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In Großbritannien wird die Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen durch Fehlinformationen befeuert. Es ist klar, dass die Kosten für die Unterbringung massiv steigen werden.
Ein Video eines Mannes, der behauptet, ein ehemaliger Angestellter eines Hotels in der Grafschaft Norfolk im Osten Englands zu sein, geht in den sozialen Medien viral in dem Flüchtlinge untergebracht wurden. Er behauptet, dass den Menschen auf Kosten des Steuerzahlers teure Smartphones kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Darüber hinaus erhielten die dort untergebrachten Menschen 70 Pfund (umgerechnet etwa 80 Euro) pro Woche.
Das Video wurde mehrfach, teilweise in Ausschnitten, auf Facebook, TikTok und Instagram geteilt. Allein auf dem Kurznachrichtendienst X hat ein Beitrag zu dem Video mehr als eine Million Aufrufe. In den sozialen Medien tauchen immer wieder Behauptungen wie diese zum Thema Wohnen auf Asylbewerber in Großbritannien breiteten sich aus.
Falsche Behauptung zu Smartphones
Allerdings sind mehrere Aussagen im Video irreführend oder einfach falsch – etwa die Behauptung, dass Asylbewerber auf Staatskosten kostenlos teure Smartphones erhalten. Eine solche Leistung wird vom Staat nicht erbracht. Allerdings gibt es einige private Initiativen, die gebrauchte Smartphones spenden.
Auch die Höhe der Gelder, die Flüchtlingen in Hotels zur Verfügung gestellt werden, ist übertrieben. Tatsächlich erhalten sie laut Regierungsangaben etwa 50 £ pro Woche, wenn sie sich selbst versorgen, oder knapp 10 £ pro Woche, wenn die Verpflegung in der Unterkunft erfolgt.
Teilweise werden in den sozialen Medien sogar noch höhere Beträge, etwa 2.000 Pfund, genannt, die Asylbewerber angeblich für die Unterbringung in Hotels erhalten. Dies ist nicht korrekt, wie der Stadtrat von Liverpool ausdrücklich festgestellt hat.
In den sozialen Medien werden weitere Videos mit ähnlicher Stoßrichtung verbreitet, denen zufolge Flüchtlinge in teuren Luxushotels untergebracht werden. Auch die Behauptung, dass andere Gäste zu diesem Zweck verwiesen würden, verbreitet sich.
Unterbringung in Hotels oft fraglich
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass die Unterbringung von Asylbewerbern in Hotels alles andere als luxuriös erscheint. Die Medien berichten unter anderem von überfüllten Räumen, in denen es kaum Privatsphäre gibt. Die BBC berichtet von mangelnder Hygiene, darunter schmutzige Matratzen, kaputte Sanitäranlagen und abgelaufene Lebensmittel, die dort an die Menschen ausgegeben werden.
Obwohl die Hotels eigentlich nicht als dauerhafte Lösung gedacht sind, haben Menschen dort mehrere Jahre unter fragwürdigen Umständen verbracht, während über ihren Aufenthaltsstatus entschieden wird.
Dennoch befeuern solche Behauptungen in Großbritannien eine Debatte, die nicht mehr nur in den sozialen Medien stattfindet. Seit Monaten kommt es im ganzen Land zu Protesten vor Hotels, in denen Asylbewerber untergebracht sind. In einschlägigen Facebook-Gruppen kursieren „Karten der Schande“, die Hotels im ganzen Land zeigen, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollen.
Zuletzt Proteste in Southampton
Vorletztes Wochenende kam es in der südenglischen Hafenstadt Southampton zu Protesten. Medienberichten zufolge versammelten sich am vergangenen Wochenende mehrere hundert Menschen vor dem „Highfield House Hotel“, um gegen die Unterbringung von Asylbewerbern zu protestieren.
Zu der Demonstration rief eine Organisation namens „Southampton Patriots“ auf. Solche Proteste werden auch von bekannten rechtsextremen Aktivisten wie Stephen Yaxley-Lennon, bekannt als Tommy Robinson, unterstützt. Yaxley-Lennon hatte X dazu aufgerufen, an der Demonstration teilzunehmen.
