![Großdemonstration und Streik gegen geplante Audi-Werksschließung: „Deindustrialisierung in Europa“ Großdemonstration und Streik gegen geplante Audi-Werksschließung: „Deindustrialisierung in Europa“](https://i3.wp.com/www.merkur.de/assets/images/35/630/35630169-das-audi-werk-in-bruessel-soll-schliessen-die-produktion-nach-mexiko-verlagert-werden-dagegen-regt-sich-widerstand-3kfe.jpg?w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
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Das Audi-Werk in Brüssel soll geschlossen werden. Dagegen regt sich nun massiver Widerstand: In der belgischen Hauptstadt wird aus Protest der gesamte Nahverkehr lahmgelegt.
Brüssel – Was Deutschland drohen könnte, sollte Volkswagen tatsächlich ein Werk im Land schließen, zeigt sich derzeit in Brüssel. Zwischen 10.000 und 15.000 Menschen werden am Montag (16. September) zu einer Großdemonstration gegen die geplante Schließung des Brüsseler Audi-Werks erwartet. Aus Solidarität streikt auch der Nahverkehr: In der belgischen Hauptstadt sollen Straßenbahnen, Metro und Busse nur eingeschränkt fahren.
Großdemonstration und Streik bei Audi in Brüssel: Angst vor „Deindustrialisierung“ in Europa
Von der geplanten Werksschließung sind 3.000 Arbeitsplätze betroffen. Brüsseler Zeiten Wie berichtet, bestätigte Audi vergangene Woche, dass man langfristig keine Produktion mehr in Brüssel plane. Stattdessen soll die Produktion nach Mexiko verlagert werden. Im Brüsseler Werk sollen allerdings ab dem 17. September wieder Autos vom Band laufen, nachdem es vergangene Woche zu mehreren Streiks gekommen war. Am vergangenen Montag zündeten Arbeiter vier Reifen an, die die Ringe des Audi-Logos bilden.
Der Streik und die Großdemonstration richten sich nicht nur gegen die Schließung des Audi-Werks, sondern auch gegen das Gefühl des Niedergangs in Europa. Die belgischen Gewerkschaften unter dem gemeinsamen Banner FGTB-CSC-CGSLB bezeichnen den Audi-Fall als „nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die umfassende Deindustrialisierung in Europa und Belgien geht“, wie die Brüsseler Zeiten berichtete. Die Gewerkschaften fordern deshalb eine „Politik der Reindustrialisierung“.
Auch die belgische Klimakoalition – ein Bündnis von 90 sozialen Organisationen, die sich der Klimapolitik verschrieben haben – bekundete ihre Solidarität mit all jenen, die unter „den Entscheidungen des Volkswagen-Konzerns“ leiden. Der Verlust von 3.000 Arbeitsplätzen sei ein „Symbol für einen gescheiterten Strukturwandel“, zitiert die Brüsseler Zeiten die Organisation.
Automobilindustrie rechnet mit europaweitem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen
Ein internes Dokument der Autoindustrie an die EU sorgte am Wochenende für Aufregung. Darin warnte die Autobranche vor dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen in Europa. Die Branche sei nicht in der Lage, eine drohende Verschärfung der EU-Klimavorschriften einzuhalten, heißt es in dem Brief, der an die EU ging. Deutsche Presse-Agentur in Brüssel. „In der Folge drohen der EU-Industrie Milliardenstrafen.“ Wer Strafen vermeiden wolle, habe „kaum eine andere Wahl, als die Produktion deutlich zu drosseln, was Millionen von Arbeitsplätzen in der EU bedroht“, heißt es.
Um das zu verhindern, wird vorgeschlagen, einen Notfallartikel zu nutzen, der bereits im Fall von Corona angewendet wurde. Damit könnte die EU-Kommission die Einführung strengerer Vorgaben um zwei Jahre verschieben, heißt es in dem Papier. Zuletzt hatte auch VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch einen Aufschub gefordert. Der deutsche Automobillobbyverband VDA drängt auf eine frühere als geplante Prüfung, ob die EU-Vorgaben umsetzbar sind.
„Der Vorstoß ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Die Autobauer haben in den letzten beiden Jahren über 130 Milliarden Euro Gewinn gemacht und hatten genug Zeit, sich auf das seit 2019 bekannte CO₂-Ziel vorzubereiten“, sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation Verkehr & Umwelt Deutschland. Nun forderten sie die Ausrufung des Notstands, um weiterhin schmutzige Autos verkaufen zu können.
Autobauer in Europa schlagen Alarm: Fabriken in Deutschland sind nicht voll ausgelastet
Von den Schwierigkeiten in der Autoindustrie sind Hersteller in ganz Europa betroffen – auch im Autoland Deutschland. Im Durchschnitt waren die deutschen Werke von Volkswagen, BMW, Mercedes & Co. im vergangenen Jahr nur mit etwas mehr als zwei Dritteln ihrer Kapazität ausgelastet. Das geht aus einer Analyse des Datenspezialisten Marklines für die Deutsche Presse-Agentur Alle Standorte zusammen könnten den Angaben zufolge pro Jahr 6,2 Millionen Autos ausliefern. 2023 seien es nur noch gut 4,1 Millionen gewesen.
Die Zahlen von Marklines zeigen gewaltige Unterschiede zwischen den Standorten. Während Porsche Stuttgart 2023 mit fast 100 Prozent nahezu voll ausgelastet war und Audi Ingolstadt und BMW München mit knapp 90 Prozent nur unwesentlich schlechter abschnitten, erreichte Opel Eisenach nicht einmal 30 Prozent seiner möglichen Kapazität. Auch das Ford-Werk in Köln war nur zu etwas mehr als einem Drittel seiner Kapazität ausgelastet.
Das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim hingegen erreichte 60 Prozent. Andere große Standorte waren nur rund zur Hälfte ausgelastet, darunter die Stammwerke von VW und Mercedes-Benz in Wolfsburg und Sindelfingen. Auch das 2022 eröffnete Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin schaffte nur 51 Prozent.
Grund für die Probleme der Autoindustrie ist die schwache Nachfrage nach Elektroautos und die gleichzeitig zunehmende Konkurrenz aus China. Chinesische Autobauer können, was einheimische Unternehmen nicht können: günstige Modelle anbieten. Allerdings wird die Branche auch in China staatlich subventioniert. BYD, SAIC, Cherry, Xpeng – sie sind auch in Europa auf dem Vormarsch. BYD verkauft in seinem Heimatland China mittlerweile mehr Elektroautos als der bisherige Platzhirsch Volkswagen. Jeder zweite in China verkaufte Neuwagen ist mittlerweile ein Elektroauto. (mit Material von dpa)