Angesichts der schwachen Verkaufszahlen für Elektroautos stellt Wirtschaftsminister Robert Habeck neue Unterstützungsmaßnahmen in Aussicht. Er fühle sich in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Markt wieder anspringe, sagte der Grünen-Politiker am Freitag bei einem Besuch im Volkswagen-Werk in Emden. Dort forderte er den Konzern zudem auf, alle Werke offen zu halten. Habeck hat Branchenvertreter für Montag zu einem „Autogipfel“ eingeladen, um über die aktuelle Krisenlage zu beraten.
„Die Mehrzahl der Aufgaben wird Volkswagen selbst lösen müssen“, sagte Habeck in Emden. Allerdings müsse die Politik prüfen, „ob wir Marktsignale richtig setzen oder verstärken können„, sagte der Vizekanzler. Habeck verwies darauf, dass die Ampelkoalition bereits eine steuerliche Förderung von Elektroautos als Dienstwagen plane. Darüber hinaus werde man nun prüfen, ob noch mehr getan werden könne. Auch rückwirkende Maßnahmen seien denkbar.
Die Nachfrage nach Elektroautos ist stark zurückgegangen
Nach dem abrupten Ende der staatlichen Förderung im Herbst vergangenen Jahres brach der Absatz von Elektroautos in Deutschland ein. Im August wurden 69 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen als im Vorjahresmonat. Auch im Vergleich zum Juli betrug der Rückgang 12 Prozent. Gewerkschaften und Ökonomen machen dafür allerdings auch Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung verantwortlich: Sie hätten die Elektromobilität zu lange vernachlässigt.
Ökonom Marcel Fratzscher sieht Habecks heutige Ankündigungen deshalb kritisch. „Die Die Politik sollte sich nicht in die strategischen Entscheidungen der Unternehmen einmischen und versuchen, sie zu beeinflussen„, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Tagesspiegel. Ob Fabriken geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden müssen, müsse allein die Entscheidung der Sozialpartner und des Unternehmens sein, so Fratzscher. „Es ist besser, 90 Prozent der VW-Beschäftigten krisenfest und zukunftsfähig zu machen, als durch das Festhalten an alten Strukturen den Erfolg des gesamten Konzerns zu gefährden“, so der Ökonom.
Doch nicht nur der langsame Umstieg auf die E-Mobilität kämpft die deutschen Hersteller. Insgesamt rollen zu wenige Autos vom Band, die Werke waren 2023 im Schnitt nur zu gut zwei Dritteln ausgelastet. Während amerikanische und chinesische Zulieferer auf den Markt drängen, musste BMW im ersten Halbjahr Gewinneinbußen von 15 Prozent hinnehmen, Mercedes von 16 Prozent. Auch viele Zulieferer kämpfen. So kündigte ZF im Juli an, in den nächsten vier Jahren in Deutschland bis zu 14.000 Stellen abzubauen.
VW könnte bis zu 30.000 Stellen abbauen
Besonders dramatisch ist die Lage bei VW. Der Autobauer hat seinen jahrzehntelangen Beschäftigungssicherungsvertrag mit den Gewerkschaften aufgekündigt, Werksschließungen und Entlassungen sind im Gespräch.
Laut einem aktuellen Bericht des „Manager Magazins“ könnten in Deutschland mittelfristig bis zu 30.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Das Unternehmen bestätigte die Zahl bislang nicht. Und der Gesamtbetriebsrat erklärte: „Diese Zahl entbehrt jeder Grundlage und ist schlichtweg Unsinn.“
Vor diesem Hintergrund hat Robert Habeck Vertreter der Branche zu einem „Autogipfel“ eingeladen. Nach Tagesspiegel-Informationen ist ein virtueller Gipfel auf Führungsebene geplant. Teilnehmen sollen nicht nur die Vorstandschefs der Autobauer – wobei auch eine Vertretung durch weitere Vorstände möglich sein soll –, sondern auch Spitzenvertreter des Branchenverbands VDA und der Gewerkschaft IG Metall. Für den kriselnden VW-Konzern wird nach Tagesspiegel-Informationen Vorstandschef Oliver Blume persönlich dabei sein.
Eine neue Prämie für Elektroautos ist teuer, führt zu Trittbrettfahrereffekten und wird den Ausbau der Elektromobilität nicht deutlich beschleunigen
Marcel FratzscherÖkonom und Präsident DIW
Eine feste Agenda gibt es aus Branchenkreisen nicht. Die Branche rätselt noch, mit welchem Instrument Habeck den Verkauf von Elektroautos ankurbeln will. Viele denkbare Ansätze – etwa ein günstiges staatliches Programm für das Leasing von Elektroautos wie in Frankreich – gelten angesichts der Haushaltskrise als schwer umsetzbar.
DIW-Präsident Fratzscher hält eine weitere Prämie für Elektroautos für keine gute Idee.Es ist teuer, führt zu Trittbrettfahrereffekten und wird den Ausbau der Elektromobilität nicht deutlich beschleunigen„, sagte er dem Tagesspiegel. Zudem seien solche Prämien sozial unausgewogen. Aus seiner Sicht wäre es besser, wenn der Bund die gezielten Mittel für den Ausbau der Ladeinfrastruktur, für Innovationen und Forschung einsetzen würde.
FDP kritisiert VW-Führung – CDU attackiert Grüne
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer macht für die aktuelle Krise bei Volkswagen mehrere Akteure verantwortlich. „Die Kernprobleme von VW sind eine ineffiziente bürokratische BürokratieDie ständige staatliche Eingriffe durch das sozialdemokratische Land Niedersachsen, Besitzstandsgewerkschaften und ein Überfordertes Topmanagement“, kritisierte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
Volkswagen beschäftigt bei ähnlichem Umsatz fast doppelt so viele Mitarbeiter wie Toyota und ist bei seiner Kernkompetenz Software komplett von chinesischen oder amerikanischen Unternehmen abhängig. „Nicht die wirtschaftlichen Bedingungen, sondern unter anderem die marktferne Produktentwicklung und ein massives Missmanagement durch Vorstand und Betriebsrat“, sagt Meyer.
„Wer wie VW seit Jahren zweistellige Milliardengewinne macht, kann und muss seine internen Probleme nun selbst lösen.“ VW sei zwar zu einem großen Teil selbst für seine Lage verantwortlich, leide aber wie die übrige Wirtschaft unter „zu viel Bürokratie, zu viel Belastung und Überregulierung durch den Staat“. Die schnelle Umsetzung der Wachstumsinitiative als erster Schritt zur Einleitung der wirtschaftlichen Wende helfe daher auch VW und sei wirkungsvoller als jeder Autogipfel.
Jens Spahn warf der Partei von Wirtschaftsminister Robert Habeck dagegen erneut vor, einen „ideologischen Krieg gegen den Verbrennungsmotor“ zu führen. „Die Grünen müssen endlich ihr gestörtes Verhältnis zur deutschen Autoindustrie klären“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union dem Tagesspiegel. Dieses habe die Branche maßgeblich in ihre heutige Situation geführt. „Unsicherheit, Bürokratie, hohe Energiekosten und Steuern strangulieren unsere Wirtschaft ab“, so Spahn. Es brauche einen Wandel in allen Bereichen. (mit dpa, jtr)