Nach der Aufregung um die geplante Verbrennung einer Curb-Puppe mit grünem Schriftzug in Mörfelden haben die Beteiligten endlich eine versöhnliche Lösung gefunden. Allerdings gibt ein Vorfall, bei dem die Puppe aufgehängt wurde, nun Anlass zur Sorge für die Staatssicherheit.
Am Dienstagabend verlief alles sehr zivilisiert. Am Ende der Kerbe in Mörfelden (Groß-Gerau) wurde traditionell der „Kerwebopp“ – eine Puppe, die früher am Kerbbaum baumelte – verbrannt. Die Figur trug neben einer Schere auch eine Mütze der veranstaltenden „Kerweborsche“.
Es wurden keine politischen Erklärungen abgegeben. Auch die Stimmung sei friedlich, hieß es am Mittwoch aus dem Büro von Oberbürgermeister Thomas Winkler (Grüne).
Bürgermeister wird ausgebuht
Am Montag stand der Rathauschef persönlich mit einer Farbdose in der Hand auf der Plattform eines Kranwagens und ließ sich – begleitet von Pfiffen, Jubelrufen und Beleidigungen – zur Puppe hochheben.
Der Grund für diese Aktion: Die „Kerweborsche“ hatte der Puppe ein T-Shirt mit der Aufschrift „Bündnis 90/Die Grünen“ angezogen. Bürgermeister Winkler wollte diesen Schriftzug vor der öffentlichen Verbrennung mit Farbe unkenntlich machen. Der Fall könnte dennoch bald vor Gericht landen.
Der Staatsschutz ermittelt
Ein in sozialen Netzwerken kursierendes Video zeigt, wie die Puppe aufgehängt wird – eine Person ruft: „Lasst sie hängen, die Penner“, womit offenbar die Grünen gemeint sind. Die Grünen haben deshalb Anzeige gegen Unbekannt erstattet; Die Person ist im Video zu hören, aber nicht zu sehen. Der Staatssicherheitsdienst hat eine Untersuchung eingeleitet.
Eine Debatte sei in Ordnung, sagt der Vorsitzende der Grünen-Fraktion in Mörfelden-Walldorf, Ioannis Karathanasis. Doch Gewaltaufrufe dürften nicht geduldet werden: „Wir konnten nicht schweigen“, sagte er dem hr. Die Grünen-Abgeordneten in Mörfelden waren besorgt, zumal die Hetze gegen die Grünen bundesweit zugenommen hatte.
Die Zahl der Angriffe auf Politiker nahm zu
Das Landeskriminalamt registrierte im vergangenen Jahr rund 200 Angriffe auf hessische Politiker. Das ist laut Personalforschung ein neuer Höchstwert und eine Verzehnfachung im Vergleich zu 2019. In den meisten Fällen handelte es sich um Beleidigungen, Nötigung und Drohungen; Am häufigsten traf es die Grünen (86 Mal), gefolgt von der AfD (44). Innenminister Roman Poseck bezeichnete die Entwicklung als „sehr gefährlich“.
Grüne: Erschreckend viel Verständnis
„Es ist schockierend, wie viel Verständnis unter jungen Leuten herrscht“, sagt Karathanasis über das Video, das zeigt, wie der Bürgermeister auf dem Kranwagen ausgebuht wird.
Bürgermeister Thomas Winkler (Grüne) steht auf einer Drehleiter und sprüht über den Schriftzug „Bündnis 90 die Grünen“
Die Kommentare zu dem Video auf Facebook seien „sehr unappetitlich“ gewesen. Man fordert, den Bürgermeister gegen die Puppe auszutauschen. Andere verweisen lediglich darauf, dass im kommenden März in Mörfelden-Walldorf Bürgermeisterwahlen stattfinden und diese demokratisch mit den Grünen gelöst werden können.
