![Heikler Erstflug zu Silvester: Tupolew riskiert bei der Tu-144 alles Heikler Erstflug zu Silvester: Tupolew riskiert bei der Tu-144 alles](https://bwabtk.com/wp-content/uploads/2025/01/image-169FullWidth-c1e93beb-2068455.jpg)
Die Anspannung stieg: Triebwerksläufe, Rollversuche und Überprüfungen am Boden hatten sich einen Monat lang hingezogen. Am 20. Dezember 1968 war es dann so weit: Die Tupolew Tu-144 stand zum Start in Shukowski bereit. Aber das Wetter machte den Offiziellen mit Nebel und einer tiefen Wolkenbasis einen Strich durch die Rechnung. Trotzdem musste der Erstflug einfach vor dem der Concorde stattfinden, eine Frage des nationalen Prestiges. In ihrer Verzweiflung befahlen die Vertreter des sowjetischen Luftfahrtministeriums einer Sonderabteilung von Aeroflot, den Himmel mit über dem Testzentrum mit Spezialmitteln freizumachen.
Qualvolles Warten
Das Vorgehen zeigte Wirkung, und die Tu-144 erhielt grünes Licht. Aber noch während der Prototyp in Richtung Startbahn geschleppt wurde, senkte sich der Nebel wieder, mit Sichtweiten unter 20 Metern: Start ausgeschlossen. So ging es Tag für Tag weiter. Die Mannschaften kamen frühmorgens nach Shukowski , hofften auf Wetterbesserung, und mussten dann doch wieder unverrichteter Dinge abziehen. Erst am Morgen des Silvestertags ließ sich die Sonne blicken, wenn auch nur kurz. Frustriert von der erneuten Wetterverschlechterung fuhr der zuständige Minister Piotr Dementjew zurück nach Moskau, angeblich mit den Worten „es liegt an Ihnen, zu entscheiden“. Dies ließ sich Andrej Tupolew nicht zweimal sagen.
Tupolew
Bei den ersten Testflügen begleitete die MiG-21I „Analog“ den Prototyp der Tu-144.
Riskante Entscheidung
Als sich die Sonne wieder durch den Wolkenhimmel gekämpft hatte, gab er sofort die Anweisung zum Start. Im Cockpit warteten die Piloten Eduard Jeljan und Michail Koslow sowie die Ingenieure Juri Seliwerstow und W. Benderow sehnlichst auf die Startfreigabe. Schließlich gab Kommandant Jeljan vollen Schub, und 25 Sekunden später hob der Jet ab. Die Sowjetunion hatte wieder ein Wettrennen in der Luft- und Raumfahrt gegen den Westen gewonnen.
Nach dem erfolgreichen Erstflug war die Erleichterung nicht nur bei Vater und Sohn Tupolew (Bildmitte) groß. Zweiter von links ist Kommandant Jeljan.
Wenig Sicht vor der Landung
Nun musste der Überschall-Airliner nur noch sicher wieder landen. In der Luft begleiteten ihn die im Vorfeld mit der Tragflächenform der Tu-144 ausgestattete Mikojan MiG-21I („Analog“) und eine Tu-124. Der 37-minütige Flug, bei dem das Fahrwerk ausgefahren blieb, verlief ohne Probleme. Nur die Landung erschien wesentlich schwieriger als erhofft. Die Sichtbedingungen hatten sich mittlerweile drastisch verschlechtert, besserten sich aber im richtigen Moment. Die Tu-144 setzte wieder sicher auf der Piste auf, das Wagnis war geglückt. Im Nachhinein hätten sich die Sowjets noch Zeit lassen können, denn die Concorde sollte erst am 2. März 1969 zu ihrem Jungfernflug abheben.
Unrühmliches Ende
Trotz des Erfolges zeigte sich die Notwendigkeit vieler Modifikationen in den Bereichen Antrieb, Struktur und Aerodynamik. Daher unterschied sich der „Flugzeug 044“ genannte Prototyp deutlich von den folgenden Maschinen und blieb ein Einzelstück. Die SSSR-68001 erreichte im Juni 1969 zum ersten Mal Überschallgeschwindigkeit und kam 1971 zur Luftfahrtmesse nach Le Bourget.
Am 27. April 1973 erfolgte ihre Außerdienststellung. Sie hatte mehr als 120 Flüge und 180 Flugstunden, davon knapp 50 mit Überschall, absolviert. Leider blieb ihr der verdiente Platz in einem Museum versagt. Sie wurde schließlich in Shukowski verschrottet. Vielleicht ein Omen für die folgende, wenig erfolgreiche Karriere des Concorde-Rivalen.