Mit der drittstärksten Luftwaffe der Welt wird Indien zur neuen militärischen Supermacht – und stellt Asiens geopolitische Struktur auf die Probe.
Neu-Delhi – Indien wollte schon lange weder dem Westen noch Russland verpflichtet sein – doch der Druck aus Washington zwingt Neu-Delhi zu einem Kurswechsel. Hinter der Entscheidung steckt mehr als nur Energiepolitik: Sie beeinflusst das Selbstbild einer aufstrebenden Weltmacht. Lange Zeit galt in Indien die Devise, dass das Land Öl und Gas dort kaufen wolle, wo die Rohstoffe am billigsten seien. Nun der Paradigmenwechsel: Donald Trump kündigte Mitte Oktober an, dass Indien künftig kein Öl mehr von Russland kaufen werde und damit den Forderungen Washingtons nachgeben werde. Wegen Importen aus Russland verhängten die USA im Sommer schwere Strafzölle gegen die Republik.
„Was die USA betrifft, engagieren wir uns seit vielen Jahren für den Ausbau unserer Energiebeschaffung“, erklärte das indische Außenministerium. Die neue Linie von Premierminister Narendra Modi könnte eine Abkehr von der „strategischen Autonomie“ darstellen, die in Indien seit der Staatsgründung Tradition hat. Bisher hat das Land versucht, sich keinem der bestehenden Machtblöcke anzuschließen und seine geopolitischen Beziehungen sorgfältig auszubalancieren. Denn abseits der großen politischen Bühne setzt Indien bei der Modernisierung auf den Turbolader und wächst still und leise zur neuen Supermacht heran. Indiens militärische Stärke ist Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins – sie widerspricht jedoch der außenpolitischen Unabhängigkeit, die das Land seit langem pflegt.
Indiens Luftwaffe wird zum Überflieger: Stärker als China – Abkehr von Russland?
Indien hat es geschafft, China zu überholen und verfügt nun hinter den USA und Russland über die drittstärkste Luftwaffe der Welt. Das geht aus einem aktuellen Ranking des World Directory of Modern Military Aircraft hervor. Der militärische Aufstieg der Republik stellt eine weitreichende Neuausrichtung des geopolitischen Gleichgewichts in Asien dar. Es wird immer wieder deutlich, wie entscheidend eine schlagkräftige Luftwaffe für die militärische Strategie eines Landes ist.
Das Land setzt auf eine sehr ausgewogene Zusammensetzung der Luftwaffe: 31,6 Prozent Kampfflugzeuge, 29 Prozent Hubschrauber und 21,8 Prozent Schulflugzeuge. Insgesamt stehen Indien 1.716 Einheiten zur Verfügung. Laut Newsweek Im sogenannten TruVal-Rating erreichte das Land einen Wert von 69,4. China erreichte einen TVR-Wert von 58,1. Die Streitkräfte der USA und Russlands sind weiterhin klar überlegen.
Die Operation Sindoor wird als Beispiel dafür angeführt, wie effektiv die indische Luftwaffe geworden ist. Im vergangenen Mai führten die Einheiten eine Reihe von Präzisionsangriffen auf die Infrastruktur in Pakistan und im von Pakistan besetzten Kaschmir durch. Dem Medium zufolge habe Indien mit dem Einsatz bewiesen, dass die Luftwaffe in der Lage sei, Bedrohungen schnell zu bekämpfen. Darüber hinaus waren eine verbesserte Präzision, Koordination und strategische Reichweite erkennbar, was auf eine wachsende Luftüberlegenheit in der Region hindeutet. Gleichzeitig musste die indische Luftwaffe Verluste an Rafale-Jets durch pakistanische J-10 verkraften.
Indiens Luftwaffe demonstriert Stärke – aber der Sindoor-Einsatz zeigte auch Schwäche
Doch militärische Stärke allein sichert nicht die Unabhängigkeit – sie offenbart auch die Schwächen einer Industrie, die an ihre Grenzen stößt. Ende September wurde bekannt gegeben, dass der bisher größte Rüstungsauftrag des Landes insgesamt 180 Mehrzweckkampfflugzeuge umfasst. Bei allen Käufen handelt es sich um Eigenentwicklungen. Auch Indien setzt auf internationale Beschaffung und die Modernisierung der bestehenden Flotte. Auf dem Papier scheinen die Pläne ehrgeizig, doch in Wahrheit kämpft Indiens Luftwaffe mit Modernisierungsrückständen. Es ist auch klar, dass unsere eigene Produktion nicht die erforderliche Anzahl an Flugzeugen produzieren kann.