Auch die rechtspopulistische Partei Reform UK beteiligt sich an der Propagandakampagne gegen Hotelunterkünfte für Asylbewerber. Reformvertreter haben die amtierende Labour-Regierung von Keir Starmer teilweise scharf angegriffen und ihr vorgeworfen, für die Unterbringung in Hotels verantwortlich zu sein.
Tatsächlich hatte diese Art der Entgegenkommen in Großbritannien bereits unter den Vorgängerregierungen der konservativen Tories, insbesondere während der Pandemie, massiv zugenommen, wie eine Studie der Universität Oxford zeigt.
„Wohnen ist ein sehr emotionales Thema“
Warum scheint die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen so verwirrend zu sein? Professor Andrew Chadwick vom Department of Communications and Media der Loughborough University erforscht Desinformation in sozialen Medien. Einer der Gründe für den Erfolg falscher Behauptungen zum Thema: „Wohnen ist ein sehr emotionales Thema.“
„Es gibt nur wenige Dinge, die für Menschen emotionaler sind als Essen und Unterkunft. Es ist eine ganz grundlegende Ebene, auf der dieses Thema die Menschen erreicht.“ Ein Thema ist das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Politik – und der Ungerechtigkeit.
Ein Gefühl, das dominiert: „Wenn ich es mir als Einzelperson nicht leisten kann, jede Woche meine Lebensmittel einzukaufen, und wenn rechtsextreme Aktivisten im Internet die Betreuung von Flüchtlingen übertreiben, finden sie in einer bestimmten Gesellschaftsgruppe durchaus fruchtbaren Boden.“
Erzählungen über Unterbringung erreichen auch unpolitische
Erzählungen zu Themen wie Wohnen, Gesundheitsversorgung oder Schulen seien eng mit Fragen zur Einwanderung verbunden, sagt Chadwick. Gleichzeitig sind sie für viele Menschen im Alltag auf lokaler und kommunaler Ebene wichtig. Bestimmte Erzählungen zu diesen Themen finden auch bei Menschen Anklang, die nicht unbedingt einer bestimmten Partei oder Bewegung angehören.
Obwohl die Debatte manchmal durch irreführende, übertriebene oder einfach falsche Behauptungen angeheizt wird, ist die Unterbringung von Asylbewerbern für die britische Regierung unbestreitbar sehr teuer. Das belegen Zahlen eines vor wenigen Tagen veröffentlichten Berichts des parlamentarischen Innenausschusses.
Die Übernachtungskosten werden massiv steigen
Daraus geht hervor, dass die Zahl der in Hotels untergebrachten Flüchtlinge im langfristigen Vergleich gesunken ist – von rund 56.000 im September 2023 auf rund 32.000 im Juni 2025. Gleichzeitig gehen die Autoren des Berichts davon aus, dass sich die erwarteten Kosten für Beherbergungsverträge für den Zeitraum zwischen 2019 und 2029 verdreifachen werden – auf insgesamt rund 15 Milliarden Pfund (umgerechnet etwa 17 Milliarden Euro).
Als Gründe dafür nennt der Bericht unter anderem die Corona-Pandemie, die zunehmende Zahl sogenannter „Kleinbootankünfte“; B. Flüchtlingsboote, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen, und die Pläne der Vorgängerregierung, Menschen nach Ruanda abzuschieben.
Labour-Regierung will die Unterbringung in Hotels beenden
Gemäß der UN-Menschenrechtskonvention ist der Staat verpflichtet, Flüchtlingen während der Entscheidung über ihren Asylantrag eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Die Labour-Regierung von Premierminister Keir Starmer hat versprochen, bis spätestens 2029 keine Flüchtlinge mehr in Hotels unterzubringen.
Sie sorgte kürzlich für Schlagzeilen mit ihrem Vorschlag, Asylbewerber in Militärgebäuden statt in Hotels unterzubringen. Im Jahr 2024 stellte das National Audit Office des britischen Parlaments jedoch fest, dass eine solche Unterbringung voraussichtlich mehr Geld kosten würde als eine Unterbringung in Hotels.

