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In Ungarn liefert Merkel eine seltsame Erklärung für den Krieg in der Ukraine

In Ungarn liefert Merkel eine seltsame Erklärung für den Krieg in der Ukraine
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Altkanzlerin Merkel spricht über das Scheitern der Diplomatie mit Putin und wen sie dafür verantwortlich macht. Ein brisantes Interview.

Update, 8. Oktober, 9:58 UhrSPIEGEL: Über Merkels jüngste Äußerungen zum Krieg in der Ukraine besteht noch Gesprächsbedarf. In einem aktuellen Meinungsbeitrag des estnischen Radios ERR Darin heißt es: „Die Ukraine und Europa sind nicht in den Krieg geraten, weil einige Länder sich weigerten, mit Putin zu sprechen – sondern weil zu viele immer noch glaubten, dass es sich lohnt, mit Russland zu sprechen.“ Der Münchener Merkur kommentierte: „Es ist schwer, dem ehemaligen lettischen Außenminister Artis Pabriks zu widersprechen, wenn er sagt, dass Merkel wie eine ‚russische Einflussagentin‘ klingt.“

Altkanzlerin Angela Merkel gab hier bei einer Veranstaltung in Augsburg im August 2025 in Ungarn ein brisantes Interview.
Altkanzlerin Angela Merkel gab hier bei einer Veranstaltung in Augsburg im August 2025 in Ungarn ein brisantes Interview. © dpa

Update, 7. Oktober, 9:30 Uhr: Das Interview mit Altkanzlerin Angela Merkel sorgt weiterhin für Irritationen. Estlands Außenminister Margus Tsahkna kritisierte die Aussagen nun als empörend und falsch. In einer Erklärung sagte er, dass Putins Unfähigkeit, den Zusammenbruch der Sowjetunion zu akzeptieren, sowie der frühere Wunsch westlicher Staaten, mit Putin zu verhandeln und seine Handlungen zu ignorieren, die Ursache für Russlands umfassende Aggression seien. Weder der Krieg in Georgien im Jahr 2008 noch die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 lösten heftige Reaktionen aus.

Unter Merkels Führung hat Deutschland die wirtschaftlichen Risiken einer Zusammenarbeit mit Russland falsch eingeschätzt. Die Eröffnung der Nord Stream-Pipeline erhöhte die Abhängigkeit von russischer Energie. „In unserer Region wurde die wahre Natur Russlands schon früh erkannt und vor den von Russland ausgehenden Gefahren gewarnt. Die überwiegende Mehrheit der westlichen Welt hat sich jedoch entschieden, dies zu ignorieren“, sagte Tsahkna.

Angela Merkel gibt Polen und den baltischen Staaten eine gemeinsame Verantwortung für den Krieg in der Ukraine

Erster Bericht: Budapest – In einem kontroversen Interview hat Angela Merkel (CDU) Polen und den baltischen Staaten die Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine zugeschrieben. Der Altkanzler behauptet, diese Länder hätten 2021 eine direkte Diplomatie zwischen der Europäischen Union (EU) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verhindert. Dies sagte der Altkanzler in einem Interview mit dem ungarischen Online-Medium Partisan.

In dem Gespräch, das als Video auf YouTube veröffentlicht wurde, entwickelte Merkel eine eigenwillige Interpretation der Ereignisse, die im Februar 2022 zum Ausbruch des Ukraine-Krieges geführt haben sollen. Die Altkanzlerin erklärt, wie sie 2021 ein neues diplomatisches Format anstrebte, um „direkt mit Putin als Europäische Union“ zu sprechen. Doch dieser Plan scheiterte: „Einige Leute haben ihn nicht unterstützt. Das waren vor allem die baltischen Staaten, aber auch Polen war dagegen“, sagte der Ex-Kanzler.

Angela Merkel begründet den Krieg in der Ukraine mit der Angst Polens vor Putin

Die betroffenen Länder hätten „Angst“, dass es innerhalb des Staatenbündnisses „keine gemeinsame Politik gegenüber Russland“ gebe. Merkel selbst zieht dann eine direkte Linie vom Scheitern der Initiative zum Angriff Putins auf die Ukraine. „Auf jeden Fall ist es nicht passiert. Dann habe ich mein Amt niedergelegt und dann hat Putins Aggression begonnen“, sagte Merkel.

Gleichzeitig wehrte sich Merkel in einem Interview mit dem Ungarischen Format gegen die Kritik, dass ihre Politik in den Jahren vor 2015 Putins Position gefestigt habe. Das von ihr ausgehandelte Minsker Abkommen, das 2015 unterzeichnet wurde, habe „Ruhe gebracht“ und der Ukraine eine Chance geboten. Erst im Juni 2021 habe sie gespürt, „dass Putin das Minsker Abkommen nicht mehr ernst nimmt“.

Merkel stellt einen Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine her

Besonders überraschend ist jedoch eine andere Theorie, die Merkel zu Beginn des Krieges in der Ukraine vorbrachte. Nach Angaben des langjährigen Kanzlers und CDU-Chefs war es die Corona-Pandemie, die bei der russischen Invasion in der Ukraine eine entscheidende Rolle gespielt hat. Putin wollte aus Angst vor dem Virus keine Gespräche mehr führen. „Wir konnten uns nicht mehr treffen“, zitiert die Bild-Zeitung aus dem Interview mit Merkel. Ihr Fazit: „Wenn man sich nicht treffen kann, wenn man Meinungsverschiedenheiten nicht von Angesicht zu Angesicht austauschen kann, dann wird man keine neuen Kompromisse finden.“ Videokonferenzen hätten nicht ausgereicht. Corona sei daher der „Hauptgrund“ für den Ausbruch des Ukraine-Krieges.

So auch die Bild Wie in ihrem Bericht festgestellt, ignoriert Merkel mit ihrer Aussage einen wichtigen Aspekt der Kriegsgeschichte in der Ukraine. Trotz des Minsker Abkommens und entgegen Merkels Behauptungen über eine Entspannung zwischen 2015 und 2022 sollen in diesem Zeitraum mehr als 5.000 ukrainische Soldaten bei Kämpfen mit von Russland unterstützten Partisanen, getarnten Soldaten oder vom Kreml bezahlten Söldnern im Osten des Landes ums Leben gekommen sein. Putin hatte die Halbinsel Krim bereits im Februar 2014 besetzt. Ab Frühjahr 2021 bereiteten Russlands Machthaber eine umfassende Invasion gegen die Ukraine vor.

Die brisanten Äußerungen des Ex-Kanzlers dürften vor allem in Polen und den baltischen Staaten für Empörung sorgen. Diese Länder, die seit Jahrzehnten unter sowjetischer Herrschaft standen, hatten immer davor gewarnt, Putin gegenüber zu nachsichtig zu sein. Aus Sicht der EU-Ostgrenzenländer standen Merkel und ihre Koalitionen jahrelang genau dafür. (Verwendete Quellen: Partizan, Bild, Tass) (dil)

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