„Droht Deutschland der Jahrhundertwinter?“ oder „Jahrhundertwinter 2025/26?“ sind Schlagzeilen, die derzeit im Internet kursieren. Doch sind solche Prognosen bereits möglich?
Fast zu jeder Jahreszeit gibt es Meldungen, die für Deutschland anhaltende extreme Wetterbedingungen vorhersagen. Im April wurde der „Höllensommer 2025“ vorhergesagt. Nun ist es der „Jahrhundertwinter“, der Deutschland 2025/26 droht. Aber lässt sich das Wetter überhaupt so weit im Voraus vorhersagen? Woher kommen die Spekulationen über den „Jahrhundertwinter 2025/26“ und welche Ziele verfolgen die Macher von Reportagen mit solchen langfristigen Wettervorhersagen?
Schockierende Wetternachrichten für möglichst viele Klicks
Alles, was auffällt oder sogar schockiert, wird angeklickt. Dies gilt auch für Wettervorhersagen. Private Wetterdienste und Journalisten haben das längst verstanden und nutzen deshalb Wettermodelle, aus denen sich Meldungen mit schockierenden Begriffen wie „Höllensommer“ oder „Jahrhundertwinter“ ableiten lassen. Denn Klicks bringen Geld.
Mit diesem sogenannten Clickbaiting könne „manche Sorgfaltspflichten etwas außer Acht gelassen werden“, sagt Lothar Bock vom Regionalen Klimabüro München des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Interview mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD). BR. „Natürlich würden wir als Behörde so etwas nicht tun“, fügt er hinzu.
Schwacher Polarwirbel löst Spekulationen aus
Auslöser der Spekulationen über den „Jahrhundertwinter 2025/26“ dürfte vor allem ein Internetartikel gewesen sein, der einen schwächeren Polarwirbel über dem Nordpol mit arktischer Kälte in Deutschland in Verbindung brachte. Offenbar gebe es Prognosen, dass dieser Polarwirbel im nächsten Winter relativ schwach ausfallen werde, bestätigt Wetterexperte Bock.
Zusammenhang mit Wetter in Deutschland unklar
Ein schwacher Polarwirbel kann – im Gegensatz zu einem starken Polarwirbel – die kalte Luft der Polarregionen dort nicht halten. Wenn die eisigen Luftmassen ausbrechen, können sie auch unsere Breiten erreichen und das Wetter in Europa beeinflussen. Das kann passieren, muss aber nicht.
Ob es in Deutschland einen Zusammenhang zwischen schwachen Polarwirbeln und Kälte gibt, müsse noch nachgewiesen werden, sagt Martin Gudd vom Wetterkompetenzzentrum ARD. So etwas habe es in den letzten Jahren nicht gegeben, „denn ein schwacher Polarwirbel bedeutet nichts anderes, als dass die Arktis nicht mehr so kalt ist wie früher“, erklärt der Meteorologe.
Prognose für den Winter 2025/26 derzeit nicht möglich
Laut Wetterexperten hängt die Vorhersagbarkeit des Wetters von verschiedenen Faktoren ab, nicht nur vom Polarwirbel. Auch die Meerestemperatur, Meeresströmungen und die allgemeine Wetterlage spielen eine Rolle.
Meteorologe Karsten Schwanke sagt, ob wir 2025/26 einen Jahrhundertwinter haben werden: „Wir wissen es nicht.“ Auch für Lothar Bock vom DWD in München ist es „reine Spekulation“, Mitte Oktober einen extrem kalten oder gar Jahrhundertwinter vorherzusagen. „Was die seriösen Prognosen für den Winter angeht, können wir vielleicht, nur vielleicht, kurz nach dem Jahreswechsel einen Blick auf das Strömungsverhalten werfen. Wie war es bisher? Wie könnte es sein?“ sagt Marin Gudd von ARD-Wetter-Kompetenzzentrum. Daraus ließen sich grobe Vorhersagen treffen, wie „der Rest des Winters verlaufen wird“.
Wettervorhersage zuverlässig für maximal zehn Tage
So sehr sich viele Menschen möglichst früh eine verlässliche langfristige Wettervorhersage wünschen, so begrenzt sind die Möglichkeiten dafür. Laut Meteorologe Lothar Bock seien die nächsten drei Tage „relativ gut vorhersehbar“. Bei „festen Wetterbedingungen“, etwa einem langanhaltenden Hochdruckgebiet, „kann es teilweise bis zu zehn Tage dauern.“
Seiner Meinung nach sind die Erwartungen an Wetterberichte „viel zu hoch“, auch weil die Vorhersagen in Wetter-Apps oft sicherer erscheinen, als sie tatsächlich sind: „Wir denken, wir können das Wetter jetzt für zehn und 20 und 50 Tage vorhersagen, aber das ist nicht der Fall.“ Die „Vorhersagequalität“ der Wettervorhersagen habe sich im Vergleich zu früher, also vor 40 oder 50 Jahren, verbessert, „aber wir tun uns wettertechnisch noch immer relativ schwer mit diesem längerfristigen Zeitraum“, sagt der Wetterexperte.
Wahrscheinlichkeit für Jahrhundertwinter kleine Menge
Statistisch gesehen ist ein Jahrhundertwinter ein Winter, der nur einmal in 100 Jahren vorkommt. Ein Winter wie 1962/63 zum Beispiel. In Deutschland gilt dieser Winter als der härteste Winter des 20. Jahrhunderts. Es hatte schwerwiegende Folgen für die Strom- und Wärmeversorgung, verursachte erhebliche Schäden an der Infrastruktur und forderte viele Todesopfer. Viele Flüsse und sogar der Bodensee waren zu dieser Zeit zugefroren.
Ob wir 2025/26 einen solchen Winter erleben werden, lässt sich derzeit nicht zuverlässig vorhersagen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür laut Experten eher gering.