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ChatGPT, selbstfahrende Autos und ein Go-spielender Supercomputer: Das Geschäft mit Künstlicher Intelligenz boomt und hat längst den Finanzmarkt erobert. Was sich hinter dem Hype verbirgt und worauf Anleger achten sollten – Portfoliomanager Noah Leidinger im Interview.
ntv.de: Alles reden über Künstliche Intelligenz. Das Thema wird auch für Anleger immer interessanter. Wie entsteht so ein Hype?
Noah Leidinger ist Podcast-Moderator von „Ohne Aktien Wird Schwer“ – einem der größten Aktienpodcasts Deutschlands.
Noah Leidinger: Es gibt verschiedene Arten von Hypes. Bei einigen steckt wenig dahinter, andere sind wirtschaftlich wirklich von Bedeutung. Zuletzt würde ich den KI-Hype aufzählen, da es viele Bereiche gibt, in denen das Thema gerade einschlägt und die dadurch auch in wirtschaftlicher Hinsicht immer relevanter werden. Entstanden ist dieser Hype vor allem durch den Chatbot ChatGPT, den OpenAI Ende vergangenen Jahres auf den Markt gebracht hat. Auf einmal haben alle gesehen, dass Künstliche Intelligenz jetzt schon den menschlichen Verstand in bestimmten Bereichen unglaublich gut nachahmen und beispielsweise Texte schreiben und zusammenfassen kann. Das ist für verschiedenste Branchen ein großer Vorteil, von der Nachhilfe bis hin zur Anwaltskanzlei. Im vergangenen Jahr lag der Jahresumsatz von OpenAI bei rund 30 Millionen Dollar. Mittlerweile sprechen wir von etwa 80 Millionen pro Monat. So einen schnellen Aufstieg hat man bisher nur bei wenigen Firmen gesehen. Dennoch ist klar: Wo ein Hype ist, wird immer auch übertrieben.
Die EU arbeitet bereits an Regulierungen, sogar Tech-Visionär Elon Musk hat zu Beginn des Jahres ein Moratorium gefordert. Könnte der Hype bald wieder in sich zusammenfallen?
Natürlich ist es möglich, dass Künstliche Intelligenz schon bald stärker reguliert wird. Dass der Trend an sich zusammenbrechen wird, glaube ich aber nicht. Die Europäische Union wird KI nicht vollständig verbieten. Damit würde sie sich wirtschaftlich ins Aus schießen und es bestünde keine Chance, mit China oder den USA mitzuhalten. Ein rein regulatorisches Risiko besteht damit grundsätzlich nicht.
Aber?
Es könnte durchaus sein, dass sich der Trend in den nächsten Jahren weniger schnell fortsetzt, wie viele momentan vermuten. Die Frage wird sein, ob die Entwicklung jetzt exponentiell weitergeht oder wir erstmal auf einem Plateau angekommen sind, wo wir einige Jahre stagnieren. Ausschlaggebend wäre an dieser Stelle auch, wie stark sich Künstliche Intelligenz in anderen Branchen weiterentwickelt, beispielsweise im Bereich autonomes Fahren. Wenn es bei dieser Entwicklung eine große Verbesserung gäbe, könnte das den Trend erneut antreiben.
Ist jetzt der richtige Moment, auf den KI-Boom zu spekulieren, oder sollte ich als Anleger erstmal die Füße stillhalten?
Wenn man an der Börse aktiv anlegen und eine Überrendite generieren möchte, sollte man sich zunächst fragen: Wo bin ich schlauer als der Gesamtmarkt? Bei einem Hype stürzen sich alle großen Investmentbanken und Hedge-Fonds auf das Thema und analysieren genau, welche Firmen an welchen Prozessen beteiligt sind. Da ist es schwer, Bereiche zu finden, die andere noch nicht gesehen haben. Die meisten Firmen, die davon profitieren, sind bereits relativ teuer bewertet. Nichtsdestotrotz kann sich der Einstieg schon rechnen und hinter vielen KI-Firmen stecken solide Unternehmen. Diese im Depot zu haben, ist auf lange Sicht sicher nicht verkehrt.
Auf die Frage, welche KI-Aktien besonders vielversprechend sind, reagiert ChatGPT verhalten. Können Sie konkreter werden?
