Es ist ein warmer, sonniger Herbsttag in der rumänischen Hauptstadt Bukarest und außerhalb des prachtvollen Neurenaissance-Justizpalastes im Zentrum der Stadt ist nicht viel los. Nur ein Fernsehteam wartet am Gebäude, um einen Blick auf die beiden weltberühmten und äußerst umstrittenen Männer zu werfen, die vor Gericht stehen.
Die Anhörung betraf Andrew und Tristan Tate, zwei berüchtigte Frauenfeinde und Social-Media-Influencer mit Millionen von Followern. Ihnen werden unter anderem Menschenhandel und Missbrauch von Frauen vorgeworfen.
Doch am 31. Oktober verschob der Richter, wie schon mehrfach zuvor, die Festlegung eines Datums für den Beginn des Prozesses, nachdem Anwälte, die die beiden Männer vertraten, Anträge gestellt hatten, das Verfahren auszusetzen, darunter Anträge, die die Zulässigkeit der vorgelegten Beweise in Frage stellten. Die Brüder, die britisch-amerikanische Doppelbürger sind, haben jegliches Fehlverhalten bestritten.
Viele Täter werden nie verurteilt
Die Tate-Brüder, insbesondere Andrew Tate – einst Kickboxer – erlangten vor über einem Jahrzehnt weltweite Berühmtheit in den sozialen Medien. Sie haben Millionen von Followern auf TikTok und anderen Plattformen und haben Schlagzeilen gemacht, weil sie extrem frauenfeindliche Ansichten äußerten und zu Gewalt gegen Frauen aufriefen. Sie haben in ihren Beiträgen und Videos auch rassistische, homophobe und rechtsextreme Gefühle verbreitet.
Nachdem Andrew Tate 2015 in Großbritannien wegen Körperverletzung und mutmaßlicher Vergewaltigung kurzzeitig verhaftet worden war, zogen er und sein Bruder Tristan im folgenden Jahr nach Rumänien. Es ist möglich, dass sie dies absichtlich getan haben. Rumänien hat eine der schlechtesten Bilanzen in der Europäischen Union, wenn es um den Missbrauch von Frauen und den Menschenhandel geht.
Berichte der Europäischen Kommission ab 2023 zeigen, dass von den mehr als 7.000 Frauen, die in der EU jährlich Opfer von Menschenhandel und Missbrauch werden, über 3.000 aus Rumänien stammen. Das rumänische Justizsystem bearbeitet diese Fälle nur langsam, und es ist nicht ungewöhnlich, dass Täter den Prozess verzögern und nie verurteilt werden.
Prozess wiederholt verschoben
Andrew und Tristan wurden erstmals Ende 2022 in Rumänien wegen des Verdachts des Menschenhandels und der Vergewaltigung festgenommen. Sie wurden von der Direktion zur Untersuchung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus des Landes untersucht.
Die Tate-Brüder sollen Frauen mit der Lover-Boy-Methode in ihr Netzwerk gelockt haben, bei der Männer vorgeben, fürsorgliche Freunde zu sein, bevor sie ihre Opfer zur Prostitution zwingen und in Online-Sexkanälen und Pornofilmen auftauchen.
Die Polizei beschlagnahmte Luxusautos sowie andere Wertgegenstände und Bargeld der Tate-Brüder auf ihrem Anwesen in Voluntari im Nordosten Bukarests.
Seitdem hat sich der Fall der Tate-Brüder zu einer juristischen Odyssee entwickelt. Im März 2023 wurden die beiden aus der Haft entlassen und unter Hausarrest gestellt, aus dem sie im August 2023 entlassen wurden. Ein Gericht in Bukarest entschied im April 2024, dass den beiden ein Strafverfahren bevorsteht. Zu den Anklagen gehörten die Gründung einer kriminellen Vereinigung, Menschenhandel (im Fall von 34 Frauen) sowie Körperverletzung und Vergewaltigung. Seitdem wurde der Prozess jedoch immer wieder verschoben.
Rumänische Behörden gehen sanft mit Menschenhändlern um
Die Tates wurden zuletzt Ende August festgenommen. Andrew, jetzt 37, wurde unter Hausarrest gestellt, während Tristan, 36, unter gerichtliche Aufsicht gestellt wurde. Anfang Oktober entschied ein Gericht, dass von den Behörden beschlagnahmte Luxusautos zurückgegeben würden, da diese nicht auf ihren Namen, sondern auf den Namen von Familienmitgliedern und Freunden zugelassen seien.
Wie der Tate-Fall zeigt, scheinen rumänische Polizei und Gerichte oft nachsichtig mit Tätern umzugehen. Obwohl sich die Rechtslage in den letzten Jahren verbessert hat, gibt es in Rumänien weiterhin Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen. Nach Angaben des Ermittlungsnetzwerks Rise Project sind in Rumänien nach Schätzungen der Anti-Mafia-Staatsanwälte etwa 3.000 bis 4.000 Menschenhändler tätig.
Der Bericht des US-Außenministeriums über Menschenhandel in Rumänien im Jahr 2023 sagte, Gesetzesänderungen und lange Verhandlungsperioden erschwerten weiterhin die Strafverfolgung und führten dazu, dass einige Beamte, die an Menschenhandelsverbrechen beteiligt waren, straffrei blieben. Außerdem hieß es, einigen Richtern fehle das Bewusstsein für Kinderhandel und sie seien voreingenommen gegenüber Opfern, die aus sozial benachteiligten Gruppen stammten.
Tates löst in Rumänien kaum öffentliche Kontroversen aus
In ihren Videos geben die Tates mit ihren frauenfeindlichen Äußerungen vor, Männern beizubringen, wie sie Frauen anziehen, von ihnen abhängig machen und vergewaltigen können. Die Brüder glauben, dass Männer für Frauen verantwortlich sein und Entscheidungen treffen sollten, weil Frauen angeblich faul und unfähig sind. Dennoch scheinen die Tates in Rumänien kaum für öffentliche Kontroversen gesorgt zu haben.
Als die Tates im Juli wegen Menschenhandels und Vergewaltigung angeklagt wurden, betrat Andrew die Bühne im Beach, Please! Festival in Costinesti am Schwarzen Meer und wurde von Tausenden Zuschauern angefeuert.
Der amerikanische Rapper French Montana brachte ihn auf die Bühne und rief: „Rumänien liebt dich, mein Bruder!“ – zur Melodie eines bekannten Liedes eines berühmten Balkan-Popstars, der die Macht des Geldes feiert, die alle Probleme des Lebens löst.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.