Der Chef der libanesischen Hisbollah, Hassan NasrallahIsrael droht mit Rache für die koordinierten Radioexplosionen der vergangenen Tage. Israel habe mit den Anschlägen der vergangenen Tage „alle roten Linien überschritten“, sagte Nasrallah in einer Fernsehansprache. „Dieser verbrecherische Akt kommt einer Kriegserklärung gleich“, fügte Nasrallah hinzu. Während der Milizenchef sprach, war laut Medienberichten zu hören, wie israelische Militärflugzeuge die Schallmauer über Beirut durchbrachen.
Nasrallah äußerte sich in seiner Rede nicht zur Art der geplanten Vergeltung. „Sie werden es erfahren, wenn es passiert. Diese Abrechnung wird stattfinden. Wir werden die Details jetzt nicht preisgeben, weil wir uns jetzt in einer sehr sensiblen Phase des Kampfes befinden“, sagte er.
Die Explosionen der Funkgeräte haben Hisbollah Die Hisbollah habe einen schweren Schlag erlitten, räumte Nasrallah ein. Dies sei „beispiellos in der Geschichte unseres Widerstands und vielleicht in der Geschichte der Auseinandersetzungen mit dem Feind“, sagte er. Die Kommandostrukturen der Hisbollah seien durch die Explosionen allerdings nicht beschädigt worden. Auch die Infrastruktur der Organisation sei intakt.
Hisbollah-Chef spricht von „Massaker“
Nasrallah warf Israel ein „Massaker“ und einen „Völkermord“ vor: „Innerhalb von zwei Tagen und innerhalb einer Minute pro Tag wollte Israel mehr als 5.000 Menschen töten.“ Auch gegen die USA erhob der Hisbollah-Chef Vorwürfe: „Israel hat einen klaren technologischen Vorteil, denn es ist nicht nur Israel, sondern wird auch von den USA unterstützt.“
Der Hisbollah-Chef verknüpfte eine Deeskalation des Konflikts mit Israel erneut mit einem Ende des Gaza-Krieges. „Der Widerstand im Libanon wird nicht aufhören, die Menschen in Gaza und im Westjordanland zu unterstützen“, sagte er. Die „libanesische Front“ werde bestehen bleiben, solange „die Aggression in Gaza“ nicht aufhöre, sagte er.
37 Tote durch Explosionen
Im Libanon Hunderte Walkie-Talkies explodierten am Mittwoch, nachdem am Tag zuvor bereits Hunderte von Funkgeräten, sogenannte Pager, von Hisbollah-Mitgliedern explodiert waren. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums kamen bei den Explosionen mindestens 37 Menschen ums Leben, über 2.900 weitere wurden verletzt, darunter viele Hisbollah-Kämpfer.
Die Hisbollah und das dahinterstehende iranische Regime beschuldigten umgehend Israel, hinter den Anschlägen zu stecken. Experten gehen zudem davon aus, dass es sich um eine koordinierte Aktion der israelischen Geheimdienste handelte. Israels Regierung und Militär äußerten sich bislang nicht zu der Angelegenheit.
Kurz vor den Explosionen hatte Israels Regierung die Hisbollah deutlich vor einem offenen Krieg gewarnt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte Anfang der Woche verkündet, das Sicherheitskabinett habe die Rückkehr der Bewohner aus dem Gebiet an der israelisch-libanesischen Grenze in ihre Häuser zum weiteren Kriegsziel erklärt. Verteidigungsminister Joaw Galant warnte etwa zeitgleich, die Zeit für eine diplomatische Lösung laufe ab. Eine Eliteeinheit der israelischen Armee wurde aus dem Gazastreifen an die Nordgrenze verlegt.
In seiner Rede machte Nasrallah klar, dass er die Rückkehr israelischer Grenzbewohner nicht zulassen wolle. „Sie haben uns herausgefordert und wir stehen erneut vor dieser Herausforderung. Ich sage Netanjahu und Galant: Ihr werdet dieses Ziel nicht erreichen. Es wird euch nicht gelingen, diese Menschen in den Norden zurückzubringen.“ Nasrallah bezeichnete die Menschen, die vor den Angriffen seiner Terrormiliz flohen, als „Siedler und Besatzer im besetzten Palästina“.
Er hoffe, Israel werde versuchen, in den Südlibanon einzumarschieren, fügte Nasrallah hinzu. Er sprach von einer „historischen Chance“ für die Hisbollah in diesem Fall. Die Miliz befinde sich in erhöhter Kampfbereitschaft.
Nach Beginn des Gaza-Kriegs im vergangenen Oktober verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe auf Nordisrael. Rund 60.000 Menschen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet mussten seitdem ihre Häuser verlassen.