Analyse
Iran verliert immer mehr Verbündete. Hamas und Hisbollah haben schwere Niederlagen erlitten. Und nun wurde Assad, sein engster Verbündeter, in Syrien gestürzt. Die Reaktionen in Teheran zeigen Hilflosigkeit und Angst.
Das schnelle Tempo, mit dem das Assad-Regime in Syrien gestürzt wurde, scheint die Islamische Republik Iran in einen Schockzustand versetzt zu haben. Von offizieller politischer Seite gibt es kaum öffentliche Reaktionen.
Lediglich das Außenministerium erklärte in einer Pressemitteilung, es hoffe, dass die langen und intensiven Beziehungen zwischen den beiden Ländern „mit Weisheit und Weitsicht fortgeführt“ würden.
Die Führung Teherans scheint ratlos zu sein – vielleicht aus Angst, dass die Situation in Syrien auch auf die Islamische Republik übergreifen könnte. Schließlich ist der Iran inzwischen deutlich geschwächt und ohne starke Verbündete.
Eine Serie von Niederlagen
Denn die politische und militärische Bilanz der vergangenen Monate ist düster. Die im Ausland operierenden Truppen der iranischen Revolutionsgarde, die Al-Kuds-Brigaden, haben in den vergangenen Monaten durch gezielte Angriffe zahlreiche Anführer verloren.
Auch die iranische Führung musste mit ansehen, wie die palästinensische Hamas, die Iran lange Zeit mit rund 30 Millionen Euro im Monat im Kampf gegen Israel unterstützt hatte, im Gaza-Krieg von Israel in die Enge getrieben wurde.
Ende Juli wurde der geistliche Führer der Hamas, Ismail Haniya, liquidiert – zur großen Demütigung Irans, ausgerechnet bei einem Besuch in Teheran.
Die libanesische Hisbollah, Irans wichtigster Militärpartner, hat gerade eine unerwartet deutliche Niederlage erlitten. Israel gelang es, nicht nur Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah, sondern auch zahlreiche wichtige Personen der zweiten Linie zu töten. Das große Raketenarsenal der Hisbollah gilt mittlerweile als stark dezimiert und ihre militärische Infrastruktur im Süden Libanons zerstört.
Der Verlust des wichtigsten Verbündeten
Am härtesten trifft Teheran jedoch der unerwartet schnelle Machtverlust seines wichtigsten Verbündeten, des syrischen Diktators Bashar al Assad. Schließlich war Syrien der eiserne Freund des Mullah-Regimes und spielte in den 45 Jahren der Islamischen Republik immer wieder eine wichtige Rolle.
Hafez al-Assad, Baschars Vater, war Teherans einziger Verbündeter, als der Irak im September 1980 – mit Unterstützung der USA und der Unterstützung vieler Nachbarländer im Nahen Osten – den Iran angriff und ihn in einen achtjährigen Krieg verwickelte. „Wir haben immer wieder viel in unsere Beziehungen zu Syrien investiert“, blickte Mohsen Razai, der langjährige General der Al-Kuds-Brigaden, zurück.
Eine dieser „Investitionen“ zeichnete sich 1982 ab. Als Israel in den Libanon einmarschierte, schickte Teheran mehrere hundert Revolutionsgarden über Syrien in den Libanon, um die dortigen Schiiten zu unterstützen. Gleichzeitig wurde in der iranischen Botschaft in Damaskus die Hisbollah gegründet.
Auch Teheran war von Beginn an in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt und unterstützte Assad. Bereits im Frühjahr 2011, als es bei Protesten im südsyrischen Daraa zu zahlreichen Toten und Verletzten kam, gaben die Aufständischen an, sie seien von persischsprachigen Einheiten angegriffen worden.
Nach und nach stellte sich heraus, dass der Iran nicht nur Scharfschützengewehre und High-Tech-Ausrüstung nach Syrien lieferte, sondern auch mit bewaffneten Einheiten der Islamischen Republik bei der Bekämpfung der syrischen Opposition half.
Khamenei empfing Assad wiederholt in Teheran – er war der wichtigste Verbündete des Regimes in Teheran.
Russland geht taktisch vor
Auch das oft als Partnerschaft beschriebene Verhältnis zu Russland ist für Teheran bei weitem nicht so gut, wie es nach außen hin dargestellt wird.
Russische Truppen in der Ukraine setzen im Kampf gegen die Ukraine iranische Drohnen ein und Putin bezeichnet Iran regelmäßig als wichtigen Mitstreiter gegen den „globalen Westen“ innerhalb der BRICS-Staaten. Aber Russland geht taktisch vor.
Die Islamische Republik wartet noch immer auf die Lieferung der teilweise bereits bezahlten russischen Sochoi SU35-Kampfflugzeuge. Auch russische Militärs hielten sich in den letzten Wochen auffällig zurück, als israelische Streitkräfte iranische Truppen bombardierten, die Teheran nach Syrien geschickt hatte, um Assad zu stärken.
Und was das iranische Atomprogramm betrifft, will Moskau mit allen Mitteln verhindern, dass Teheran eine Atombombe produziert. Eine Atommacht an seiner Südgrenze ist für Putin ein No-Go.
Vieles wird unsicherer
Iran kann daher als klarer Verlierer der politischen Unruhen seit dem 7. Oktober 2023 bezeichnet werden. Da der neue US-Präsident Donald Trump ein erklärter Gegner Teherans ist und die große Mehrheit der iranischen Bevölkerung offensichtlich ein Ende der Islamischen Republik wünscht, ist der Iran ein klarer Verlierer der politischen Unruhen seit dem 7. Oktober 2023 Den Mullahs dürften schwierige Zeiten bevorstehen.
In den sozialen Medien gibt es viele iranische Stimmen, die sich zum Sturz des syrischen Herrschers gratulieren. Darüber hinaus heißt es immer wieder, Diktatoren hätten bis „15 Minuten vor ihrem Sturz“ die volle Kontrolle über das Land gehabt – ein Diktum, das online der Philosophin Hannah Arendt zugeschrieben wird und hier als Bild und Wunsch für die aktuelle Situation Irans dienen soll.
Das politische Teheran setzt vorerst zunehmend auf Vorsicht und Abwarten. Entgegen allen bisherigen Ankündigungen hat die Regierung die Verabschiedung des umstrittenen Kopftuchgesetzes auf diesen Montag verschoben. Es soll noch in dieser Woche in Kraft treten und sieht hohe Strafen bei Verstößen vor.
Am Sonntag gab es in sozialen Netzwerken Hinweise darauf, dass die Wut über die Änderung zu erneuten Protestdemonstrationen führen könnte – möglicherweise angefeuert durch die Ereignisse in Syrien.
Es ist möglich, aber alles andere als sicher, ob die Folgen des Regimewechsels in Syrien auch den Iran betreffen werden. Dennoch stehen dem Revolutionsführer Ali Khamenei eher unsichere Zeiten bevor.