Das Thema Abtreibung spielt im US-Wahlkampf ohnehin eine große Rolle – nun kam der Fall einer Frau ans Licht, die wegen strenger Regeln angeblich zu spät Hilfe bekam und starb. Harris kritisierte die Republikaner in zwei Auftritten scharf.
Knapp sieben Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl hat Vizepräsidentin und demokratische Kandidatin Kamala Harris ihren republikanischen Konkurrenten Donald Trump und dessen Partei erneut wegen ihrer restriktiven Abtreibungspolitik scharf angegriffen. „Diese Heuchler wollen jetzt darüber reden, wie dies im besten Interesse von Frauen und Kindern sei“, sagte Harris bei einer Wahlkampfkundgebung in Atlanta im Bundesstaat Georgia, wo strenge Abtreibungsgesetze gelten. „Wie können sie es wagen?“
Jede dritte Frau in den USA lebe in einem Bundesstaat mit „Trumps Abtreibungsverbot“, so Harris weiter. Mindestens zwei Frauen seien deswegen gestorben – und das allein in Georgia.
Harris griff das Thema später bei einer Kundgebung in der liberalen Stadt Madison im Swing State Wisconsin auf und nannte das Abtreibungsverbot „unmoralisch“. „Dies ist eine Gesundheitskrise, und Donald Trump ist der Architekt“, sagte sie.
28-Jähriger bekam zu spät Hilfe
Konkret erwähnte Harris in beiden Reden den Fall der 28-jährigen Amber Nicole Thurman. Im August 2022 erhielt sie einem Bericht zufolge aufgrund der Rechtslage in Georgia nach Komplikationen durch Abtreibungspillen zu spät medizinische Hilfe und starb. Der Rechercheplattform Propublica zufolge handelte es sich dabei um den ersten abtreibungsbedingten Todesfall in den USA, der offiziell als „vermeidbar“ eingestuft wurde. Die Plattform berief sich dabei auf Angaben eines Komitees in dem Südoststaat, das den Fall untersucht hatte.
Bei Thurman war nach der Einnahme einer Abtreibungspille eine seltene Komplikation aufgetreten. Sie starb während einer Notoperation. Nach Einschätzung des Ausschusses hätten die Ärzte einen vermutlich lebensrettenden Eingriff zu spät durchgeführt, hieß es in dem Bericht. In Georgia war erst kürzlich ein Gesetz verabschiedet worden, das die Kürettage der Gebärmutter unter Strafe stellte und nur wenige Ausnahmen vorsah. Ärzte warnen, die Richtlinien seien vage und schwer zu interpretieren.
„Wir werden dafür sorgen, dass Amber nicht nur als Statistik in Erinnerung bleibt“, sagte Harris in Atlanta. Es war eine der bislang kraftvollsten Reden der Demokratin, für die sie großen Applaus vom überwiegend weiblichen Publikum erhielt. Tags zuvor hatte Harris Thurmans Familie bei einer Wahlkampfveranstaltung von Talkshow-Ikone Oprah Winfrey kennengelernt.
Restriktive Regeln seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2022
In Georgia und 21 weiteren US-Bundesstaaten traten restriktive Abtreibungsregelungen in Kraft, nachdem der Oberste Gerichtshof im Juni 2022 das seit fast 50 Jahren bestehende bundesweite Recht auf Abtreibung abgeschafft und die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht in die Hände der Bundesstaaten gelegt hatte. Während seiner Amtszeit nominierte Trump drei konservative Richter für den Supreme Court, was die Machtverhältnisse am Obersten Gericht deutlich zugunsten der Konservativen veränderte.
Trump hat sich häufig damit gebrüstet, dass seine Entscheidungen am Obersten Gerichtshof den Weg für die landesweite Abschaffung des Abtreibungsrechts geebnet hätten. Seit sie vor zwei Monaten Präsident Joe Biden als Kandidatin der Demokraten ablöste, hat Harris Trump und seine Partei regelmäßig für diesen Ansatz kritisiert.
In drei Bundesstaaten haben die Wähler inzwischen mit der vorzeitigen Stimmabgabe begonnen. In Virginia, Minnesota und South Dakota sind die Wahllokale seit Freitag geöffnet, so dass die Wähler ihre Stimme noch vor dem 5. November abgeben können.