
Herumlungernde Munition oder Angriffsdrohnen sind in den letzten Jahren zu einem elementaren Bestandteil der modernen Kriegsführung geworden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bundeswehr in solche Systeme investieren will. Ging es ursprünglich darum, mit der Vergabe größerer Aufträge den Abschluss intensiver Tests durch die militärtechnischen Abteilungen und die Truppe abzuwarten, soll nun offenbar alles anders sein.
hartpunkt berichtete am 23. September, dass das Verteidigungsministerium im Rahmen des Projekts „Erstqualifizierung eines KI-optimierten Aufklärungs- und Wirksamkeitsnetzwerks für die Landes- und Bündnisverteidigung“ drei deutsche Hersteller mit der Lieferung von Angriffsdrohnen beauftragen möchte. Neben den beiden Technologie-Start-ups Helsing und STARK, die Anfang des Jahres mit der Lieferung von Systemen für Testzwecke beauftragt wurden, soll Rheinmetall nun offenbar auch Angriffsdrohnen an die Bundeswehr liefern. Dabei soll es sich um Angriffsdrohnen vom Typ FV-014 handeln, die im Rahmen der Waffenmesse DSEI 2025 in London erstmals öffentlich gezeigt wurden und ebenso wie die HX-2 von Helsing und Virtus von STARK eine Einsatzreichweite von rund 100 km haben sollen.


Ein vorgestern erschienener Bericht der Financial Times bestätigt unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Kreise die Beschaffungsabsicht der Bundeswehr. Wie die Zeitung schreibt, erhalten die drei Unternehmen jeweils 300 Millionen Euro, um insgesamt rund 12.000 Angriffsdrohnen an die Bundeswehr zu liefern, die für den Einsatz in der 45. Panzerbrigade in Litauen vorgesehen sind. Allerdings wird wohl nur ein Teil der Drohnen von vornherein bestellt werden.


