Im Ringen um eine strengere Migrationspolitik baut die Bundesregierung zunächst die Grenzkontrollen aus. Pendler und Reisende müssen sich auf Wartezeiten an den Grenzübergängen einstellen. Ein Überblick.
Wo muss ich mit Grenzkontrollen rechnen?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete vergangene Woche an, dass es ab Montag an allen Landesgrenzen stationäre Kontrollen geben soll. Ab 16. September gilt dies auch Frankreich, Dänemark, Belgien, Niederlande und LuxemburgAn den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und die Schweiz Solche Kontrollen gibt es bereits. Im Schengen-Raum sind sie eigentlich nicht vorgesehen.
Das Schengener Abkommen garantiert EU-Bürgern Reisefreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten ohne Passkontrollen. Es gilt als eines der Kronjuwelen der europäischen Integration.
Karte: dpa-Grafik
![Das Schengener Abkommen garantiert EU-Bürgern Reisefreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten ohne Passkontrollen. Es gilt als eines der Kronjuwelen der europäischen Integration. Das Schengener Abkommen garantiert EU-Bürgern Reisefreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten ohne Passkontrollen. Es gilt als eines der Kronjuwelen der europäischen Integration.](https://images.noz-mhn.de/img/47737040/crop/ccom.escenic.master-w628/1754457925/672145891/schengenlnder.jpg)
Auch im grenzüberschreitenden Bahnverkehr soll es verstärkte Kontrollen geben. Die Beeinträchtigungen für Pendler und den übrigen Personen- und Güterverkehr sollen laut Bundespolizei so gering wie möglich gehalten werden.
Wo gibt es in Niedersachsen Grenzkontrollen?
In Niedersachsen beginnen die angekündigten stationären Kontrollen am Montagmorgen an der Grenze zu den Niederlanden. Ab Mitternacht werden dann zusätzliche Bundespolizisten im Einsatz sein, um auf niedersächsischer Seite Einreisende aus den Niederlanden zu kontrollieren.
Es werden feste Kontrollpunkte eingerichtet auf dem Autobahn A30 bei Bad Bentheim, Autobahn A280 bei Bunde und Bundesstraße 402 bei Schöninghsdorf bei Meppen eingerichtet, teilte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Hannover mit. Zudem seien im Gebiet nahe der Grenze zu den Niederlanden Nebenstraßen Durchsuchungsmaßnahmen angekündigt.
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Wo gibt es in Schleswig-Holstein Grenzkontrollen?
An der deutsch-dänischen Grenze gebe es keine ständigen Kontrollen wie etwa während der EM im Sommer, sondern nur stichprobenartige Kontrollen, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion in Bad Bramstedt. Auch an Nord- und Ostsee finden Kontrollen statt.
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Was bedeutet das für Grenzreisende?
Reisende sollten beim Grenzübertritt Personalausweis oder Reisepass und gegebenenfalls Aufenthaltstitel bereithalten.
Wie lange werden die Grenzkontrollen bestehen bleiben?
Die neuen Kontrollen sind zunächst auf sechs Monate, bis zum 15. März 2025, befristet. Sie können in begründeten Fällen auf bis zu zwei Jahre verlängert werden. Nach dem im Mai reformierten Schengen-Kodex ist eine Verlängerung um bis zu ein weiteres Jahr „in schwerwiegenden Ausnahmesituationen angesichts einer anhaltenden Bedrohung“ möglich, also auf insgesamt drei Jahre. Die Praxis zeigt allerdings, dass Länder neue Kontrollen immer mit Unterbrechungen ankündigen.
Seit Mitte Oktober 2023 gibt es an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz stationäre Kontrollen. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es solche Kontrollen, die mit irregulärer Migration begründet werden, bereits seit September 2015.
Können Reisende abgewiesen werden?
Zurückweisungen an deutschen Landgrenzen erfolgen derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand an der Einreise gehindert ist oder keinen Asylantrag stellt. Zurückweisungen an deutschen Binnengrenzen sind grundsätzlich nur möglich, wenn es Kontrollen direkt an der Grenze gibt.
Wann sind Kontrollen zulässig?
Bei „außergewöhnlichen Umständen“ kann ein Mitgliedsstaat laut Schengen-Kodex wieder Kontrollen einführen. Dies könne allerdings nur „vorübergehend“ und „als letztes Mittel“ geschehen. Aufgrund hoher Migrationszahlen, Terroranschlägen und der Corona-Pandemie ist die Ausnahme jedoch zur Regel geworden. In mehr als 440 Fällen wichen Mitgliedsstaaten seit 2006 vom Grundprinzip der uneingeschränkten Reisefreiheit ab, wie aus einer Liste der EU-Kommission hervorgeht. Die Kommission kann die Länder ermahnen, hat aber kein Vetorecht.
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Wie lange sollen die neuen Grenzkontrollen dauern?
Zunächst für sechs Monate. Kontrollen innerhalb des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums, zu dem die meisten EU-Staaten gehören, müssen der EU-Kommission gemeldet werden. Deutschland hat dies für den Zeitraum von Montag bis 15. März 2025 getan. Das Innenministerium will die bestehenden Grenzkontrollen, die derzeit bis Mitte Dezember dauern sollen, verlängern.
Ende August hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF gesagt, er wolle die Kontrollen „so lange wie möglich“ aufrechterhalten – verwies dabei aber nur auf die bestehenden Kontrollen zu Deutschlands Nachbarstaaten. Diese hätten sich als „sehr effizient“ erwiesen. Deshalb wolle er „die Grenzkontrollen so lange wie möglich aufrechterhalten“. „Wir müssen das immer im Rahmen des europäischen Rechts tun. Aber ich kann Ihnen versichern: Das wird uns gelingen.“
Wie begründet Deutschland die neuen Kontrollen?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nimmt in einem Brief an die EU-Kommission Bezug auf die Migrations- und Sicherheitslage. Die Mittel von Bund und Ländern zur Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen seien „nahezu erschöpft“, schreibt Faeser. Neben „Gefahren durch islamistischen Terrorismus“ hätten „jüngste Vorfälle von Messerangriffen und Gewaltkriminalität durch Flüchtlinge zu einer massiven Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls und des inneren Friedens geführt“.
In welchen Ländern werden noch Kontrollen durchgeführt?
Derzeit haben acht Länder Kontrollen in Brüssel angekündigt – darunter Österreich, Italien, Frankreich, Dänemark und Schweden. Österreich begründet dies mit „irregulärer Migration“ und Italien mit der „Gefahr terroristischer Aktivitäten“.
Wie reagieren die EU-Partner?
Ungarn und Italien sehen sich in ihrer harten Migrationspolitik bestätigt, andere Länder wie Polen und Griechenland kritisieren Deutschlands Vorgehen scharf. Polens Ministerpräsident Donald Tusk kündigte „dringende Konsultationen“ mit den anderen deutschen Nachbarn an. Um die irreguläre Migration zu bekämpfen, seien nicht Kontrollen an den Binnengrenzen der EU nötig, sondern ein besserer Schutz der europäischen Außengrenzen, sagte Tusk.
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Letzteres sieht die im Mai besiegelte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS) vor. In Kraft treten soll sie allerdings erst Mitte 2026. Faeser hatte bereits im Frühjahr angekündigt, die bis dahin bestehenden Kontrollen fortsetzen zu wollen, „bis das neue EU-Asylsystem mit starkem Außengrenzschutz greift“.