Bei einem Ortstermin mit Berliner Verwaltungsrichtern führte Bordellbesitzer Hakim Şimşek am Montagmorgen durch eine Lagerhalle zwischen der Stadtautobahn A100 und Bahnstrecken in Halensee. „Ich störe hier niemanden“, erklärt er seinen Wunsch, dort in Sichtweite seines „Artemis“-Bordells einen zweiten Standort zu eröffnen.
Seit 19 Jahren ist das Artemis mit rund 3.000 Quadratmetern das größte Bordell Berlins. Doch Şimşek und sein als Geschäftsführer eingetragener Bruder Kenan wollen expandieren.
Am späten Nachmittag bekommen sie grünes Licht: Die 19. Kammer des Gerichts entscheidetDas Land Berlin muss der Umwandlung der Halle in ein Bordell zustimmen. Obwohl es sich in einem baurechtlichen „Außengebiet“ befindet, in dem normalerweise nur land- und forstwirtschaftliche Betriebe und ähnliche Sondernutzungen zulässig sind, ist das Vorhaben in diesem Fall ausnahmsweise zulässig.
Das Grundstück ist erschlossen und öffentliche Interessen stehen dem Projekt nicht entgegen. Auch eine „unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung“ sei nicht zu befürchten. Die Halle existiert bereits; Aufgrund der Bahndämme und der Autobahn ringsherum sei nicht zu befürchten, dass hier „ein Vorbild für andere Gebäude“ entsteht.

© Cay Dobberke
Das heruntergekommene Lagerhaus liegt nicht neben Artemis, sondern auf der gegenüberliegenden Seite der Stadtautobahn. Auf dem Gelände befindet sich auch ein Kfz-Geschäft. Die Halle diente bis 2009 als Weinhandlung und wurde dann von Şimşek erworben.
Das Artemis bezeichnet sich selbst als „FKK- und Saunaclub“. Für den zweiten Standort verfolgte der Eigentümer zunächst ein ähnliches Konzept. 2017 forderte er das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf auf, in einer vorläufigen Baugenehmigung zu klären, ob ein „Herrenclub“ mit Saunen, Suiten und einer Tiefgarage zulässig sei.
Der Bezirk sagte ja, aber der Senat lehnte es ab
Der Bezirk bestätigte dies und äußerte lediglich Bedenken hinsichtlich der geplanten achtgeschossigen Höhe. Şimşek beantragte daraufhin die eigentliche Baugenehmigung – doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter der damaligen Leitung von Senatorin Katrin Lompscher (Linke) stand dem im Wege. Deshalb klagte der Bordellbesitzer im Herbst 2020 gegen das Land Berlin.
„Alle zwei Monate bekomme ich Angebote, Wohnungsbordelle zu kaufen, aber ich lehne immer ab“, sagte Şimşek während des Rundgangs mit den Juroren. Er mag keine Bordelle in Wohngebäuden, in denen das Leben benachbarter Familien mit Kindern beeinträchtigt werden könnte.
Simşek hat seine Pläne geändert. Er möchte die zweistöckige Halle nur mit Keller umbauen, anstatt sie für ein größeres neues Haus abzureißen. Für sexuelle Dienstleistungen soll es „Kontaktkorridore“ und 32 „Aufführungsräume“ geben, von Saunen und einer Tiefgarage ist jedoch nicht mehr die Rede. „Es geht also nicht mehr um einen Verein“, stellte der Vorsitzende Richter fest. Die Beschreibung ähnelt einem „Brechhaus“.
Jahrelanger Rechtsstreit nach Razzia
Im Jahr 2016 geriet Artemis aufgrund einer Großrazzia in die Schlagzeilen. Hunderte Polizisten, Zollfahnder und Staatsanwälte durchsuchten das Bordell und nahmen mehrere Personen fest – darunter auch die beiden Chefs. Der Staatsanwalt sprach von Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Doch es gab so wenig Beweise für die Vorwürfe, dass die Berliner Justiz sich weigerte, ein Gerichtsverfahren einzuleiten.
Şimşek und sein Bruder klagten später auf eine Entschädigung von 250.000 Euro. Darüber hinaus gelang es dem Land Berlin, sich zu entschuldigen. Die Bordellbetreiber gaben an, einen Teil der Entschädigung an ihre Mitarbeiter ausgezahlt zu haben. Mit weiteren Mitteln aus ihrem Privatvermögen spendeten sie 350.000 Euro an ein Kinderkrankenhaus.