Weihbischof Helmut Krätzl zum Diakon geweiht, 1988 folgte Kardinal Franz König.

Sein pastoraler Weg führte ihn zunächst als Kaplan nach Wien-St. Johann Nepomuk (ab 1988), dann als Pfarrer an der Dompfarrei Wiener Neustadt (1991) und als Diözesanjugendpfarrer (1993) in der Landesarbeit. Von 1995 bis 1998 war er Sekretär des neu ernannten Erzbischofs Christoph Schönborn. Danach war Grünwidl viele Jahre Pfarrer in mehreren Gemeinden im südlichen Niederösterreich, darunter Kirchberg am Wechsel, Feistritz, St. Corona und Trattenbach. 2007 wurde er Dekan und ab 2014 Pfarrer von Perchtoldsdorf. 2016 wurde er zum geschäftsführenden Vorsitzenden des Wiener Priesterrates gewählt, 2023 zum Bischöflichen Vikar für das Südvikariat ernannt und 2024 zum Ehrenkanoniker des Stephansdoms ernannt.

Gesprächsbereiter Interimschef

Nach dem Rücktritt von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien wurde Grünwidl am 22. Jänner 2025 zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese Wien ernannt. Seine Aufgabe ist seitdem die kommissarische Leitung der Erzdiözese, einschließlich Verwaltung, Seelsorge und Personalkoordination, jedoch ohne langfristige Entscheidungen, um den künftigen Erzbischof nicht vorzuverurteilen. In dieser Phase zeichnete sich Grünwidl als pastoral fundierter Leiter, geschätzter Prediger und verständnisvoller Gesprächspartner aus. Innerhalb der Diözese wurde sein zuhörender Führungsstil weithin geschätzt.

Mit seiner Ernennung zum Interimsleiter rückte Grünwidl auch in den Kreis möglicher Nachfolger Schönborns auf dem Bischofsstuhl. Auf Nachfrage der Medien zu kirchlichen Brennthemen zeigte sich das ehemalige Mitglied der Pfarrerinitiative aufgeschlossen für Reformen. Er betonte, dass für ihn persönlich das Zölibat eine bewusst gewählte Lebensform sei, aber „keine Frage des Glaubens“ – und daher keine zwingende Voraussetzung für Priester sein dürfe. In der Frage der Frauen in der Kirche sehe er „dringenden Klärungsbedarf“: Der Frauendiakonat müsse weiter diskutiert werden, auch die Aufnahme von Frauen in das Kardinalskollegium sei für ihn denkbar. Als Administrator erweiterte er das Führungsteam der Diözese um drei Frauen.

Mystik statt kulturelles Christentum

Trotz aller strukturellen Probleme sieht Grünwidl die Zukunft der Kirche nicht primär darin, sondern in der geistlichen Erneuerung. Die Seelsorge brauche weniger Beamte und mehr „Mystiker“, lautet sein Credo. Wer in der Kirche aktiv ist, muss zunächst sein eigenes geistliches Leben pflegen. Menschen mit „abweichendem Lebensstil“ oder Glaubenszweifeln sollten „ein liebendes Herz“ finden und statt eines oberflächlichen „kulturellen Christentums“ eine persönliche Beziehung zu Christus sowie regelmäßiges Gebet, Bibellesen und die Eucharistie benötigen. In einer Zeit, in der die Zugehörigkeit zur Kirche zunehmend zu einer bewussten Entscheidung werde, plädierte er für eine stärkere Begleitung und glaubwürdige Verkündigung: Das Evangelium sei „die beste Botschaft, die von Frieden, Versöhnung, Gemeinschaft und Hoffnung handelt.“

Grünwidl ist sich der schrumpfenden personellen und finanziellen Ressourcen der Kirche bewusst, da er bereits als Pfarrer und Administrator damit zu kämpfen hatte. Insbesondere im Umgang mit Kirchengebäuden plädiert er für sorgfältige, gemeinschaftsorientierte Entscheidungen, die von der Erhaltung über die Umwidmung bis hin zum möglichen Verkauf reichen können. Die beste Lösung sei „eine lebendige Gemeinschaft, damit die Kirchen im Dorf bleiben“ und weiterhin grundlegende spirituelle Dienste anbieten können. Der bisherige kommissarische Diözesanleiter sprach sich für ein pastorales Baukonzept und eine verstärkte Zusammenarbeit benachbarter Pfarreien aus.

In der Frage der Synodalität forderte Grünwidl bisher eine „gesunde Dezentralisierung“, da nicht jede einzelne Frage zentral in Rom entschieden werden müsse. Neue Beratungs- und Entscheidungsformate könnten dabei helfen, „die mangelnde Hörfähigkeit der Kirche gegenüber dem Evangelium und den Lebenswirklichkeiten“ zu überwinden. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form er sich künftig in politische Debatten einmischen wird. Der künftige Erzbischof lehnte eine Kirche ab, „die ständig mit dem Finger auf die aktuelle Politik zeigt“; Wenn es jedoch um Menschenwürde, Gerechtigkeit und den Schutz der Benachteiligten geht, sind klare Worte unbedingt erforderlich.

Bergliebhaber und Organist

Den Ausgleich zum kirchlichen Alltag findet Grünwidl in der Natur – beim Wandern oder beim Musizieren. Musik sei für ihn immer „Nahrung“ und „ein Weg zu Gott“ gewesen, sei es am Klavier oder an der Orgel, berichtete er in einem Interview. Freunde beschreiben ihn als sensiblen und humorvollen Menschen und sagen, er sei ein Fan von Loriot. Zu seinen spirituellen Vorbildern zählen die Regel Benedikts („Bete, arbeite und lese“) und die heilige Teresa von Avila, deren Gottvertrauen und „zweite Bekehrung“ ihn besonders beeindruckten.

In den letzten Monaten hatte Grünwidl im Hinblick auf die Nachfolge Schönborns mehrfach erklärt, dass er sich „in dieser Aufgabe nicht sehe“ und lieber in seine Kirchengemeinde zurückkehren wolle. Wenn der Papst ihn trotzdem dazu auffordern würde, werde er „sehen, wie ich darauf reagiere“. Ob und wie er seine Entscheidung getroffen hat, wird spätestens klar sein, wenn der Vatikan die Personalentscheidung für Wien veröffentlicht.

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