„Mit Hello Kitty können Erwachsene Seiten zeigen, die sie in manchen Bereichen ihres Lebens nicht sehen dürfen“, erklärt die Anthropologin Christine Yano, Autorin des Buches „Pink Globalization“, das Phänomen.
Durch das abstrakte, schlichte Design entsteht ein „reines Produkt“, sagt Yano. Einige Feministinnen störten sich am Fehlen eines Mundes und sagten, dies symbolisiere Unmündigkeit. Doch gerade dieses Manko macht es dem Betrachter leicht, seine Gefühlslage auf das ausdruckslose Gesicht zu projizieren.
Kitty ist japanisch genug, um im Rest der Welt exotisch zu sein, aber neutral genug, um in jeder Kultur Anklang zu finden. So wurde die süße Katze zur Kitschkönigin der Welt. Das Fan-Sortiment umfasst Zehntausende Artikel in 130 Ländern, seien es Zahnbürsten, T-Shirts, Bettwäsche, Elektrogeräte oder Smartphone-Hüllen. Ständig kommen neue Produkte auf den Markt, da die ausländischen Lizenznehmer der japanischen Marke große Gestaltungsfreiheit haben. Bis heute hat Sanrio damit einen weltweiten Umsatz von 80 Milliarden US-Dollar erzielt.
Geboren auf einer Handtasche
Die Firmendesignerin Yuko Shimizu erfand 1974 Hello Kitty und wandte es erstmals auf eine transparente Kinderhandtasche an. Das Design erinnert an das Aussehen der glücklichen Winkekatze in Ostasien. Aber Shimizu sagt, die Inspiration kam aus ihrer Kindheit, als ihr Vater ihr zum Geburtstag ein kleines weißes Kätzchen schenkte.
Nach dem ersten Verkaufserfolg brachte Sanrio in Japan immer mehr Hello-Kitty-Artikel auf den Markt und erstellte eine eigene Biografie für die Figur für die Expansion ins Ausland. Kitty White, so ihr voller Name, wurde am 1. November 1974 in Südengland geboren und lebt mit ihren Eltern und ihrer Zwillingsschwester Minny White in einem Londoner Vorort. Der Legende nach wiegt sie so viel wie drei Äpfel, ist so groß wie fünf Äpfel und liebt – Überraschung – Apfelkuchen! Die Verbindung zu London geht auf die Zeit ihrer Geburt zurück. In den 1970er Jahren begeisterten sich Mädchen und junge Frauen in Japan für alles, was mit Englisch zu tun hat.
Aber meine Güte, die heimliche Mutter aller Katzeninhalte im Internet ist überhaupt keine Katze. Diese schockierende Information kam anlässlich des 40-jährigen Jubiläums ans Licht, als die Forscherin Yano in Los Angeles eine Hello Kitty-Retrospektive kuratierte, und wurde von Sanrio in einem entscheidenden Punkt korrigiert: „Ihrer Meinung nach ist Hello Kitty ein kleines Mädchen, eine Freundin, eine“ Zeichentrickfigur, aber keine Katze“, berichtete Yano damals. „Sie wird auch nie auf allen Vieren gezeigt und sie geht und sitzt wie ein zweibeiniges Wesen.“ Ja, dieser Drittklässler lebt ironischerweise mit einer Katze namens Charmmy Kitty zusammen!
Bisher sind die meisten Fans einfach dem Kawaii-Charme der supersüßen Figur verfallen und scheren sich nicht um die realen Lebensumstände. Das könnte sich bald ändern: Sanrio kündigt auf seiner Website zum 50. Geburtstag ein Filmprojekt mit Hello Kitty an.
http://www.taz.de/Hello-Kitty-wird-50/!6042918/