Die E-Mobilität in Deutschland schwächelt derzeit – das wirkt sich auch negativ auf die Ladesäulen-Anbieter aus. Wird das zu einem langfristigen Problem?
Deutschland soll schrittweise auf E-Mobilität umsteigen – doch aktuell geht es nur schleppend voran: Mit dem Ende der E-Auto-Förderung ist die Nachfrage nach E-Autos stark eingebrochen. Im Juli 2024 wurden 30.762 Pkw mit batterieelektrischem Antrieb (BEV) neu zugelassen – das waren laut Kraftfahrt-Bundesamt 36,8 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Die Gesamtzahl der Pkw-Neuzulassungen ist allerdings nahezu konstant geblieben.
Der Einbruch bei den Elektroautos führt auch in den Geschäftsbereichen, die sich um Elektroautos drehen, zu Verlusten: Innerhalb eines Jahres gingen mit dem australischen Schnellladesäulen-Hersteller Tritium, dem Ladetechnik-Anbieter Compleo, dem österreichischen Anbieter EnerCharge und Numbat (Schnellladesäulen mit Batterietechnik) gleich vier Ladeinfrastruktur-Anbieter pleite. Compleo hatte sich im vergangenen Jahr unter dem neuen Eigentümer Kostal neu aufgestellt.
Der Bundesverband Neue Mobilitätsberatung (BBNM) schrieb im Mai in einem offenen Brief an die Bundesregierung, die Insolvenzen seien nur der Anfang einer fatalen Entwicklung. „Diese Misere ist in erster Linie auf verschiedene Fehler der Politik zurückzuführen. Hauptursachen sind überhastete Förderkürzungen, mangelndes Engagement für die Elektromobilität, ein völlig ineffektiver Masterplan Ladeinfrastruktur II, eine derzeit weitgehend nicht in Sichtweite befindliche Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur, eine destruktive Opposition und dann noch die Illusion, dank HVO100 und E-Fuels könne vielleicht alles beim guten alten Verbrenner bleiben.“
Nicolai Woyczechowski, Geschäftsführer für die DACH-Region beim finnischen Ladelösungsanbieter Virta, sieht in den Entwicklungen vor allem einen anhaltenden Konsolidierungsprozess. „Das ist in jeder Branche normal, gerade in den Anlaufphasen“, sagte er gegenüber t-online.
In den vergangenen Jahren seien mehrere Komponenten zusammengekommen: verschleppte Insolvenzen in der Corona-Zeit, die schwache Konjunktur und die Zinswende, die auch das Investitionsklima beeinflusst habe: „Als das Geld billig war, waren die Risikokapitalgeber großzügig. Jetzt wird viel genauer hingeschaut, wer Geld bekommt und wer nicht.“
Woyczechowski sieht einen wichtigen Schlüssel zum langfristigen Erfolg in der Internationalisierung – und nicht im kurzfristigen Kampf um Marktanteile: „Wir brauchen tragfähige Geschäftsmodelle, die sich auch refinanzieren lassen.“ Sein Unternehmen setzt daher auf eine langfristige Vision, auch wenn seiner Meinung nach die aktuelle Marktentwicklung viele andere Anbieter zu einem aggressiveren Vorgehen veranlasse. Derzeit expandiert das Unternehmen sowohl in Europa als auch in Südostasien.
Der Rückgang bei den Neuzulassungen von Elektroautos kommt in der Krise noch schlimmer: Sind weniger Elektrofahrzeuge auf den Straßen als geplant, wird auch weniger geladen. Und das wird für die Anbieter zum Problem: Die Kosten für die Ladeinfrastruktur sind hoch – und müssen wieder eingespielt werden.
„Die Geschäftsmodelle der Betreiber werden sich unter den aktuellen Umständen langsamer refinanzieren“, sagt Woyczechowski. Steht ein Geschäftsmodell auf wackeligen Beinen, kann das schnell das Aus bedeuten. Anbieter wie Virta hoffen nun, von der Pleitewelle zu profitieren und so ihren Status als Marktführer dauerhaft zu sichern.
Trotz der aktuellen Insolvenzen ist der Markt für Infrastruktur- und Serviceanbieter in Deutschland und Mitteleuropa noch immer sehr fragmentiert. „In Nordamerika gibt es etwa fünf bis sechs große Ladestationsnetze. Hier in Deutschland sind es schätzungsweise 30 bis 40. Das ist viel, um ein profitables, nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Geschäftsmodell aufzubauen“, sagt Woyczechowski. Es sei daher wichtig, eine Kombination aus technischer Innovation und individuellen Lösungen für Kunden anzubieten, um sich von der Vielzahl der Wettbewerber abzuheben.
Im vergangenen Jahr brummte das Geschäft noch und mit ihm der Ausbau des Ladenetzes in Deutschland. 2023 stieg die Zahl der Ladestationen um fast die Hälfte – es wurden immer leistungsfähigere Ladestationen installiert, vor allem Schnelllader. In diesem Jahr stieg die Leistung zwar weiter – allerdings sank die Zahl der installierten Ladestationen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast ein Viertel, so die „Wirtschaftswoche“.
Was man aber nicht vergessen darf: Neben dem Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur bauen viele Unternehmen auch ihr Netz an privaten Ladepunkten aus. Und hier geht es laut Virta DACH-Geschäftsführer Woyczechowski weiter voran: „Allein in Berlin gibt es mehr als 30.000 private Ladepunkte, Tendenz stark steigend“, sagt er.