Israel setzt seinen Krieg in Gaza und im Libanon fort. Der Tod des Hamas-Führers Sinwar gibt Hoffnung auf Bewegung in den Gesprächen.
Doha/Tel Aviv – Die Ermordung von Jihia al-Sinwar könnte ein Wendepunkt im Krieg zwischen Israel und der Hamas sein. Seit Israel den Tod des Hamas-Führers verkündet hat, wird über eine neue Bewegung in Gesprächen mit der Terrormiliz spekuliert. Ziel der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas wäre ein Waffenstillstand und eine Vereinbarung zur Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln. Gespräche zwischen dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, und Unterhändlern aus den USA und Katar könnten am Sonntag (27. Oktober) auf eine harte Probe gestellt werden. Auch die Hamas nimmt wieder an Gesprächen teil. Die iranische Führung scheint zunächst ihre Bereitschaft zur Deeskalation zu signalisieren.
Verhandlungen zwischen Israel und Hamas – Blinken sieht nach Sinwars Tötung eine Chance
Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al Kahira-Nachrichten berichtete, dass sich hochrangige Delegationen der Hamas und Ägyptens zu Gesprächen in Kairo getroffen hätten. Diskutiert wurde die aktuelle Situation in Gaza und wie aktuelle Hindernisse für einen Waffenstillstand in den abgeschotteten Küstengebieten überwunden werden könnten. Nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken werden sich die Unterhändler zwischen Israel und der Hamas – also den USA, Katar und Ägypten – in den kommenden Tagen erneut treffen.
USA sehen „Chance“ für Waffenstillstand in Gaza – Angehörige von Geiseln fordern Druck auf Katar
Sinwars Tod „schafft vielleicht eine Gelegenheit, tatsächlich voranzukommen und eine Einigung zu erzielen“, sagte Blinken. Seit Monaten gibt es bei den Gesprächen keine Fortschritte. Israel hoffte, dass sich dies nach Sinwars Ermordung ändern könnte. Die Hamas hält vorerst an ihren bisherigen Positionen fest, darunter der Forderung nach einem vollständigen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und einem Ende des Krieges. In Israel fürchten die Familien der 101 in den Händen der Hamas verbliebenen Geiseln um ihre Angehörigen.
Eine Gruppe von Angehörigen forderte am Mittwoch (23. Oktober), Blinken solle „mehr Druck“ auf den US-Partner Katar ausüben, der als enger Verbündeter der Hamas gilt, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Dies wurde vom Portal gemeldet Zeiten Israels. Es ist unklar, wie viele der Geiseln ein Jahr nach den Hamas-Massakern im Süden Israels am 7. Oktober 2023 noch am Leben sind. Blinken traf sich am Freitag in London mit Vertretern des Libanon und Jordaniens.
Berichte über zahlreiche Opfer bei Angriffen im nördlichen Gazastreifen und im Libanon – Verletzte im Norden Israels
Unterdessen sollen bei einem israelischen Angriff im Flüchtlingsviertel Jabaliya im Norden des Gazastreifens mindestens 38 Menschen getötet worden sein. Dies berichtete das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen, das keinen Unterschied zwischen Kombattanten und Zivilisten macht. Ein israelischer Militärsprecher behauptete, ohne Beweise vorzulegen, dass die Zahl der Todesopfer geringer sei.
Im Libanon wurden nach Angaben lokaler Behörden bei israelischen Angriffen mindestens 14 Menschen, darunter drei Minderjährige, getötet und Dutzende verletzt. Das israelische Militär meldete außerdem den Tod von fünf Soldaten bei Kämpfen mit der im Libanon ansässigen Hisbollah. Israelische Rettungsdienste meldeten außerdem fünf Menschen, die bei Raketenangriffen im Norden des Landes „schwer verletzt“ worden seien.
Israels Generalstabschef: Befehlskette der Hisbollah zerstört – Verhandlungen ins Stocken geraten
Mehr als drei Wochen nach Beginn der Bodenoffensive im Libanon haben die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben die schiitische Miliz Hisbollah bereits deutlich geschwächt. „Wir haben die Befehlskette der Hisbollah gründlich zerschlagen“, sagte Generalstabschef Herzi Halevi. Nun hieß es, es bestehe die Möglichkeit, dass die Kämpfe enden könnten. Mitte Oktober sendete die Hisbollah gemischte Signale zur Frage eines Waffenstillstands. Einerseits signalisierten Teile der Terrororganisation nach der Tötung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah Verhandlungsbereitschaft. Dagegen betonte Nasrallahs Stellvertreter Naim Kassim immer wieder, dass es einen Waffenstillstand nur dann geben werde, wenn dieser auch in Gaza gelte.
Nach Raketenangriff: Iran bereitet sich auf israelische Vergeltung vor
Ein angekündigter israelischer Vergeltungsschlag gegen Iran für den Raketenangriff auf Israel Anfang Oktober stand am Freitag (25. Oktober) noch aus. Mittlerweile berichtet das New York Times unter Berufung auf vier iranische Beamte, dass in Teheran bereits Reaktionsszenarien entwickelt würden. Wenn Israels Militär Öl- oder Atomanlagen angreift, könnten bis zu 1.000 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert werden, der Schiffsverkehr in der Straße von Hormus und Angriffe von Milizen wie der Hisbollah könnten sich verstärken. Beim letzten Raketenangriff auf Israel setzte der Iran 180 Raketen ein. Die Zerstörung Israels ist Teil der Staatsideologie des Mullah-Regimes.
Wenn die Angriffe auf militärische Ziele begrenzt werden, kann Iran möglicherweise auf eine Reaktion verzichten. Bereits Mitte Oktober berichtete die Washington Post, Netanyahu habe der US-Regierung versichert, dass Israel seinen Gegenangriff auf militärische Ziele beschränken werde. Dies könnte eine Chance für einen vorübergehenden Ausstieg aus der Eskalationsspirale zwischen Israel und Iran bieten. (kb mit dpa)