An erster Stelle steht hier die Überlegung, ob die Investition in Soft- oder Hardware erfolgen soll. Mit Blick auf die Software von KI ist ungewiss, wer diesen Kampf gewinnen wird. Momentan ist OpenAI die führende Firma, vor drei Jahren war DeepMind, die KI-Firma von Google, an der Spitze. DeepMind hat AlphaGo geschaffen, eine KI, die erstmals einen Großmeister in dem Spiel Go, eine Art asiatisches Schach, besiegt hat. Das war bis dato unvorstellbar. Auch Meta arbeitet aktuell an einem Sprachmodell. Gut möglich, dass die Glatze an der Spitze stehen. Wir sehen, es gibt mehrere Firmen im Bereich Software mit wirklich starken Kapazitäten. Einfacher wäre es, auf die Chipbranche zu setzen, da alle KI-Rechenmodelle große und starke Server brauchen. Angefangen bei Nvidia, die als einer der weltweit größten Chipentwickler den Trend mit anführen. Daneben gibt es viele kleine Firmen, die ebenfalls vom Hype profitieren.
Sollen Anleger auf Einzeltitel oder ETFs setzen?
Wer aktiv in den KI-Trend investieren will, findet natürlich ETFs, die das abbilden. Diese liegen preislich jedoch häufig deutlich über den Kosten klassischer ETFs wie dem MSCI World. Außerdem sind die Zusammensetzungen selten vollumfänglich sinnvoll, da sich in dem Mix auch Firmen befinden, die weniger vielversprechend sind. Wer sich ein wenig mit dem Thema auseinandersetzt, kann sich daher getrost einzelne Papiere heraussuchen, die in Sachen Bewertung und Profit zusammenpassen.
Neben ChatGPT und der Chipbranche – welche Bereiche sind noch interessant?
Ein spannendes Feld ist auf jeden Fall die Automobilbranche und das Thema autonomes Fahren. Ein Analyst von JP Morgan hat gerade erst die Aktie von Tesla hochgestuft, weil dort für eine Milliarde Dollar an dem Supercomputer Dojo gebaut wird. Wenn dieses letztlich autonomes Fahren ermöglicht, bestünde darüber hinaus das Potenzial für viele weitere Dinge. Auch im Technologiebereich gibt es zahlreiche Firmen, die immer effizienter werden, beispielsweise Adobe. Auf der einen Seite besteht dort ein Risiko, da es viele Bildbearbeitungsprogramme gibt, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten. Gleichzeitig implementiert Adobe diese bereits in eigene Produkte und könnte sich dadurch einen Vorsprung verschaffen. Auch Nachhilfe-Plattformen, wie Duolingo, werden durch Künstliche Intelligenz immer effizienter.
Gibt es Branchen, die unter dem Hype leiden?
Es gibt einige Branchen, bei denen noch unklar ist, ob sie Profiteur sein oder unter dem KI-Boom leiden werden. Dazu zählen zum Beispiel indische Personaldienstleister. Firmen verlagern Aufgabenbereiche nach Indien, wo günstige Softwareentwickler wie Infosys oder Wipro das Programmieren übernehmen. Diese könnten durch den Einsatz von KI effizienter werden. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass KI einfache Programmieraufgaben vollständig übernimmt und den Einsatz dieser Firmen entbehrlich macht.
Bestehen darüber hinaus Risiken, die der Anleger beachten sollte?
Das hängt stark von der Bewertung der Aktien ab. Entscheide ich mich für stabile Chipkonzerne wie TSMC oder ASML, die nur zu Teilen vom KI-Trend profitieren, ist das Risiko verhältnismäßig gering. Denn das Kerngeschäft bleibt auch unabhängig davon bestehen. Bei Unternehmen wie Nvidia bewegt sich der KI-Trend gegen den relevanten Umsatz. Sollte der Boom nachlassen oder AMD oder Intel mit neuen Chips ein starkes Konkurrenzprodukt auf den Markt bringen, ist die Gefahr eines Abschwungs viel größer. Es gilt auch das Gleiche wie immer: Ist viel Hoffnung im Kurs, ist auch die Gefahr eines Falls deutlich größer.
Mit Noah Leidinger sprach Leah Nowak
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