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Olaf Scholz gehört zu den Briefwählern bei der Landtagswahl in Brandenburg an diesem Sonntag. Normalerweise hätte er zu Fuß zum Wahllokal in seiner Heimatstadt Potsdam gehen können. Doch dass sich der Kanzler an diesem Sonntag auf den Weg macht, ist kein gewagtes Statement: Er wird beim Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen in New York sein, wenn um 18 Uhr mit der ersten Prognose die Balken für die Landesparteien nach oben – oder nach unten – schießen. In den USA ist es zwölf Uhr mittags – für Scholz High Noon.
Nach der für seine SPD desaströsen Europawahl im Juni (13,9 Prozent) sprach er zwar mit Genossen im Berliner Willy-Brandt-Haus, nicht aber mit Journalisten, die am Wahlabend dort waren. Auf die Bitte, das Ergebnis zu kommentieren, antwortete er mit einem „Nein“. Es sei nicht üblich, dass die Kanzlerin am Wahlabend spreche, hieß es. Das mache die Parteispitze. Sie versprach eine bessere Kommunikation. Dinge müssten klarer erklärt werden – auch von Scholz.
Auch nach Wahlen in Sachsen und Thüringen: Kein Kommentar der Kanzlerin
Nach den noch schlechteren Ergebnissen (einstellig) bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen vor drei Wochen war Scholz zwar wieder in der Parteizentrale, vermied es aber vorsichtshalber, den wartenden Journalisten über den Weg zu laufen. Von ihm kam an diesem Abend nichts, nicht einmal ein „Nein“. Die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil sagten erneut so etwas, die Partei – und auch Scholz – müsse besser erklären und kommunizieren. Beide erhöhten allerdings den Druck auf die Kanzlerin, sozialdemokratische Anliegen nun stärker in die Ampel-Regierung zu bringen.
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Das Tarifvertragsgesetz etwa. Doch das wurde erst vor wenigen Tagen vom FDP-geführten Finanzministerium blockiert. Esken legte sich mit Christian Lindners Partei an. Ankündigungen an Scholz gab es keine. Doch in der SPD brodelt es schon seit Wochen. Der Unmut über Scholz wächst. Bundesweit stagniert die Partei in Umfragen bei 15 Prozent. Um der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke in Brandenburg nicht zu schaden, wollte vor der Wahl in Berlin niemand Aufhebens machen.
Schafft es Woidke wieder an die Spitze? Wahlkampf in Brandenburg.
Quelle: IMAGO/Eberhard Thonfeld
Scholz dürfte froh sein, dass er am Sonntag nicht ins Willy-Brandt-Haus muss, sondern gemeinsam mit Namibia den Zukunftsgipfel mit 193 eingeladenen UN-Mitgliedsstaaten ausrichtet. Während es zuhause parteipolitische Reaktionen gibt, kann er sich auf der internationalen Bühne als Staatsmann präsentieren. Es gehe ihm, so die Interpretation, nicht nur um die Zukunft Brandenburgs, sondern um die Zukunft der gesamten Welt.
Der Vorteil für uns mitreisende Medienleute ist, dass wir die erste Gelegenheit nutzen können, Scholz um eine Einschätzung zu bitten. Aus Regierungskreisen hieß es vor der Abreise allerdings, Scholz werde sich bis Montag 16.30 Uhr nicht zur Wahl äußern. Am Sonntag sei er mit dem Zukunftsgipfel beschäftigt und außerdem äußert sich der Kanzler im Ausland generell nicht zu innenpolitischen Vorgängen. Merkwürdig ist nur, dass Scholz am Dienstag aus Kasachstan durchaus bereitwillig zu Merz‘ Kanzlerkandidatur Stellung nahm (siehe „Machtpoker“). Knapp 24 Stunden nach der Wahl kommt die Reaktion des Kanzlers also eher spät.
Woidke verzichtete im Wahlkampf auf Scholz‘ Unterstützung
Die Schwierigkeit für Scholz: Er hat bei der Landtagswahl persönlich nichts zu gewinnen – aber viel zu verlieren. Woidke hatte im Wahlkampf Unterstützung seines Parteikollegen höflich abgelehnt, weil er nicht in die Abwärtsspirale der Ampelkoalition hineingezogen werden wollte. Gewinnt er die Wahl, kann der Kanzler das kaum persönlich nehmen. Verliert Woidke, wird man Scholz wohl die Schuld für das schlechte Ergebnis seiner Regierung geben. Esken und Klingbeil wiederum sind mit Woidkes Strategie des Rückzugs, wenn die SPD nicht vor der AfD liegt, keineswegs glücklich – auch wenn er mit der SPD als zweitstärkster Kraft erneut eine Landesregierung bilden könnte.
