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Im Jahr 1860 gewinnen nur die Anwälte

VON OLIVER GRISS

Als der neue Oberlöwe Gernot Mang am Donnerstagmorgen den Sitzungssaal 101 des Landgerichts München I betrat, um im Prozess gegen Ex-Geschäftsführer Oliver Müller auf der Seite des Angeklagten Platz zu nehmen, wirkte er müde. Kein Vergleich zu seinem energischen Start bei 1860, der im Sommer noch von Euphorie geprägt war – ausgelöst durch einen starken Transfersommer. Vier Monate später sind die Lions wieder im fast alljährlichen Herbstblues – und mit ihnen Mang, der den Traditionsverein eigentlich neu ausrichten wollte.

Doch auch er erkennt nun, dass die Belastungen des Jahres 1860 zu groß sind, als dass er einen unbeschwerten Neuanfang erleben könnte. Und Mang hat sich auch ein altes Muster zu eigen gemacht, von dem sich der Verein offenbar nie lösen kann: Dass man sich immer wieder vor Gericht trifft oder sich mit Anwälten auseinandersetzen muss, hilft nicht dem TSV 1860 – sondern nur den Anwaltskanzleien. Von diesen langfristigen Unterschieden profitiert im Grunde nur eine Seite: die Anwälte. Solange die Lions dieses wenig hilfreiche Image, das aktuelle Sponsoren immer wieder verärgert, nicht abschütteln, wird sich an der Misere kaum etwas ändern.

Pikant: Sowohl die Verpflichtung von Oliver Müller als auch die Berufung von Dr. Christian Werner zum Sportdirektor war ursprünglich ein kostspieliger Alleingang des e.V. – jeweils gegen den Willen von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik. Dass beide Personalentscheidungen schon nach kurzer Zeit wieder Geschichte sind, ist typisch für die Sechzigerjahre der Neuzeit – und zeigt einmal mehr die mangelnde Weitsicht jener Funktionäre, deren Fehler die ohnehin schon leeren Kassen letztlich noch zusätzlich belasten.

Die Fälle sind unterschiedlich zu bewerten: Müller, Mitinitiator von „The New Bite of the Lion“, soll das Unternehmen mit dem fehlenden Stallgeruch und umstrittenen Entscheidungen ins Wanken gebracht haben – der Aufsichtsrat will Ansprüche in Höhe von rund 400.000 Euro geltend machen. Werner hingegen wurde erst vor wenigen Wochen beurlaubt. Bemerkenswert: Seine Vertragsverlängerung war eine gemeinsame Entscheidung beider Gesellschafter. Was genau ihm vorgeworfen wird, ist noch unklar. Fakt ist: Die Hessen haben ein Arbeitspapier bis 2027 – inklusive Option. Das riecht auch nach einer weiteren teuren Angelegenheit.

Überraschend: Bisher ist von der angekündigten Neuordnung der KGaA-Strukturen kaum etwas zu spüren. Jugendchef Manfred Paula besetzt weiterhin mehrere Rollen: Interims-Geschäftsführer, Interims-Sportdirektor und NLZ-Leiter in Personalunion. Und der dringend benötigte Finanzprofi? Keiner – obwohl die Sixzgers ihn im Moment wahrscheinlich am meisten brauchen.

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