Hannover. Stefan Leitl explodierte im Training: „Du solltest oben bleiben, nicht grätschen!“ zischte der Trainer. Seine Worte trafen Hyunju Lee, der Sei Muroya hart getroffen hatte. Man muss wissen: Die Profis von Hannover 96 tragen im Training fast nie Schienbeinschoner. Wer die „Tackling Kings“ Max Christiansen, Fabian Kunze oder Lee im Team hat, sollte sich schützen. Für Kunze gilt das Tackle-Verbot bei 96 allerdings nicht: Ballgewinne aus dem Sprung gehören zu den Spezialitäten des 26-Jährigen.
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Kunze zuckt mit Leopolds Ohr
Vor drei Jahren hat 96 Videoausschnitte zusammengestellt, als Kunze verpflichtet wurde: ein Medley seiner schönsten Fouls in Bielefeld. „Alles mit alten Leuten“, sagt er jetzt lächelnd. Nach seinem Siegtreffer gegen Schalke und dem ersten Auswärtssieg nahm sich Kunze Zeit für ein Gespräch mit Reportern. Es ist nicht seine Lieblingsdisziplin. Obwohl er auf seine trockene Art humorvoll sein kann.
Kurz zuvor hatte er im Fußball etwas erreicht, was ihm viele nicht zugetraut hätten. Kunze gewann den Tängel-Wettbewerb gegen Enzo Leopold. Beide standen sich gegenüber wie westliche Gangster im Duell. Kunze kaute Kaugummi, gewann und gab Leopold einen Ohrfeigen. Das tut immer ein bisschen weh. Das Wort Tängeln habe der gebürtige Bielefelder übrigens „noch nie gehört“, sagt er. Frei übersetzt bedeutet der hannoversche Begriff: Zweckloses Balljonglieren. Auch nicht die Kernkompetenz von Kunze.
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Fouls mit Bedacht
Für den 26-Jährigen geht es um den Aufstieg mit 96, die Zukunft, die Spielweise. Eines fällt auf: Vor zwei Jahren sah Kunze oft eine Karte. Und jetzt? Er kassierte nur zwei Gelbe, obwohl 96 die meisten Regelverstöße in der zweiten Liga verursachten. Kunze foult jetzt klug. Er sagt, dass unnötige gelbe Karten seinem Spiel nicht förderlich seien.
Das Original: Oliver Bierhoff erzielte 1996 das Golden Goal gegen Tschechien und machte Deutschland zum Europameister.
Quelle: imago images/Sven Simon
Die Kopie: Fabian Kunze jubelt nach seinem Siegtreffer gegen Schalke.
Quelle: IMAGO/Noah Wedel
Zuletzt erzielte Kunze ein Tor, den Siegtreffer gegen Schalke. Darüber freute er sich ebenso wie Oliver Bierhoff nach seinem Golden Goal bei der Europameisterschaft 1996 in England. Zumindest sah seine Feier so aus. „Ein Tor ist die Krönung von allem“, sagt Kunze, „aber ich feiere auch, wenn es mir gelingt, einen Ball zu klären oder wichtige Zweikämpfe zu gewinnen, was für mich in manchen Fällen die gleiche Bedeutung hat.“
Macht Lärm: Xavier Amaechi ist sichtlich überrascht von der plötzlichen Grätsche des 96-Profis Fabian Kunze (6).
Quelle: Getty Images
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Sein Wert für Hannover liegt im Ruf, der Kunze bei den Gegnern vorauseilt. „Ich bin wahrscheinlich ein böser Gegner“, gibt er zu. „Ich glaube nicht, dass es Spaß macht, gegen mich zu spielen. Mir macht das viel Spaß. Als ich jünger war, habe ich gerne einen Gegner gesucht und ihn zur Verzweiflung gebracht.“ Es ist nicht bekannt, welche Karriere er dadurch möglicherweise verhindert hat. Aber es hat seinem Weg nicht geschadet – und er kann mit seinem Ruf leben. „Manchmal“, gibt Kunze zu, sei er „etwas härter, aber nicht unfair.“
Sein Vertrag bei 96 läuft im Sommer aus. Und dann? Kunze lacht und antwortet routiniert auf die Frage: „Das macht mein Agent.“ Und weil sein Berater Marc Spanier derzeit nicht im Raum ist, verweist der Profi später: „Die Zeit ist viel zu früh.“
Kunze lässt alles auf sich zukommen: Gegner, den Kampf um den Aufstieg, das nächste Spiel und die berufliche Zukunft – alles, was er beeinflussen kann. Im DFB-Pokal kann er nichts mehr machen. Doch er muss sich die Sticheleien seines Zwillingsbruders Lukas gefallen lassen, der für Arminia Bielefeld spielt: Der 96-Sechser hatte ihn am Morgen vor dem Schalke-Spiel angeschrieben. Worum ging es? Er wollte es zunächst nicht verraten, kam aber später zu Wort: Lukas Kunze habe seinen Bruder an das DFB-Pokalspiel der Bielefelder gegen Union Berlin am Mittwochabend erinnert. Und dann fegte Bielefeld den Bundesligisten in Runde zwei aus dem Wettbewerb, genau wie sie in Runde eins Hannover 96 mit 2:0 besiegten. Was Fabian Kunze weh tut. Man kann es in seinem Gesicht sehen.
https://www.haz.de/sport/regional/mittelfeldspieler-von-hannover-96-gesteht-ich-bin-ein-ekliger-gegenspieler-7HND5G57OFHZTHJQ35LOCO7UOM.html