Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, extreme Brutalität – Berichte über die Lage in Al-Fashir, Sudan, bestätigen Hinweise auf Gräueltaten gegen Zivilisten. In der Stadt sitzen vermutlich immer noch 150.000 Menschen fest.
Die Situation für Zehntausende Menschen in Al-Faschir muss schrecklich sein. Denise Brown, UN-Nothilfekoordinatorin für den Sudan, schätzt, dass noch immer rund 150.000 Menschen in der Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur gefangen sind.
Letzte Woche wurde Al-Fashir während der Kämpfe im sudanesischen Bürgerkrieg von der RSF-Miliz gefangen genommen. Die Armee des Militärherrschers Abdel-Fattah al-Burhan und die Miliz seines ehemaligen Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo bekämpfen sich seit zweieinhalb Jahren.
Hinrichtungen, sexuelle Gewalt, Gräueltaten
Der ARD Brown sagte, es gebe glaubwürdige Berichte über Hinrichtungen unbewaffneter Zivilisten durch Milizionäre – etwa bei dem Versuch, die Stadt zu verlassen – sowie fortlaufende Berichte über sexuelle Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation habe auch glaubwürdige Berichte über Massentötungen von Patienten und ihren Familien im letzten verbliebenen Krankenhaus in Al-Fashir erhalten, sagte Brown. Mehr als 460 Menschen sollen gestorben sein.
Dies bestätigt auch der sudanesische Menschenrechtsanwalt Mohaned Elnour vom Tahrir Institute for Middle East Policy ARD schwerste Menschenrechtsverletzungen in der Stadt. Unter anderem wurden Menschen lebendig begraben. Nach Angaben des Anwalts haben Milizionäre die Taten auf Video festgehalten und anschließend veröffentlicht. Es sind schreckliche Szenen.
Gräueltaten aufgrund von Straflosigkeit
Einer der Gründe für diese Gräueltaten sei, dass Kriegsverbrecher im Sudan schon lange nicht mehr vor Gericht gestellt würden: „Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Straflosigkeit ein Grund für viele Verbrechen im Sudan.“
Dieselben Täter hätten vor zwei Jahrzehnten in Darfur Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, erklärt Elnour. Er ist sich sicher: „Solange sie nicht zur Verantwortung gezogen werden, werden wir noch mehr Verbrechen erleben.“
Tatsächlich kündigten die Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag Anfang dieser Woche eine Untersuchung an, nachdem kürzlich Berichte über Gewaltverbrechen in Al-Fashir gemeldet worden waren. Sie sagten, sie seien zutiefst beunruhigt über die Berichte.
Die Bedeutung von Urteilen für Opfer
Für den Menschenrechtsanwalt Elnour sind diese Ermittlungen ein gutes Zeichen. Der Internationale Strafgerichtshof hat gerade einen Verantwortlichen für den Völkermord in Darfur vor mehr als 20 Jahren unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verurteilt.
„Manche sehen das vielleicht als sehr späte Gerechtigkeit an, als ‚blablabla‘, aber in Wirklichkeit feierten die Menschen in Darfur diese Entscheidung wirklich. Sie hatten das Gefühl, dass dies ihre Wunden heilen könnte“, erklärt Elnour.
Die Rolle von Drittstaaten im Krieg
Doch was müsste passieren, um den brutalen Krieg und damit das Leid der Zivilbevölkerung zu beenden? Rechtsanwalt Elnour fordert vor allem internationalen Druck auf die Akteure. Hierzu zählen auch Drittstaaten, die die beiden Kriegsparteien unterstützen.
Beispielsweise erhält die sudanesische Armee Unterstützung aus Ägypten und dem Iran. Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen Waffen an die RSF-Miliz liefern, der Golfstaat bestreitet dies jedoch. Elnour fordert die USA und andere Länder auf, Druck insbesondere auf diese Unterstützer beider Seiten im Sudan auszuüben.
„Man muss die Vereinigten Arabischen Emirate davon abhalten, Krieg zu schüren“, sagt Elnour. Auch Iran, Ägypten und Saudi-Arabien müssen daran gehindert werden, Kriegsparteien zu unterstützen. Dies gelte auch für die Türkei, die sowohl die RSF als auch die sudanesische Armee unterstütze, sagte Elnour. „Sonst wird der Krieg lange dauern.“
Drohende Hungersnot
UN-Nothilfekoordinator Brown versichert uns, dass wir mit der RSF-Miliz reden: „Die Rolle der UN besteht immer darin, mit allen Akteuren zu reden, und das geschieht schon seit Monaten auf vielen Ebenen.“ Mehrfach wurde Zugang zu Al-Faschir gefordert. Aber das wird blockiert.
Doch nicht nur der RSF-Miliz werden schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen. Auch die sudanesische Armee sei für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich, sagte Elnour. Deshalb nutzen auch sie den Hunger als Kriegswaffe und bombardieren Dörfer mit Zivilisten.
Unterdessen hat die internationale Initiative IPC, die für die Bewertung der Ernährungssicherheit weltweit zuständig ist, eine Hungersnot in Teilen des Sudan bestätigt. Nicht nur in Nord-Darfur, sondern auch in anderen Gebieten. Der Sudan stehe am Rande einer humanitären Katastrophe, hieß es: Mehr als 375.000 Menschen seien von einer humanitären Katastrophe höchsten Ausmaßes betroffen und 21 Millionen seien von Hunger bedroht.
Die Vereinten Nationen bezeichnen die Situation im Sudan seit langem als die größte humanitäre Krise der Welt. Hunger, Mord, Gewalt und Vertreibung: Ein Ende des Leids der Menschen im Sudan scheint nicht in Sicht.
