Pünktlich um sechs Uhr morgens klopfte es an der Tür in der Fuggerstraße: Seit dem frühen Donnerstagmorgen prüfen Mitarbeiter des Berliner Jobcenters in Begleitung von Polizeibeamten vorübergehende Unterkünfte in Berlin-Schöneberg.
Das Hotel mitten im Schöneberger Regenbogenviertel dient seit Jahren als Unterkunft für Roma aus Südosteuropa. „Die Anwohner verbringen viel Zeit auf dem Gehweg in der Fuggerstraße, die Zimmer im Hotel sind klein“, berichtete ein Anwohner im Sommer 2025 dem Tagesspiegel. Es gibt fast täglich Lärmbelästigung, überall liegt Müll, Passanten werden beleidigt.
Von Juli 2024 bis Juni 2025 verzeichnete die Polizei insgesamt 102 Einsätze an der Adresse. Nicht alle Einsätze müssen unbedingt den Bewohnern des Hotels zugeschrieben werden, ein großer Teil aber durchaus.
Zur Kontrolle dient der aktuelle Einsatz der Jobcenter: Die Bewohner hätten sich schon lange nicht mehr beim Jobcenter gemeldet, beziehen aber weiterhin Sozialleistungen, so die Behörden. Daher wird überprüft, ob sie tatsächlich in der Unterkunft gewohnt haben. Es gibt Hinweise auf organisierten Sozialleistungsbetrug und Schwarzarbeit.
Da in der überwiegend von Roma-Familien bewohnten Unterkunft auch Kinder wohnen werden, sind zusätzliche Mitarbeiter des Familienbüros Berlin-Brandenburg vor Ort. Die Polizei sichert den Einsatz mit rund 20 Einsatzkräften.
Ziel sei es vor allem, den Kontakt zu den Bewohnern wiederherzustellen, sagte ein Sprecher des Jobcenters. Er wollte nicht über eine Razzia sprechen.
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„Wir sind hierher gekommen, um die Bewohner, die von uns Leistungen beziehen, zu überprüfen und sie bei Bedarf vor Ort zu beraten“, sagte Elena Zavlaris, Leiterin des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg.
Doch die Ergebnisse sind ernüchternd: 70 Personen aus 19 Gemeinden sollten kontrolliert werden. Es wurden nur zwei Personen gefunden, die tatsächlich Leistungen vom Jobcenter bezogen. Das sei deutlich weniger als erwartet gewesen, erklärte Zavlaris.
Ihre Mitarbeiter prüfen nun den Aufenthaltsort der verbliebenen Bewohner und geben ihre Erkenntnisse ggf. an die Kriminalbehörden weiter. „In Fällen, in denen wir die Bewohner nicht gefunden haben, werden wir jeden einzelnen Fall untersuchen“, sagte Zavlaris. Bei Bedarf könnten auch Zahlungen an Bewohner eingestellt werden. „Wenn sich herausstellt, dass die Leute nicht hier sind, aber bei uns registriert sind, ist das Sozialbetrug“, sagte Zavalaris.
Während des Einsatzes arbeiten sich die Mitarbeiter des Jobcenters systematisch durch die fünf Etagen des Hotels. Es klopft immer wieder vergebens, die meisten Zimmer scheinen unbewohnt zu sein. Lediglich hinter der dritten Tür im ersten Stock sind Geräusche zu hören. Eine Frau öffnet es und sagt, sie sei mit ihrer Familie im Urlaub in Berlin. Sie bezahlen das Zimmer täglich an der Rezeption. „Das ist sehr seltsam“, kommentiert ein Mitarbeiter des Jobcenters. Offiziell werden die Hotelzimmer nicht an Touristen vermietet.
Auch der nächste Bewohner wirft Fragen auf. Sie schaut durch den Türspalt, sieht die Mitarbeiter des Jobcenters und schlägt die Tür erneut zu. Sie sei krank, ruft sie. Sie will nicht reden. Erst nach einigen Diskussionen hinter verschlossener Tür und einer energischen Ansprache der Polizei gibt sie nach. Nun kontrollieren die Mitarbeiter die Ausweise von ihr und ihren beiden Kindern.
Ähnliches Bild im dritten Stock des Hotels. Offenbar lebt dort niemand außer einem Mann und einer Frau. Die beiden geben an, Bürgergeld zu erhalten und schon lange im Hotel zu wohnen. Sie zeigen sich kooperativ, vereinbaren ein Beratungsgespräch vor Ort und tauchen wenig später in der Lobby des Hotels auf. Ansonsten bleiben alle Türen verschlossen.