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Italien stoppt Auslieferung eines Nord-Stream-Verdächtigen

Die Bundesanwaltschaft wirft einem Ukrainer vor, hinter den Anschlägen auf die Gaspipelines in der Ostsee zu stecken. Er soll in Deutschland angeklagt werden – doch Italiens oberstes Gericht stoppt die Auslieferung des Verdächtigen.

Italien hat die geplante Auslieferung des mutmaßlichen Drahtziehers der Anschläge auf die Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee im Jahr 2022 an Deutschland gestoppt. Das höchste italienische Gericht in Rom hob überraschend eine Entscheidung der Vorinstanz auf. Der Fall geht nun an ein anderes Gericht zurück, das eine neue Entscheidung treffen muss. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 49-jährigen Ukrainer Mitverursacher einer Sprengstoffexplosion und verfassungswidriger Sabotage vor.

Nach Angaben des Anwalts des Ukrainers, Nicola Canestrini, begründete das Kassationsgericht in Rom seine Entscheidung damit, dass nach der Festnahme des 49-Jährigen im August seine Rechte im Gerichtsverfahren verletzt worden seien. Daher muss ein anders besetztes Gericht neu über das Auslieferungsersuchen entscheiden.

„Vor dem Hintergrund der Entscheidung werde ich in den kommenden Tagen prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, um die Freilassung meines Mandanten zu beantragen“, sagte Canestrini in seiner Stellungnahme, die WELT vorliegt. „Diese Entscheidung bestätigt, dass Grundrechte und Verfahrensgarantien in den europäischen Beziehungen zur justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen niemals der Staatsräson geopfert werden dürfen“, so Canestrini weiter.

Auch die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete darüber. Die schriftliche Begründung der Entscheidung wird voraussichtlich erst in wenigen Tagen vorliegen.

K. wurde im Sommerurlaub festgenommen

Der Ukrainer Serhij K. wurde im Sommer an der italienischen Adriaküste festgenommen, wo er mit seiner Familie Urlaub machte. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass dies sein Untergang sein könnte. Derzeit sitzt er in einem Hochsicherheitsgefängnis in Norditalien. Sein Anwalt sagte, er werde möglicherweise einen Antrag auf Freilassung stellen.

Der Angriff auf das frühere deutsch-russische Prestigeprojekt Nord Stream sorgte vor drei Jahren weltweit für Aufsehen. Sechs Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beschädigten mehrere Explosionen die beiden Pipelines so stark, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. Die Explosionen wurden in der Nähe der Insel Bornholm registriert. Wenig später wurden in drei der vier Rohre vier Lecks entdeckt.

Bisher floss russisches Erdgas über Nord Stream 1 nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des Krieges noch nicht betriebsbereit. Nach Angaben deutscher Ermittler führte K. ein Team aus sieben Tatverdächtigen an, darunter vier Taucher. Für die Anschläge sollen sie in Deutschland eine Segelyacht namens „Andromeda“ gemietet haben, mit der sie dann hinaus auf die Ostsee segelten. Ein weiterer Tatverdächtiger, ebenfalls ein Ukrainer, sitzt in Polen in Untersuchungshaft.

Die Berufung bei der Corte Suprema di Cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof) war praktisch K.s letzte Chance, einer Auslieferung nach Deutschland zu entgehen. Es ist auch ungewiss, ob Polen den anderen festgenommenen Ukrainer ausliefern wird. Darüber soll voraussichtlich am Freitag ein Gericht entscheiden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft soll der 46-jährige Wolodymyr Z. einer der Taucher gewesen sein.

dpa/jho/gub/banjo

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