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Die SPD-Bundesspitze wird am Wahlabend noch einmal einiges zu erklären haben. Der Unterschied wird sein, dass es bis zur regulären Bundestagswahl im September 2025 außer im März in Hamburg keine Landtagswahlen mehr geben wird. Und der Stadtstaat hat kaum Einfluss auf die Bundespolitik. Auf andere SPD-Wahlkämpfer wird ab Sonntagabend keine Rücksicht mehr genommen. So oder so wird der Wind in der SPD härter wehen. Auch gegen Scholz.
Kapitalradar
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Gewinnt Woidke, ist in der Partei wieder Ruhe eingekehrt. Verliert er, muss niemand mehr schweigen, wenn es ums große Ganze geht. Verbessern sich Scholz und die Umfragewerte der Partei nicht, ist auch der Kanzler nicht mehr davor gefeit, dass seine Kandidatur infrage gestellt wird und die Rufe nach einem Verteidigungsminister Boris Pistorius lauter werden.
Machtpoker
Friedrich Merz freut sich – hier bei der Vorstellung von Andreas Rödders Buch „Der verlorene Frieden“.
Quelle: IMAGO/Mauersberger
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Olaf Scholz und Friedrich Merz freuen sich im Bundestagswahlkampf richtig aufeinander. Das behaupten sie zumindest. Zwar steht der Kanzler von seiner SPD noch nicht als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 fest. Doch hatte er bereits im Mai bei einem RND-Talk gesagt, er würde sich freuen, wenn Merz sein Herausforderer wäre. Die Union hat sich nun für den CDU-Vorsitzenden entschieden, woraufhin Scholz bei einer Auslandsreise sogleich erklärte: „Ich sage schon lange: Ich freue mich, wenn Herr Merz Kanzlerkandidat der Union ist.“ Am Abend revanchierte sich Merz im Fernsehen und sagte, er freue sich ebenso: „Ich könnte mir parteipolitisch eigentlich keinen besseren Gegner als diesen Kanzler wünschen.“ Doch in der Politik gilt eine besondere Warnung: Wer seinen Gegner unterschätzt, hat schon verloren.
So sehen unsere Leser die Situation
An dieser Stelle erteilen wir Ihnen das Wort:
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Beate Schwind aus Wachtberg zur Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz:
„Nun hat die Union früher als erwartet und in relativer Einigkeit ihren Kanzlerkandidaten für die kommende Bundestagswahl vorgestellt. Am Montag sollen die Parteigremien dem Vorschlag für Friedrich Merz zustimmen. Dabei muss die Frage aufgeworfen werden, ob nicht der nach aktuellen Umfragen deutlich beliebtere bayerische Ministerpräsident Markus Söder (wie schon 2021) der aussichtsreichere Kandidat wäre. Merz steht nicht ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Er muss deshalb noch sehr hart an seinem Image arbeiten (zu kühl, oft unnahbar und arrogant), denn bei jungen Leuten und vor allem Frauen besteht großer Nachholbedarf.
Sollten die Sozialdemokraten ihren Spitzenkandidaten Olaf Scholz durch den beliebtesten Politiker Deutschlands, den derzeitigen Verteidigungsminister Boris Pistorius, ersetzen, dann sind die Chancen, dass die Union und Friedrich Merz die Macht übernehmen und unter ihrer Führung eine neue Regierung bilden, deutlich geringer, als die Verantwortlichen von CDU und CSU heute zu träumen wagen. Vor uns liegt ein spannender, langer und intensiver Wahlkampf.“
Gert Richter aus Hannover zur globalen Ausgabenkürzung im Bundeshaushalt 2025:
„Die zerfetzte Ampelkoalition streitet über 12 Milliarden Euro, trotz Steuereinnahmen von fast einer Billion Euro. Das ist mehr als lächerlich. In diesem Jahr zahlen die Steuerzahler 37 Milliarden Euro, um grün-rot-gelbe Schulden zurückzuzahlen. Die überproportionale Entwicklung der Sozialausgaben (Mütterrente, Bürgergeld, Grundrente, Elterngeld, Kindergeld, starke Familienbeihilfe, Tampons für Jugendliche) steht in keinem Verhältnis zur Produktivität des Landes. Unsere Wirtschaft bricht langsam zusammen, die Grünen wollen die Bundesrepublik wieder auf das Wirtschaftsniveau von 1978 transformieren. Und Journalisten schweigen. Gute Nacht, Deutschland.“
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Ein Blick in eine Bewerbungsmappe.
Quelle: picture alliance / dpa-tmn
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Das Autorenteam dieses Newsletters ist ab Dienstag wieder für Sie da. Mein Kollege Markus Decker wird dann berichten. Bis dahin!
Herzlich
Ihre Kristina Dunz
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