Innenminister Dobrindt pocht auf einen harten Migrationskurs. Er will die Umsetzung der EU-Asylreform nutzen, um mehr Haftmöglichkeiten – auch für Kinder – einzuführen. Die Opposition kritisiert dies. Die SPD zappelt.
Die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser sitzt in einer der hinteren Reihen ihrer Fraktion. In der Debatte um die deutsche Umsetzung der Europäischen Asylrechtsreform (GEAS) wird sie nicht sprechen. In ihrer Partei sind inzwischen andere für die Migrationspolitik zuständig.
Noch vor wenigen Monaten war das anders. Faeser war Bundesinnenminister der Ampel-Koalition. In dieser Funktion vertrat sie Deutschland bei den Verhandlungen zur Asylrechtsreform auf europäischer Ebene. Sie wollte es so schnell wie möglich in deutsches Recht umsetzen. Aber Faeser scheiterte. Nach der Ampelpause blieben ihre Gesetzesentwürfe im Bundestag.
Ampel ist aufgrund der Umsetzung ausgefallen
Nun bleiben nur noch gut sechs Monate bis zur Umsetzung – und die Verantwortung dafür liegt nun beim neuen Innenminister Alexander Dobrindt. Er ließ es sich nicht nehmen, die Gesetzesentwürfe seines Vorgängers mit eigenen Ideen zu bereichern. Der CSU-Politiker selbst würde es wohl als „schärfer und strenger“ bezeichnen.
„Mehr Härte und mehr Schärfe“ – das ist der Slogan, den Dobrindt derzeit in keiner Rede zur Migrationspolitik verwendet. Kürzlich wurde die vierfache Alliteration „Kontrolle, Kurs und klare Kante“ hinzugefügt.
Sekundäre Migrationszentren geplant
In diesem Sinne schlägt Dobrindt sogenannte sekundäre Migrationszentren für Asylbewerber vor, die entweder bereits in einem anderen EU-Land Schutz erhalten haben oder für deren Asylverfahren Deutschland nicht verantwortlich ist. Die Betroffenen sollen dann in diesen Zentren leben müssen und sie nicht ohne Weiteres verlassen dürfen.
Die genauen Voraussetzungen dieser „Wohnsitzpflicht“ sind im Gesetzentwurf in langen Absätzen und mehrzeiligen Sätzen fein ausgearbeitet. Da stellt sich die Frage, ob der neue Minister für Staatsmodernisierung der CDU, Karsten Wildberger, nicht vielleicht zunächst das deutsche Asylrecht als Modellprojekt für eine bessere Gesetzgebung betrachten sollte.
Die Länder müssen es umsetzen
Zurück zu den neuen Freiheitseinschränkungen – wie sinnvoll sind Dobrindts Vorschläge? „Das sind alles Einschränkungen, die jetzt schon möglich wären“, sagt Constantin Hruschka, Migrationsrechtsexperte an der Evangelischen Hochschule Freiburg. „Nur das Etikett wurde geändert. Das schafft Aufmerksamkeit.“ Die Frage wird sein, ob es Bundesländer gibt, die solche Zentren einrichten wollen.
Ähnliches hatte sich Faeser bereits überlegt: Die Bundesländer sollten besondere Einrichtungen für Schutzsuchende schaffen, die nach den Dublin-Regeln ihr Asylverfahren in einem anderen Land durchführen müssen. Bisher haben nur Hamburg und Brandenburg diese sogenannten Dublin-Zentren eingerichtet.
Diese Zurückhaltung spiegelt sich auch in der Arbeit am Gesetzesentwurf wider. Im Zuge der regierungsinternen Abstimmung wurde der Text an dieser Stelle abgeschwächt: „Die Länder sollten“ sekundäre Migrationszentren einrichten wurde zu „Die Länder können“ dies tun.
„De-facto“-Inhaftierung?
Kritik an den geplanten neuen Zentren kommt nicht nur von den Grünen und der Linkspartei, sondern auch vom Koalitionspartner SPD. Ob Integrationsstaatsministerin Natalie Pawlik oder die Abgeordneten – alle SPD-Vertreter, die bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag sprechen, machen deutlich: Wir wollen noch einmal darüber reden, darüber wurde noch nicht gesprochen.
„De facto handelt es sich um eine Inhaftierung, die in diesen Zentren durchgeführt werden sollte“, urteilt Migrationsanwalt Hruschka. „Wenn Menschen die Zentren nicht verlassen können, ohne sich abzumelden, ohne dass ihr Asylverfahren dadurch beendet wird, dann handelt es sich faktisch um Inhaftierung.“ Das wird dann davon abhängen, wie die Länder das Ganze gestalten.
Inhaftierung von Kindern
Umstritten ist in der Debatte auch, dass auch die Möglichkeit geschaffen werden soll, Kinder inhaftieren zu lassen. Laut Hruschka ist die Inhaftierung asylsuchender Kinder völkerrechtlich problematisch und in Deutschland noch nicht praktiziert.
Dazu gehört auch, dass die Länder dafür besondere Einrichtungen schaffen müssen. „Darüber werden sich die Gerichte noch Sorgen machen. Sie sind ohne Notwendigkeit ein hohes rechtliches Risiko eingegangen.“
Migrationstreffen in München
Während Dobrindts Koalitionspartner versuchen will, den Vorschlägen im parlamentarischen Verfahren einen Teil der Schärfe zu nehmen, bleibt der Innenminister bei seinem Kurs. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate lud er am vergangenen Samstag ausgewählte europäische Amtskollegen nach Bayern ein – um darüber zu diskutieren, wie das Asylrecht weiter verschärft werden kann.
Das Ergebnis ist eine Liste mit Vorschlägen. Vieles davon ist nicht neu. Einen Teil davon stellten Dobrindt und seine Kollegen nach ihrem Treffen auf der Zugspitze im Sommer vor. Einen weiteren Teil hat die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für eine neue Rückführungsverordnung vorgelegt.
Unbefristete Freiheitsstrafe für zur Ausreise verpflichtet Täter?
Dabei geht es auch um die Idee, ausreisepflichtige Kriminelle und gefährliche Personen auf unbestimmte Zeit festzuhalten. Migrationsanwalt Hruschka hält das für illegal. „Das ist ein Wunschtraum des Innenministers.“ Die Abschiebungshaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, wie dies für die Rückführung unbedingt erforderlich ist und eine Rückführung kurzfristig realistisch erscheint.
Die EU-Rückführungsverordnung ist noch nicht in Kraft. Das Europäische Parlament muss zustimmen und könnte den Entwurf der Kommission auch ändern.