„Ich torpediere nicht“
Pistorius entgegnet Röttgens Vorwurf des Chaos im Wehrpflichtstreit
15. Oktober 2025, 6:55 Uhr
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Union und SPD können sich nicht auf einen Entwurf zur Wehrpflicht einigen, bevor das Gesetz in den Bundestag geht. Die Giftpfeile fliegen dann. CDU-Außenexperte Röttgen nennt Verteidigungsminister Pistorius „destruktiv“. Das lässt er nicht locker.
Nach dem vorläufigen Scheitern eines Kompromisses für eine neue Wehrpflicht herrscht in der Union massive Unzufriedenheit mit Verteidigungsminister Boris Pistorius. „Ich habe in meiner über 30-jährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag noch nie erlebt, dass ein Bundesminister ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren in seinem Zuständigkeitsbereich frontal torpediert und seine eigene Fraktion ins Chaos stürzt“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Norbert Röttgen der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ).
Röttgen hatte den Kompromiss gemeinsam mit den SPD-Abgeordneten Siemtje Möller und Falko Droßmann sowie dem CSU-Abgeordneten Thomas Erndl ausgehandelt, auch die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn und Matthias Miersch unterstützten die Einigung. Doch insbesondere der Plan, junge Männer für eine Einberufung zu rekrutieren und gegebenenfalls per Los zu bestimmen, wer Wehrpflicht leisten müsste, wenn es nicht genügend Freiwillige gäbe, stieß in der SPD auf großen Widerstand. Pistorius betonte das Prinzip der Freiwilligkeit. Gleichzeitig wollte er jedoch, dass alle jungen Männer – bis zu 300.000 pro Jahr – präventiv eingezogen werden, um im Falle einer Spannungs- oder Verteidigungssituation mit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht ein genaues Bild über die Eignung der Wehrpflichtigen zu erhalten und die Gefahr rechtlicher Probleme zu verringern.
Röttgen warf Pistorius ein „destruktives“ Verhalten in den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ vor. „Die SPD muss sich jetzt sortieren“, fügte der Unionspolitiker hinzu.
Verteidigungsminister Pistorius verteidigte sich gegen die von der Union gegen ihn erhobenen Vorwürfe. „Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv“, sagte der Sozialdemokrat dem „Tagesspiegel“ mit Blick auf Röttgens Äußerungen. „Ich habe einfach gewisse Schwierigkeiten damit, dass zwei wesentliche Teile meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor er überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht wurde.“
Pistorius kritisiert den Zeit- und Arbeitsverlust
Einerseits geht es nach eigenen Angaben von Pistorius um „umfassende Tests ab 2027, die im aktuellen Kompromiss nicht enthalten sind“. Andererseits gehe viel Zeit verloren, „wenn die Truppe sich noch einmal aktiv bei allen zufällig gezogenen jungen Männern bewerben muss.“ Er habe „diese Bedenken nicht erst heute geäußert“.
Entgegen den Erwartungen hatten sich Union und SPD im Streit um Wehrdienstpläne zuvor nicht einigen können. Eine für den späten Nachmittag geplante gemeinsame Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt. Es blieb unklar, ob die für Donnerstag geplante erste Lesung des Gesetzentwurfs erneut verschoben werden muss.
Die „Bild“-Zeitung berichtete, dass das Wehrdienstgesetz nun diese Woche von der Tagesordnung genommen werde. Das Parlament erklärte jedoch, es sei noch nicht entschieden. Eigentlich hätte der Gesetzentwurf letzte Woche in der ersten Runde im Bundestag eingebracht werden sollen.