Kiel. Hat Holstein Kiel Geld nach Russland transferiert, das auch Wladimir Putin helfen könnte? Der Bundesliga-Neuling überraschte im vergangenen Sommer mit den Transfers von Magnus Knudsen und Armin Gigovic vom russischen Erstligisten FK Rostow nach Kiel. Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind Geschäfte mit russischen Vereinen aufgrund der international verhängten Sanktionen heikel geworden. Geliehen oder gekauft? Und wenn ja: Wie viel Geld floss von Kiel nach Russland und damit in die Kasse des Kremls?
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Knudsen verpflichtet – Gigovics Vertrag suspendiert
Während die Verantwortlichen bei Holstein Kiel lange schwiegen, ergaben Recherchen der Kieler Nachrichten ein differenziertes Bild: Gigovic ließ seinen Vertrag in Rostow für die laufende Saison ruhen, um an der Förde zu spielen. Holstein Kiel hingegen zahlte für den fest verpflichteten Magnus Knudsen eine Ablösesumme nach Russland. Ein in Deutschland bislang beispielloser Vorgang.
Und auch in Europa ist das keine gängige Praxis. Der niederländische Spitzenklub Ajax Amsterdam etwa verzichtet aus moralischen Gründen auf Verträge mit russischen Vereinen. „Ajax muss ein Vorbild für die Gesellschaft sein. Wir erfüllen eine wichtige, umfassendere Rolle, als nur eine Fußballmannschaft aufs Feld zu stellen“, sagte Aufsichtsratschef Pier Eringa in einem Interview.
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Holstein Kiel „musste sich um feste Verpflichtung bemühen“
Und Holstein? „Wir konnten ihn schon länger beobachten und haben festgestellt, dass er sehr gut in unser gesuchtes Profil passt und wollten daher eine mögliche Verpflichtung prüfen“, sagte KSV-Geschäftsführer Carsten Wehlmann am Donnerstag auf Fragen zum Fall Knudsen, der in der vergangenen Saison von Rostow an den dänischen Zweitligisten Aarhus GF ausgeliehen war und schon länger auf der Wunschliste der Bundesliga-Neuzugänge stand.
Wehlmann weiter: „In diesem Fall war es allerdings auch der besondere Wunsch des Spielers, nach mehreren Leihen in den vergangenen Jahren wieder eine feste sportliche Heimat zu haben. Um den Spieler zu bekommen, mussten wir eine dauerhafte Verpflichtung anstreben und sind daher in entsprechende Verhandlungen mit dem Verein und dem Spieler eingetreten.“
Holstein Kiel zahlte Ablöse unter Marktwert
Deshalb setzte Kiel alle Hebel in Bewegung, um Knudsens Wunsch zu erfüllen. Holstein fragte sowohl bei der FIFA als auch bei der deutschen Regierung nach, ob mögliche Transferzahlungen an russische Vereine die Sanktionen untergraben würden. Dies ist nicht der Fall. Deshalb überwies der Bundesliga-Neuling nach KN-Informationen einen Betrag weit unter dem Marktwert des Spielers, um Knudsen aus Russland herauszuholen. Dem Portal Transfermarkt.de zufolge liegt Knudsens Marktwert bei zwei Millionen Euro.
Unklarer Verbleib der Knudsen-Transferzahlungen
Dem Verein war klar, dass ein Teil oder sogar die gesamte Ablösesumme aufgrund der Beteiligung des russischen Staates am Verein FK Rostow über die Region Rostow in die russische Staatskasse fließen könnte und damit indirekt in die Finanzierung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine fließen könnte.
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
„Wir haben uns im Vorfeld mit den besonderen Umständen des Wechsels aus der russischen Liga auseinandergesetzt. Dabei haben wir darauf geachtet, dass wir keine Regularien und Sanktionen seitens der FIFA oder der EU verletzen“, betont KSV-Sportdirektor Wehlmann.
Die Fifa hat spezielle Regeln für Transfers eingeführt
Anders liegt der Fall bei Armin Gigovic. Nach Kriegsbeginn reagierte die FIFA mit einer Sonderregelung für Transfers. Dass ausländische Spieler und Trainer in Russland und der Ukraine ihre Verträge einseitig bis zum Ende der nächsten Saison ruhen lassen können, wurde erst im März 2022 beschlossen. Damit solle „den vom Krieg in der Ukraine betroffenen Spielern, Vereinen und Trainern geholfen werden“, teilte der Fußball-Weltverband mit.
Gigovics Vertrag suspendiert – Holstein zahlte keine Ablöse
In diesem Sommer machte Holstein Kiel von der bis 2025 verlängerten Sonderregelung des Fußball-Weltverbandes Gebrauch, um Gigovic zu verpflichten. Der 22-Jährige, dessen Vertrag in Rostow noch bis zum 30. Juni 2025 läuft, ließ seinen Vertrag in diesem Sommer einseitig ruhen. Im kommenden Sommer wird Gigovic ablösefrei zu haben sein, abzüglich einer eventuellen Ausbildungsentschädigung für Spieler unter 23 Jahren. Nach KN-Informationen wurde bereits ein Anschlussvertrag mit Holstein Kiel unterzeichnet. Medienberichte, wonach die Störche in diesem Sommer eine Ablöse von 1,8 Millionen Euro für den Mittelfeldspieler bezahlt hätten, sind allerdings falsch.
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Lesen Sie mehr nach dem Werbung
Russische Klubs könnten Entschädigung fordern
Ob die FIFA aufgrund der Sonderregelung den russischen Klubs Schadenersatz leisten muss, ist allerdings noch unklar. Die vom Weltverband ermöglichte einseitige Aussetzung der Verträge verursacht den russischen Klubs erheblichen finanziellen Schaden. Wer dafür aufkommt? Das ist unklar.
Der Gigovic-Transfer könnte einer der ersten Fälle in Deutschland sein, in dem ein russischer Klub Klage gegen die FIFA einreicht und Schadensersatz fordert. In diesem Fall könnte sich auch Holstein Kiel im kommenden Sommer erneut mit dem Fall befassen müssen – auch wenn Gigovic bereits einen festen Vertrag an der Förde hat.
Zunächst richtet sich die Klage des russischen Klubs an die FIFA. Ob Holstein im Falle einer möglichen Klage auch strafrechtlich belangt werden kann, ist angesichts der aktuellen Rechtslage unklar.
CN