In den USA treten neue Richtlinien in Kraft
Ein frühzeitiger Kontakt mit Erdnüssen verringert das Allergierisiko
22. Oktober 2025, 10:12 Uhr
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Wenn bei Kindern das Risiko einer Erdnussallergie bestand, hieß es früher, strikte Vermeidung sei die beste Taktik. Vor einigen Jahren änderten Experten jedoch ihre Empfehlung. Ein frühzeitiger Kontakt mit dem Lebensmittel soll das Risiko deutlich reduzieren. Nun zeigt eine Studie: Zumindest in den USA ist das Phänomen seitdem seltener geworden.
Selten hatte eine medizinische Studie eine so durchschlagende Wirkung: Als 2015 eine Studie zu Erdnussallergien bei Kindern veröffentlicht wurde, änderten medizinische Fachgesellschaften weltweit ihre Richtlinien zum Umgang mit dem Lebensmittel. Zuvor hatten sie Eltern gefährdeter Kinder empfohlen, Erdnussprodukte von ihren Kindern fernzuhalten. Nun raten sie zu einem frühzeitigen und kontinuierlichen Kontakt mit solchen Produkten.
Nach Erkenntnissen der damaligen sogenannten LEAP-Studie und ihrer Folgestudien konnte dadurch das Risiko einer Erdnussallergie dauerhaft um mehr als 70 Prozent gesenkt werden. Seit 2021 lautet der Rat an Eltern in den USA, Kinder im Alter zwischen vier und sechs Monaten mit allen wichtigen Nahrungsmittelallergenen vertraut zu machen.
Die neuen Richtlinien scheinen zu funktionieren
Nun zeigt eine neue Studie im Fachmagazin „Pediatrics“, welche Folgen die geänderten Richtlinien in den USA haben. Demnach ist nach der Änderung der Leitlinien die Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien durch Immunglobulin E (IgE) deutlich zurückgegangen. Allergien gegen Erdnüsse und viele andere Lebensmittel sind meist auf diese Antikörper zurückzuführen.
In der Studie untersuchte das Team um David Hill vom Children’s Hospital in Philadelphia elektronische Gesundheitsdaten zu verschiedenen Zeitpunkten auf entsprechende Diagnosen bei Kindern bis zu drei Jahren. Demnach sank die Rate der IgE-bedingten Erdnussallergien bei den Teilnehmern deutlich – von 0,79 auf 0,43 Prozent.
Überraschenderweise sank auch die Rate aller IgE-bedingten Nahrungsmittelallergien – von 1,46 auf 0,93 Prozent. Erdnüsse seien mittlerweile nicht mehr der häufigste Auslöser von Nahrungsmittelallergien in den USA, sondern nur noch der zweithäufigste Auslöser – nach Hühnereiern, schreibt die Gruppe.
Wichtige Erkenntnisse zum Beispiel für Eltern
„Unsere Ergebnisse sind wichtig für diejenigen Menschen, die Patienten behandeln und für diejenigen, die sich um kleine Kinder kümmern“, wird Studienleiter Hill in einer Stellungnahme seiner Klinik zitiert. „Mit mehr Achtsamkeit, Aufklärung und Interessenvertretung könnten wir die in dieser Studie beobachteten Ergebnisse verbessern.“
Für Kirsten Beyer bestätigt der in der Studie festgestellte Rückgang der Erdnussallergien die geänderten Empfehlungen in den Leitlinien. Die in der Studie untersuchte Gruppe ist wahrscheinlich nicht repräsentativ; Allerdings basieren die Daten auf etablierten diagnostischen Kriterien, die sowohl vor als auch nach der Leitlinienänderung galten, und sind daher methodisch valide, sagt der Leiter des Kinderallergologischen Studienzentrums der Berliner Charité.
Beyer vermutet, dass der Rückgang der Erdnussallergien etwas geringer ausfiel als in den LEAP-Studien, weil die Empfehlungen im Untersuchungszeitraum noch nicht flächendeckend umgesetzt worden waren. „Es braucht Zeit, bis so etwas alle Ärzte und Eltern erreicht.“ Für Deutschland liegen keine relevanten Zahlen vor.
Betrifft es auch andere Allergien?
Und der überraschende Rückgang anderer Nahrungsmittelallergien, der in der Studie festgestellt wurde? „Wir wissen, dass Eltern und Ärzte Empfehlungen hochrechnen“, sagt Beyer – das heißt, dass die Erkenntnisse aus Erdnüssen auf andere Produkte wie Hühnereier und Cashewnüsse übertragen werden. „Das könnte den festgestellten Rückgang erklären.“
Generell empfiehlt der Experte den Eltern: „Was Kinder zu Hause essen, sollte ihnen frühzeitig und regelmäßig gegeben werden – und zwar in altersgerechter Form.“ Allerdings sollte bei Kindern mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis – also einem hohen Risiko für eine Nahrungsmittelallergie – zunächst eine bestehende Allergie gegen Erdnüsse ausgeschlossen werden.
Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 0,4 Prozent aller Kinder bis zum Alter von zwei Jahren von einer Erdnussallergie betroffen. In den USA, wo das Lebensmittel deutlich verbreiteter ist, dürfte der Anteil höher liegen.