Nach hartpunkt vorliegenden Informationen sollen aus den drei Verträgen in einem ersten Anlauf rund 10.000 Einsatzdrohnen abgerufen werden. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass bei einem vergleichbaren Auftragsvolumen voraussichtlich allein Helsing etwa die Hälfte der Systeme liefern wird, während Rheinmetall und STARK die andere Hälfte bereitstellen, wobei das Lieferverhältnis zwischen Rheinmetall und STARK eher zugunsten von STARK ausfällt. Dies lässt den Schluss zu, dass die Stückkosten der Helsing-Drohnen in dieser konkreten Vertragskonstellation im Dreiervergleich am niedrigsten sind, während die Rheinmetall-Systeme am teuersten wären. Rückschlüsse auf mögliche Unterschiede hinsichtlich der Systemreife, der Eignung für bestimmte Einsatzprofile oder der allgemeinen Leistung der Systeme hinsichtlich Flug- und Durchdringungsleistung lassen sich aus diesen Informationen jedoch nicht ziehen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass an der kürzlich abgeschlossenen Versuchsreihe „Land 2025“ der Bundeswehr nur Helsing und STARK teilnahmen und über die gesamte Dauer der Versuchsreihe nur Helsings Drohne HX-2 teilnahm. Im Rahmen der „Land Experimental Series“ hat das Heer die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit Herstellern, Universitäten und Forschungsinstituten einzelne marktverfügbare Technologien oder Produkte außerhalb der regulären Beschaffungskanäle unter realistischen Bedingungen zu testen. Den Unternehmen steht es frei, an der gesamten Versuchsreihe, nur in Teilen oder gar nicht teilzunehmen. Beobachter gehen davon aus, dass die Durchführung solcher Übungen keine abschließenden Rückschlüsse auf die Leistung einzelner Produkte zulässt, wenn man nicht genau weiß, welche Geräteversionen für die Tests verwendet werden.
Die in den Angriffsdrohnen eingesetzte Technologie unterliegt sehr kurzen Entwicklungszyklen, sodass ständig Änderungen an Hard- und Softwareversionen vorgenommen werden, um neueste Erkenntnisse der Drohnenkriegsführung in die Entwicklung der Systeme einfließen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass die Leistung der Systeme im Laufe der Zeit Schwankungen unterliegt.
Diese Leistungsschwankungen, die Berichten zufolge auch bei der Leistung der HF-1-Strike-Drohne von Helsing und verschiedener Aufklärungsdrohnen im Kriegseinsatz in der Ukraine über die Dauer des Einsatzes beobachtet wurden, könnten nach Ansicht von Sachbeobachtern auch Ursache für die nun geplante Vergabe an das Firmentrio sein. Die ursprüngliche Beschaffungsabsicht der Bundeswehr im Bereich Herumlungermunition war eine völlig andere.
Geschichte der Beschaffung von Angriffsdrohnen
Als die Bundeswehr Anfang April ankündigte, zwei unterschiedliche Streumunitionssysteme zu Testzwecken in der Truppe anzuschaffen, war ursprünglich geplant, die angeschafften Angriffsdrohnen bis Ende des Jahres auf Herz und Nieren zu testen und dann eine fundierte Beschaffungsentscheidung für die neue Waffenkategorie für die Bundeswehr zu treffen. Mittlerweile steht fest, dass es sich bei den beiden Systemen um das HX-2 von Helsing und das Virtus von STARK handelt. Beide Hersteller sollen knapp unter der 25-Millionen-Grenze Aufträge zur Lieferung von Systemen und Teilkomponenten an die Bundeswehr zu Qualifizierungs- und Testzwecken erhalten haben.
Auch die geplante Herumlungermunitionsbeschaffungsstrategie der Bundeswehr wurde auf der Bundespressekonferenz am 4. April kurz öffentlich thematisiert. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte damals, die Anzahl der Einheiten sei so groß, dass sie bei der Erprobung „flächendeckend“ in der Truppe eingesetzt werden könnten. „Das wird integriert und geprüft, und dann werden daraus Schlussfolgerungen gezogen, und zwar Schlussfolgerungen aus den Fragen: Können die Systeme das leisten, was wir brauchen? Wie können sie integriert werden? Was muss im Bereich der Konzeption noch berücksichtigt werden?“, erklärte der Sprecher. Er wies auch darauf hin, dass im Anschluss an die Truppentests darüber entschieden werden müsse, inwieweit die getestete Streumunition in größerer Zahl „und vielleicht auch in anderen Systemen“ eingesetzt werde.
Um den engen Zeitrahmen im Zusammenhang mit der bisher für die Bundeswehr unbekannten Technologiekombination, die die Eigenschaften von Drohnen und Munition in einem System vereint, einhalten zu können, wurden die beteiligten Wehrtechnischen Abteilungen angewiesen, vorrangig die Angriffsdrohnentechnologie – darunter unter anderem den Gefechtskopf – zu testen.
Berichten zufolge haben alle Beteiligten in den letzten Monaten hart und sehr konzentriert gearbeitet, um den engen Zeitplan einhalten zu können. Sie haben wohl nicht davor zurückgeschreckt, Pionierarbeit zu leisten und unkonventionelle Wege einzuschlagen.
Richtungswechsel im Einkauf
Wie bereits zu Beginn des Artikels erwähnt, dürfte zwischenzeitlich eine andere Entscheidung getroffen worden sein, die nun die Beschaffung von Systemen vorsieht, ohne dass ein vorheriger Nachweis der Einsatzfähigkeit und Truppentauglichkeit erforderlich ist. Dies wird durch die Aussage eines Sprechers des Verteidigungsministeriums untermauert, dass neben den beiden an STARK und Helsing vergebenen Angriffsdrohnenaufträgen keine weiteren Verträge zur Beschaffung von Loitering-Munition abgeschlossen wurden, wie hartpunkt am 23. September berichtete.
Beobachter des Themas gehen davon aus, dass die Änderung der Beschaffungsstrategie mit einer möglichen Risikominimierung verbunden sein könnte. Es kann nicht garantiert werden, dass leistungsstarke Systeme oder Hersteller von heute auch morgen den Herausforderungen der Drohnenkriegsführung gewachsen sind. Es gibt durchaus Beispiele aus dem Ukraine-Krieg von Systemen, die im Zeitverlauf besser und mal schlechter mit den Anforderungen des jeweiligen Schlachtfeldes zurechtkommen. Gleichzeitig gibt es auch Unterschiede in der Anpassungsgeschwindigkeit zwischen einzelnen Unternehmen.
Durch die Vergabe von drei parallelen Aufträgen könnte man das mögliche Ausfallrisiko begrenzen oder, je nachdem, wie man es betrachten möchte, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass mindestens eines der Systeme betriebsbereit ist. Die Tatsache, dass der Preis nur an deutsche Unternehmen geht, sichert auch die technologische Souveränität der wichtigen Waffensysteme.
Dennoch müsste das Verteidigungsministerium einen Weg finden, sowohl Kosten- als auch Innovationsfähigkeitsaspekte der beteiligten Hersteller vertraglich zu honorieren. In den USA beispielsweise kommt es nicht selten vor, dass mit Herstellern aufwendige Rahmenverträge abgeschlossen werden, aus denen flexibel zugegriffen werden kann. Wenn ein Produkt im militärischen Alltag nicht durchgängig überzeugt, wird es nicht mehr beschafft. Hersteller, die die Rahmenverträge voll ausnutzen wollen, müssen daher sicherstellen, dass ihre Systeme dauerhaft „kriegstauglich“ sind. Allerdings müsste so etwas dann durch spezifische Innovationsklauseln in den Verträgen abgesichert werden, die ständige Hardware- und Softwareanpassungen ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist das niederländische Kampfbekleidungsprojekt DOKS, das keinem sogenannten Design-Freeze unterliegt und daher Anpassungen bei der Auslieferung zulässt. Um eventuell entstehende Mehrkosten abfedern zu können, wurde im Projekt von Anfang an eine gewisse Budgetreserve vorgesehen, mit der die kontinuierliche Modernisierung finanziert werden kann.
Der Abschluss mehrerer solcher Rahmenverträge würde einerseits den Innovationswettbewerb zwischen Unternehmen sicherstellen und andererseits die Versorgungssicherheit der Streitkräfte mit den erforderlichen Systemen gewährleisten.
Waldemar Geiger
 
			 
					