Minderheitsregierungen haben in den skandinavischen Ländern eine lange Tradition. Für den Umgang mit diesen gibt es ein etabliertes Verfahren. Allerdings unterscheiden sich nicht nur die institutionellen Anforderungen, sondern auch die Art und Weise, wie die Parteien miteinander interagieren, erheblich vom deutschen System.
In Deutschland waren Regierungen ohne Mehrheit im Bund bisher die Ausnahme, etwa nach dem Ampelbruch und vor der Wahl, es gab sie aber auf Dauer, aber bereits auf Landesebene. Ein solches Bündnis aus CDU und SPD regiert derzeit in Sachsen.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hält Minderheitsregierungen für ein realistisches Zukunftsszenario. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern ist dies auch kurzfristig denkbar. „Wir werden dann wohl in einer Situation sein, wo wir Minderheitsregierungen bilden müssen, wo wir nach Punkten suchen müssen und wo wir nach Mehrheiten suchen müssen. Das ist alles andere als eine schöne Geschichte“, sagte der CDU-Politiker am Samstag im Playbook-Podcast des Portals „Politico“.
Den Grund für den Erfolg der AfD sieht Rhein nicht nur in der CDU
Die derzeit hohen Umfragewerte der AfD – vor allem in den ostdeutschen Bundesländern – sind nicht nur der CDU zuzuschreiben: „Stellen Sie bitte auch den Sozialdemokraten und den Grünen die Frage: Was ist eigentlich mit Ihrer Politik los und warum führt Ihre Politik eigentlich dazu, dass wir mit Ihnen nicht mehr koalieren können, weil Sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden?“ Rhein fuhr fort.
In bundesweiten Umfragen liegt die teilweise als rechtsextremistisch eingestufte AfD mittlerweile bei 25 bis 27 Prozent und hat zur CDU/CSU aufgeschlossen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo im nächsten Jahr neue Landtage gewählt werden, ist die Partei mit Werten um rund 40 Prozent in Umfragen bereits mit Abstand stärkste Partei. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte zuletzt einen klaren Abgrenzungskurs gegenüber der AfD an, vom Konzept einer Firewall distanzierte sich der CDU-Chef allerdings.
Rhein sagte weiter, in einer schwarz-gelben Koalition aus CDU, CSU und FDP würde vieles schneller gehen, aber: „Wenn Sie für das Cannabisgesetz und das Identitätsgesetz sind, wenn Sie für eine schnellere Einbürgerung sind, dann sind Sie nicht mehr die FDP, mit der wir gerne eine Koalition bilden würden und die auch von den FDP-Wählern gewählt wird.“
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte die schwarz-rote Koalition gerade vor einer weiter schwindenden Zustimmung in der Bevölkerung gewarnt. „Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam. Im Moment verlieren wir gemeinsam, die Umfragen sind brutal“, sagte Spahn im Playbook-Podcast am Freitag. „Der Vertrauensverlust ist groß, die Erwartungen sind groß, die Skepsis ist groß.“ Union und SPD würden in dieser Legislatur entscheiden, „ob sie Volksparteien bleiben“. (lem)
