Berlin. Ist die AfD eine Nazi-Partei? Joachim Gauck widerspricht Caren Miosga. Für eine alte Weggefährtin hat er kein gutes Wort übrig.
Die SPD hat in Brandenburg aufgeholt. Und doch ist die diesjährige Landtagswahlen Im Osten hat sich die politische Landschaft in Deutschland verändert. Die AfD ist stärker geworden, sie erfreut sich größerer Beliebtheit und neuer politischer Macht als je zuvor. Die große Frage ist: Was wird nächstes Jahr passieren, wenn Bundestagswahlen stattfinden?
Caren Miosga hat versucht, einen möglicherweise weisen Mann dazu zu befragen. Ihr Hauptgast am Sonntagabend war Joachim Gauck: der frühere Bundespräsident, der sich noch immer häufig und mitunter kontrovers äußert.
Die doppelte Rhetorik des früheren Bundespräsidenten
In seinen Äußerungen wählte Gauck eine auffällige Zweifarbig: Einerseits zeigte er sich besorgt über das Erstarken der AfD. Andererseits äußerte er auch Verständnis für die Wähler der Partei.
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„Ich kann eine gewisse Sorge nicht verbergen“, sagte der ehemalige Bundespräsident Es besteht jedoch kein Grund für Pessimismus. Betrachtet man die Entwicklungen in der langfristigen Perspektive, sind sie durchaus positiv.
Das war eine eher allgemeine Aussage. Konkret machte Gauck die Ampelkoalition klare Vorwürfe„Wir müssen sichtbar an den Sorgen der Bevölkerung arbeiten, sonst beginnen wir, Vertrauen zu verspielen“, warnte er. Die Bundesregierung habe beim Thema Migration „viel zu spät und symbolisch“ reagiert, sagte Gauck mit Blick auf die kurz nach Solingen und kurz vor der Wahl beschlossenen Grenzkontrollen.
Gauck kritisiert Merkel
In seiner Kritik blickte der ehemalige Bundespräsident auch zurück. Insbesondere Angela Merkels Gauck sieht die angebliche „Willkommenskultur“ weiterhin kritisch und sieht darin den Grundstein der Probleme. Über Merkel verlor er kein gutes Wort. Vielmehr wurde angedeutet, dass hier der Kern von Gaucks Kritik liege: Die Progressiven in der Republik und vor allem in der Politik hätten großen Wert auf Offenheit gelegt, so das Argument. Doch weite Teile der Bevölkerung seien damit nicht einverstanden.
Daran sind zwei Dinge bemerkenswert. Erstens kann man sich fragen, inwieweit diese Progressiven tatsächlich die Politik bestimmt haben. Schließlich hat das Land nichts anderes erlebt als ständige Asylverschärfungenohne dass jemals ein konkreter Plan für eine kontrollierte Arbeitsmigration formuliert worden wäre. Andererseits war deutlich, dass Gauck ein gutes Verständnis für die betroffenen Bevölkerungsgruppen zu haben scheint. Es gebe mehr Veränderungen als je zuvor, sagte er. Daraus ergäbe sich eine gewisse Sorge um die Heimat und das Gefühl, dass nichts so bleiben wird, wie es einmal war.
Abschließend sei noch erwähnt, dass Gauck die AfD nicht als „Nazi-Partei“ Natürlich gebe es Nazis in der Partei, stellte der frühere Bundespräsident klar. Das Problem sei aber, dass die Menschen der AfD noch immer mehr vertrauen als den anderen Parteien.
Die AfD als Partei frustrierter Männer
An dieser Stelle war es erfrischend, dass zumindest Julia Reuschenbach dem ehemaligen Bundespräsidenten widersprach. Die AfD ist bereits eine rechtsextreme Parteisagte die Politologin. Und sie erinnerte an die Überwachung mancher Landesverbände durch den Verfassungsschutz. „Die Wähler müssen damit konfrontiert werden“, forderte Reuschenbach.
Zum Abschluss hatte Steffen Mau noch einen interessanten Hinweis auf die Wählerstruktur der AfD. „Die AfD ist eine stark maskulinisierte Partei“, so der Soziologe. Das gelte besonders für den Osten, wo Frauen oft weggezogen und emanzipiert seien. Männer kämen damit manchmal nicht klar, verfielen in alte Rollenbilder und würden von der AfD aufgegriffen. Tatsächlich werde die ganze Geschichte von der AfD umgedreht, so Mau. Ost wird als angebliche Avantgarde präsentiert, die eine ideale Zukunft verkörpert, im Gegensatz zur Erzählung eines rückwärtsgewandten Verfalls.
Der Abschluss
Zwischen Verurteilung und Verständnisbekundungen: Es war durchaus unterhaltsam, Joachim Gauck bei seiner rhetorischen Gratwanderung zuzuschauen. Tiefere Erkenntnisse lieferte diese Ausgabe von „Caren Miosga“ allerdings nicht.
Vielleicht hätte der Fokus mehr auf zukunftsweisende Fragen gerichtet werden sollen, etwa: Wie können wir verhindern, dass die AfD Bundestagswahl auf Werte von 30 plus X? Es steht zu befürchten, dass es in den nächsten Monaten noch viele weitere Anlässe für diese Debatte geben wird.