
Willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und Demütigungen – ein Bericht der israelischen Organisation B’Tselem dokumentiert Gewalt israelischer Soldaten gegen Palästinenser im Westjordanland. Das sei Alltag, sagen Zeugen.
Die Männer in Hebron, der größten palästinensischen Stadt im besetzten Westjordanland, berichten von schrecklichen Dingen: willkürliche Festnahmen, Schläge, Misshandlungen und Demütigungen.
Die israelische Nichtregierungsorganisation B’Tselem dokumentierte für einen Bericht 25 Zeugenaussagen. Es gibt die Aussagen, es gibt Videos und Fotos von Verletzungen. Der ARD-Studio Tel Aviv konnte mit einigen der Männer sprechen, bevor der Bericht veröffentlicht wurde.
Yasser Markhiyah berichtet von stundenlanger Gewalt und den Operationen, die er danach brauchte.
„Heute werden wir deine Würde durch den Dreck ziehen“
Da ist zum Beispiel Yasser Marchiyah, ein 53-jähriger schlanker Mann. Israelische Soldaten hätten ihn am 7. Juli dieses Jahres festgenommen, sagt er. Er weiß nicht, warum – er vermutet, weil er dem arabischsprachigen Fernsehsender Al-Jazeera wenige Tage zuvor ein Interview gegeben hatte.
Er wurde mit Handschellen und verbundenen Augen zu einem Militärstützpunkt gebracht. Dort sei er fast sechs Stunden lang misshandelt worden, sagt Markhiyah. Einer der israelischen Soldaten sprach fließend Arabisch und sagte: „Heute werden wir Ihre Würde durch den Dreck ziehen.“
Markhiya berichtet, dass die Brigade an diesem Tag gewechselt habe und dass die bestehenden und neuen Soldaten ihn besonders auf den Kopf geschlagen hätten. Einer der Soldaten rannte herum, schlug ihm in den Bauch und drückte ihn gegen die Wand. Auch die Soldaten leerten ihre Taschen auf ihn.
Er berichtet von einer Operation am Auge, die er sich anschließend unterziehen musste. Sein Knie musste ein zweites Mal operiert werden.
Gewalttat offenbar mit Handy gefilmt
Mehrere der Männer, mit denen das ARD-Studio Tel Aviv konnte sprechen, berichten, wie israelische Soldaten ihre Misshandlungen filmten. Muhammad Jaber etwa sagt, er habe im Hof seines Hauses gesessen, als Soldaten kamen und ihn und einen Freund mitnahmen.
Einer der Soldaten schlug ihn auf einem Militärposten. Nach fünf Minuten begann er, es mit seinem Handy zu filmen. Er wurde per Videoanruf mit anderen verbunden, die ihn ermutigten, weiter zu schlagen.
Muhammad Jaber berichtete, dass er gefilmt wurde, während israelische Soldaten ihn misshandelten.
Die festgenommenen Männer berichten von Demütigungen. Amir Aref Jaber ist 19 Jahre alt und kommt ebenfalls aus Hebron. Seinem Bericht zufolge beschuldigten ihn die Soldaten, Steine geworfen zu haben. Immer wenn er Nein sagte, schlugen sie ihn.
Ein Soldat trat ihn ebenfalls. Er wurde auch beleidigt; Ein Soldat sagte: „Du Bastard, bei der Vagina deiner Mutter, bei der Vagina deiner Schwester!“ Er selbst sollte die Beleidigungen wiederholen.
„Gewalt ist systematisch“
B’Tselem, die israelische Organisation, die die Fälle dokumentierte, sagt, dass es gegen keinen der Männer Strafanzeigen gegeben habe, dass sie nicht angeklagt worden seien und in der Regel kurz nach dem Angriff freigelassen worden seien.
Shai Parnes, der Sprecher der Organisation, sagt: „Wir sehen, dass diese Gewalt systematisch ist. Wir reden nicht nur über ein oder zwei Soldaten, wir reden über mehrere Standorte. Wir reden über Jeeps der Kommandanten, wie die Zeugen.“ Wir sprechen von Soldaten, die die Gewalt auf ihren Mobiltelefonen gestreamt oder gespeichert haben.
Auch wenn das System es nicht direkt fördert, gibt es eine gewisse Unterstützung und zumindest ein Teil der israelischen Bevölkerung erwartet dieses Verhalten, sagt Parnes. „Es ist klar, dass ein Kommandant weiß, was in seinem Bereich passiert.“
„Das können wir nur eine gewisse Zeit aushalten.“
Es dauerte Tage, bis die israelischen Streitkräfte auf die Anfrage reagierten ARD-Studios Tel Aviv. Sie weisen allgemein auf eine erhöhte Zahl von Terroranschlägen im Westjordanland nach dem 7. Oktober hin. Die Soldaten würden mit dem Ziel operieren, die Sicherheit Israels zu gewährleisten.
Beschwerden über Fehlverhalten von Soldaten würden eingehend untersucht, hieß es in der Erklärung. Tatsächlich gibt es Beschwerden – bislang jedoch keine Meldungen – darüber, dass Soldaten für das von B’Tselem dokumentierte Fehlverhalten bestraft wurden.
Yasser Abu Marchiyeh hat eine Erklärung für dieses Vorgehen der israelischen Soldaten: Ziel sei die Vertreibung der Palästinenser. Er sagt, dass in seinem Viertel in Hebron früher mehr als 300 Familien lebten. Mittlerweile sind es nur noch 135. Nach dem Massaker der Hamas an Israelis am 7. Oktober letzten Jahres sei die Vertreibung zur Normalität geworden: „Die Menschen können das nur für eine gewisse Zeit ertragen.“
Für die Männer, mit denen das ARD-Studio Tel Aviv hat gesprochen, solche Gewalterfahrungen gehören zum Alltag. Laut B’Tselem kommt es nicht nur in Hebron, sondern auch anderswo im besetzten Westjordanland zu Fällen von Misshandlungen durch israelische Soldaten.