„Rechtsradikale Tendenzen gestärkt“
Oberbürgermeister Winkler hätte auch eingegriffen, wenn auf der Puppe die Aufschrift „CDU“ oder „SPD“ gestanden hätte, versicherte er dem HR auf Nachfrage. Ja, die Puppe dürfe traditionellerweise verbrannt werden – allerdings nicht mit einem Parteinamen, „sonst werden rechtsradikale Tendenzen verstärkt entstehen“.
„Diese Jungs müssen auch vor sich selbst geschützt werden; Sie denken nicht über ihr Handeln nach“, sagt Winkler. Mit Jungs meinen wir die „Kerweborsche“. „Das sind nicht meine Gegner“, ist sich der Bürgermeister sicher. Der Ton ist insgesamt rauer geworden.
Bürgermeister: Manche fühlen sich ausgeschlossen
In einer offiziellen Stellungnahme am Dienstag erwähnte Winkler auch die andere Seite: Es seien viele Menschen auf ihn zugekommen, die nicht mehr an den Bordstein gehen wollten und sich ausgeschlossen fühlten, berichtet er. „Bürger beklagten, dass ein Volksfest für politische Hetze missbraucht werde; viele zeigten sich schockiert und sahen in der Kerwe-Puppe einen Aufruf zum Verbrechen.“
Dies führte auch dazu, dass er die Aktion des Torschützen als „nicht nur sportlich“ ansah. „Im aktuellen politischen Klima kann man Hassreden gegen Parteien nicht tolerieren“, schreibt Winkler.
Linke verurteilt Aktion als „Gewaltverherrlichung“
Die Linke im Kreis Groß-Gerau verurteilte die Aktion am Dienstagabend. In einer Erklärung bezeichnete sie das Verbrennen der Puppe als „Verherrlichung von Gewalt“. Berechtigte Kritik wird hier weit übertroffen. Wir begrüßen das Sprühen der Inschrift durch Bürgermeister Winkler.
Bezirksvorsitzende Christiane Böhm bezeichnete den Vorfall als „erschreckend und geschichtsvergessen“. Der Kreis- und Ortsverband solidarisiert sich mit den Grünen und fordert die Kerweborsche auf, sich deutlich von der Kampagne zu distanzieren.
Der Verein distanziert sich von dem Slogan
Der Vorsitzende des Vereins Merfeller Kerweborsch, Denis Leistner, ist mit dem Ausgang der ganzen Sache unzufrieden, wie er dem hr am Dienstag sagte. Er erhält viele Nachrichten von Grünen-Anhängern und ist auch in Gesprächen mit Stadtvertretern wie dem Bürgermeister.
Es sei schon immer so gewesen, dass die Kerbeburschen-Puppen mitunter Politiker und Prominente wie Angela Merkel oder Thomas Gottschalk zeigten, sagt Leistner, und der Verein lasse den Verantwortlichen freie Hand. Und am Ende der Partitur wurde die Puppe dann vom Baumstamm genommen und feierlich verbrannt.
Von Sprüchen wie „Die sollen hängen, die Penner“ distanziert sich der Verein. „Es war keiner von uns“, sagte Leistner.
Es wurde ein einvernehmliches Ende gefunden
Probleme wollte der Verein schon im Vorfeld verhindern, etwa sollte der DJ nicht das Lied „L’amours toujours“ spielen, was zuletzt immer wieder zu rassistischen und rechtsextremen Ausschreitungen und Ermittlungen des Staatssicherheitsdienstes geführt hatte. Doch die aktuelle Situation war nicht zu erwarten.
Die letztlich gefundene Lösung mit Kappe und Schere des eigenen Vereins solle den Spielstand zu einem guten Ende bringen, hoffte Leistner im Vorfeld der Verbrennung. Bei der Stadt kam es offenbar gut an: „Sie haben die Kritik und Bedenken zur Kenntnis genommen und umgesetzt“, sagte ein Sprecher am Mittwoch.