Meta-Verteidigung berichtete Ende September, Sindoor sei nicht nur ein Erfolg, sondern auch ein strategischer Schock gewesen. Die Operation verdeutlicht die Fragilität der indischen Luftwaffe im Vergleich zu Pakistan und China. Dadurch wurde der Standard der 42er Fliegerstaffeln in Frage gestellt – und später die Nummer 56 verwendet. Durch dieses Ziel entsteht eine Kapazitätslücke von rund 400 Flugzeugen, die zeitnah beschafft werden müssen. Unverzichtbar dafür: der Rafale-Kampfjet.
Indien zwischen Russland, USA und China – Modi schreckt Trump ab
Genau diese Abhängigkeit von ausländischer Technologie und Hardware bringt Indien in ein strategisches Dilemma. Anfang September posierte Modi mit Wladimir Putin und Xi Jinping am Rande eines gemeinsamen Gipfels. Trump ließ den Auftritt damals nicht unkommentiert. „Sieht so aus, als hätten wir Indien und Russland an das tiefste und dunkelste China verloren“, schrieb der US-Präsident auf Truth Social. Gleichzeitig sorgten die US-Strafzölle gegen Modis Land für Aufsehen.
Nach Einschätzung des NZZ Die Zölle waren unter anderem der Auslöser, der Indien in die Arme Chinas trieb, doch gleichzeitig trennen die beiden Länder weitreichende Unterschiede territorialer und ideologischer Natur. Einerseits haben beide Nationen einen jahrzehntelangen Grenzstreit im Himalaya, andererseits haben sie unterschiedliche Ansichten über Tibet und den Umgang mit dem Dalai Lama. China und Indien galten schon immer als Rivalen, doch Trumps „America First“-Diplomatie sorgte für einen großen Wandel.
Indiens Beziehung bleibt ambivalent – Mitglied von BRICS und QUAD
Was jedoch bleibt, ist das ambivalente Verhältnis Indiens zu den geopolitischen Machtblöcken. Als Gründungsmitglied der BRICS bildet das Land zusammen mit Brasilien, Russland, China und Südafrika den Kern dieser Staatengruppe, die mittlerweile rund 45 Prozent der Weltbevölkerung repräsentiert. Gleichzeitig ist Indien auch Teil der QUAD-Gruppe, zu der Japan, Australien und die USA gehören. Laut Le Monde diplomatique Die Mitgliedschaft Indiens in konkurrierenden Gruppen zeigt deutlich, dass die Republik insbesondere ihre nationalen Interessen verfolgt.
Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung wird QUAD oft als Reaktion auf den wachsenden Einfluss Chinas in Asien gesehen. Indiens paralleles Engagement in QUAD und BRICS verdeutlicht daher seine strategische Autonomie und unabhängige Position im Indopazifik. Und veranschaulicht die Suche Neu-Delhis nach dem dritten Pol zwischen Washington und Peking.
Indiens Zukunft: Aufstrebende Supermacht zwischen den USA, Russland und China
Im Vergleich zu vielen anderen Ländern, die mit einer stagnierenden Bevölkerungsentwicklung zu kämpfen haben, kann Indien derzeit mit einem großen Anteil junger, arbeitsfähiger Gesellschaft das Wachstum vorantreiben. Militärisch verfügt die Republik über 1,45 Millionen aktive Soldaten. Es gibt auch Atomsprengköpfe, die die Ambitionen des Landes verdeutlichen, eine Supermacht zu werden. Nach Einschätzung von Gerhard Hücker in Der Europäer Allerdings steht Indien vor großen Herausforderungen.
Im Land herrschen Armut und Ungleichheit. Demokratische Prinzipien werden in einem zunehmend autoritären Umfeld zunehmend auf die Probe gestellt. Dennoch kommt der Experte zu dem Schluss, dass das Land weiterhin auf dem Weg ist, ein globales Machtzentrum zu werden. Indiens Position als aufstrebende Supermacht, die China in Asien dank seiner Luftwaffe mittlerweile überflügelt hat, hat unweigerlich gravierende Auswirkungen auf das globale Machtgleichgewicht. Die Herausforderung für die Weltgemeinschaft: Indien ist weder westlich noch antiwestlich.
Trotz der bröckelnden Nähe zu Russland und der vorsichtigen Annäherung an China ist es wahrscheinlicher, dass das Land weiterhin im Gleichgewicht zwischen den Blöcken bleibt. Le Monde diplomatique Ihm zufolge seien die historischen Bindungen an den Westen so eng, dass selbst Trumps Kurs sie wohl kaum brechen könne. Gleichzeitig weist die Zeitung darauf hin: Indien sei aus dem Kampf gegen den westlichen Kolonialismus hervorgegangen. Und der Geist des antikolonialen Widerstands bleibt Indiens Kompass – auch in einer Welt, die neu vermessen wird. (Quellen: Newsweek, NZZ, Le Monde diplomatique, The European, Meta Defense) (fbu)