Das Verhältnis zwischen der Mutterpartei und der Grünen Jugend ist kompliziert. „Viele von Ihnen sind von den Grünen enttäuscht. Ich bin es auch“, sagte die neue Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Henriette Held, am Samstag beim Bundesnachwuchstag der Partei in Leipzig. Zu oft hat sich die Partei für „Macht statt Haltung“ entschieden. Und daran lässt sie keinen Zweifel, es kommt auf die Einstellung an.
Held findet, dass die Grüne Jugend links, antifaschistisch, kompromisslos und weiblich sein sollte. Sie möchte einen jungen, lautstarken Verein leiten. Vor Hunderten Mitgliedern zeigt sie sofort, was das bedeutet. Sie nimmt Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ins Visier, weil der Kulturpass zum Jahresende eingestellt wird. „Kultur ist kein „nice to have“, sondern eine Grundlage unserer Gesellschaft.“ Sie spricht von Kinos, Jugendzentren und Museen, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Ängste vor dem Niedergang groß sind. „Alte weiße Männer sollten uns nicht sagen, was Kultur ist und was nicht“, sagt sie.
Den Mitgliedern, die nach Leipzig kamen, gefällt dieser Ton. Held wird am Samstag mit 93,6 Prozent der Stimmen gewählt. Es gibt keinen Gegenkandidaten. Sie löst Jette Nietzard ab, die nach zahlreichen Kontroversen Ende Juli erklärte, dass sie nicht für eine weitere Amtszeit als Co-Vorsitzende kandidieren werde. Mehrere Grünen-Politiker hatten sie zum Rückzug aufgefordert.

Nietzard nutzt ihre Abschiedsrede, um die Partei zu kritisieren. Der Jugendverband sei vielleicht nicht der Weg, den die Grünen gehen wollen, „sondern vielmehr der, wohin sie gehen sollten“, sagt sie. Schließlich sei sie „niemandem in den Arsch gekrochen“. Sie glaubt an die Grüne Jugend, bleibt deshalb Mitglied und bietet ihre Unterstützung an. „Im Stillen kann man für nichts kämpfen“, sagt sie und verlässt mit einem „Alerta“ die Bühne.
Der Kampf gegen den aus Sicht der Grünen Jugend aktuellen Faschismus bestimmt die Mitgliederversammlung. Auch wenn immer mehr Menschen im Land nach rechts tendieren, sollten die Grünen, so glauben sie hier, nach links rücken. Viel weiter links. Das sieht die neue Bundessprecherin Held ebenso so wie die neu gewählte zweite Co-Vorsitzende. Der 23-jährige Luis Bobga will „die Partei nach links wenden“. Er fordert einen Mietendeckel, bezahlbare Mehrbettzimmer und ein solidarisches Rentensystem. „Umverteilungsfragen müssen endlich im Zentrum grüner Politik stehen“, sagte er.
Auch Bobga wird am Samstag ohne Gegenkandidaten gewählt, gut 76 Prozent der anwesenden Mitglieder stimmten für ihn. Der Applaus für Bobga fällt deutlich kühler aus als der für Held – wohl auch, weil Unmut darüber herrschte, dass er mitgemacht hatte, obwohl man sich im Jugendverband durchaus vorstellen konnte, dass der bisherige Bundessprecher Jakob Blasel weitermachen würde. Blasel gab Anfang September seinen Rücktritt bekannt.
Blasel und Bobga sind sich politisch in vielen Dingen einig. Bobga, dessen Vater aus Kamerun stammt, fordert, dass die Grünen „nie wieder Asylkompromisse unterstützen“; Zum Abschied kritisiert Blasel noch einmal den gescheiterten Kanzlerkandidaten Robert Habeck für seine Vorschläge zur Migrationspolitik. Diese seien einfach „rassistisch“.
Und was sagt die Mutterpartei dazu? Für sie antwortet Felix Banaszak, der Parteivorsitzende, der selbst ehemaliger Vorsitzender der Grünen Jugend war. Banaszak versucht auch, über die Erfolge der letzten Jahre zu sprechen. Als er uns daran erinnert, dass die Ehe für alle erkämpft wurde, stehen einige Jugendliche der Partei auf und halten ein Plakat hoch, auf dem steht: „Felix – links abbiegen“.
Banaszak sagt, er wolle keinen Jugendverband, der „konformistisch und langweilig“ sei; Es ist gut, dass die Grüne Jugend die Welt gerechter machen will. Doch gerade steht die progressive, ökologische Politik mit dem Rücken zur Wand. Es gehe nun darum, wieder Mehrheiten im Parlament zu gewinnen und „nicht nur auf die Menschen in Berlin-Kreuzberg zuzugehen“.
Doch eines macht Banaszak klar: Mit den künftigen Sprechern der Jugendorganisation spreche er lieber am Telefon als über die Medien. Auch die Grüne Jugend müsse bedenken, „dass der Gegner nicht im Raum ist, sondern auf der anderen Seite“. Der neue Juniorchef Held antwortet ihm: „Wir werden viel zu besprechen haben.“ Sie freut sich darauf.